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Zehntausende hatte in den vergangenen Monaten gegen das geplante Abkommen protestiert. Hierzulande wird der Erfolg der Piraten-Partei auch mit diesen Protesten beziehungsweise der entschiedenen Ablehnung von Acta in Verbindung gebracht.

© dapd

Digitaler Datenschutz: Acta zu den Akten

Das Europaparlament kippt das Abkommen gegen Produktpiraterie und für den Schutz geistigen Eigentums. Vom Tisch ist das Thema deshalb nicht.

Die Netzgemeinde kann einen großen Sieg feiern, die Wirtschaft ist enttäuscht: Das Europaparlament hat am Mittwoch dem zwischen 39 Staaten fertig ausgehandelten Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen (Acta) die Zustimmung verweigert. Mit einer Mehrheit von 478 zu 39 Stimmen sorgte die Straßburger Volksvertretung dafür, dass der internationale Vertrag in den EU-Staaten keine Anwendung finden wird. „Die rechtlichen Unklarheiten im Acta-Text überwiegen die möglichen Vorteile des Abkommens“, sagte der SPD-Abgeordnete Bernd Lange.

Im Frühjahr hatte es europaweit Proteste dagegen gegeben, dass das Abkommen eine umfassende Überwachung und Bestrafung von Internetnutzern möglich machen könnte, wenn sie urheberrechtlich geschützte Werke aus dem Netz laden. Entsprechend sprach Sebastian Nerz von der Piratenpartei, die einen Teil ihres aktuellen Erfolgs der Protestwelle gegen Acta verdankt, von einem „guten Tag für die Demokratie“. Die Grünen- Chefin Claudia Roth sagte, man habe „einer verfehlten intransparenten Hinterzimmerpolitik eine krachende Niederlage zugefügt“.

Bei der Abstimmung enthielten sich insgesamt 165 Abgeordnete, die mehrheitlich der christlich-konservativen Europäischen Volkspartei angehören. Sie hatten sich schon im Vorfeld der Forderung von EU-Handelskommissar Karel de Gucht angeschlossen, eine laufende juristische Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) abzuwarten und das Parlamentsvotum zu verschieben. Sowohl die Brüsseler Kommission, die das Abkommen ausgehandelt hatte, als auch die Christdemokraten befürworten das Abkommen aber im Grundsatz. Der Belgier de Gucht hatte zuvor gewarnt, ein Nein bedeute „rund um den Globus einen Rückschlag für den Schutz des geistigen Eigentums“.

Video: EU-Parlament lehnt Acta ab

Drei Punkte führten letztlich zur Ablehnung

Der Karlsruher CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary sprach von einem „Votum gegen Arbeitsplätze und Verbraucherschutz“. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bedauerte das Scheitern, da die Piraterie seinen Mitgliedsunternehmen massiven Schaden zufüge: Acta „wäre ein wichtiger erster Schritt gewesen“, um das geistige Eigentum besser zu schützen, hieß es. Dagegen begrüßte die deutsche Internetwirtschaft die Entscheidung des EU-Parlaments.

Dass „Kreativität der Rohstoff der Europäischen Union“ und damit zu schützen sei, erkannte auch der parlamentarische Berichterstatter David Martin an. „Dies war aber keine Abstimmung über die Bedeutung geistiger Eigentumsrechte“, sagte der britische Sozialdemokrat, „sondern über den vorliegenden Text, der viele ernsthafte Mängel enthält“.

Vor allem drei Punkte führten letztlich zur Ablehnung: Erstens blieb die Definition gewerblicher Nutzung dem Berichterstatter Martin zu vage: „Treffen die Regeln dafür schon zu, wenn jemand Musik aus dem Netz lädt und sie an einen Freund weiterreicht, der dasselbe macht?“ Zweitens, so der Bericht des Briten, dem sich die Parlamentsmehrheit anschloss, seien die Strafen bei einem nachgewiesenen Verstoß gegen das Urheberrecht „exzessiv“. Und drittens machte sich das Europaparlament den Vorwurf vieler Netzgemeinden zu eigen, durch die Verpflichtung der Internetprovider mögliche Verstöße zu melden, entstehe so etwas wie eine „Internetpolizei“. Alle beteiligten Parlamentsausschüsse hatten auf dieser Grundlage die Ablehnung empfohlen.

EU-Handelskommissar de Gucht kündigte anschließend an, unter den neuen Vorzeichen an dem Thema weiterzuarbeiten: „Die Notwendigkeit, das Rückgrat der europäischen Wirtschaft, unsere Innovation, Kreativität und Ideen zu schützen, verschwindet nicht mit der Acta-Ablehnung.“ Wie unter anderem vom grünen Europaabgeordneten Jan-Philipp Albrecht schon länger gefordert, erwägt nun auch die Bundesregierung, den Abkommensteil über die herkömmliche Markenpiraterie gesondert zu betrachten. „Es muss ein neues Verfahren in Gang gesetzt werden, wo diese Probleme auf den Tisch kommen“, sagte eine Sprecherin von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) der Nachrichtenagentur dpa. Allerdings hieß es in der EU-Kommission bisher, die USA hätten den Vertrag überhaupt nur unterzeichnet, weil darin nicht nur „analoge“, sondern auch die für sie wichtigeren digitalen Produkte abgedeckt sind.

Der SPD-Abgeordnete Lange forderte Brüssel auf, nun erst einmal eine europäische Lösung anzustreben: „Die EU-Kommission ist jetzt aufgefordert, endlich einen Gesetzesvorschlag zur Durchsetzung von Urheberrechten zu erarbeiten, der die Missachtung fundamentaler Grundrechte unmissverständlich ausschließt und zugleich die berechtigten Interessen von Kulturschaffenden berücksichtigt.“

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