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Oben: Vier der Reaktoren im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi wurden bei dem schweren Erdbeben und Tsunami am 11. März beschädigt. Es kam zu Kernschmelzen, die Umwelt wurde verstrahlt. Zehntausende Bewohner mussten ihre Häuser verlassen. Es wird nach Planung der japanischen Regierung etwa 40 Jahre dauern, bis die Unglücksreaktoren vollständig abgerissen sind. Unten: Schafe grasen im Solarpark Bruhrain bei Waghäusel nahe Karlsruhe. Hier wird seit 2007 umweltfreundlicher Strom produziert. Fotos: dpa, Reuters

© dpa

TUOMO HATAKKA, VATTENFALL-CHEF: „Die Zukunft der Energie ist grün“

Ich hatte damals im März einen Freund in Frankfurt besucht und dort die Bilder vom Tsunami auf einem Nachrichtenkanal gesehen. Meine ersten Gedanken galten den vielen Menschen, den unmittelbaren Opfern in Japan.

Ich hatte damals im März einen Freund in Frankfurt besucht und dort die Bilder vom Tsunami auf einem Nachrichtenkanal gesehen. Meine ersten Gedanken galten den vielen Menschen, den unmittelbaren Opfern in Japan. Das hat mich wirklich betroffen gemacht. Erst nach und nach wurde dann ja klar, dass es sich nicht nur um ein Erdbeben und einen Tsunami handelt. Da habe ich mit meinen Vorstandskollegen telefoniert. In den Tagen danach haben wir uns natürlich Fragen gestellt wie: Was bedeutet das für uns? Und für die Kernkraft insgesamt?

In der Öffentlichkeit kam sofort die Frage auf: Kann so etwas auch bei uns passieren? Deshalb wurden ja die Stresstests angeordnet, um alle Meiler zu überprüfen. Das haben wir begrüßt und auch proaktiv daran mitgewirkt. Gewundert habe ich mich aber schon darüber, wie heftig die Öffentlichkeit hierzulande reagiert hat – obwohl ich schon seit Jahren in Deutschland lebe und arbeite und weiß, dass Kernkraft hierzulande immer anders diskutiert wurde als etwa in Frankreich. Wenn man die Reaktionen mit denen in anderen europäischen Ländern vergleicht, stellt man fest: Deutschland ist ein Sonderfall, hier ging es deutlich emotionaler zu. Und das meine ich nicht als Kritik: Jeder hat das Recht, seine Emotionen zu zeigen. Das muss man respektieren, wie man auch respektieren muss, wie die Bürger in Baden-Württemberg Ende März gewählt haben. Das Ergebnis dieser Landtagswahl war eine direkte Folge der Ereignisse in Japan.

Auch in Berlin stand die Politik unter Handlungsdruck und es schien in jenen Tagen zunächst, als hätte sie nicht besonders viele Optionen gehabt. Natürlich respektiere ich auch hier das Recht jeder einzelnen handelnden Person, sich eine Meinung zu bilden und Konsequenzen daraus zu ziehen – das haben die Mitglieder der Bundesregierung ja auch gemacht. Trotzdem kann man darüber streiten, ob der Atomausstieg richtig war oder nicht. Aber nun ist es eben passiert. So standen wir plötzlich vor der Frage: Wie sollen wir mit der Situation umgehen – so konstruktiv wie möglich?

Wir akzeptieren die Entscheidung. Zugleich haben wir sofort klargemacht, dass wenn es einen Atomausstieg geben soll, wir dafür eine faire Kompensation fordern werden für den finanziellen Schaden, der uns dadurch entsteht. Daher bereiten wir auch eine Klage vor – nicht gegen den Atomausstieg an sich, sondern für eine angemessene Entschädigung. Das ist ein Unterschied. Sollte die Bundesregierung uns in dem Punkt entgegenkommen, wäre eine Klage natürlich unnötig.

Unterm Strich kann ich heute gar nicht sagen, ob 2011 ein gutes oder schlechtes Jahr war. Das wäre zu schwarz-weiß. Turbulent war es in jedem Fall: Erst der Atomausstieg und dann die eine neue Welle der Finanz- und Wirtschaftskrise, die uns auch im kommenden Jahr sicher begleiten wird. Ich bin nur froh, dass wir schon 2010 – lange vor Fukushima – unser Unternehmen neu ausgerichtet haben. Wir hatten schon vorher verstanden: Die Zukunft der Energie ist grün. Künftig investieren wir 60 Prozent in Erneuerbare: In Windkraft an Land und auf See, in mehr Wasserkraft. Und auch in Kohle – aber nur mit CCS. Ich bin zuversichtlich, dass das irgendwann auch in Deutschland möglich sein wird. Allerdings muss man das Geld, das man in Erneuerbare investieren will, auch erst mal verdienen. Das darf man nicht vergessen.

Aufgezeichnet von Kevin P. Hoffmann

Tuomo Hatakka (55), ist Deutschland-Chef von Vattenfall. Der schwedische Energiekonzern betreibt

die Akw Krümmel und Brunsbüttel, die nun zurückgebaut werden müssen.

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