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Wirtschaft: Diskriminieren verboten

Die Wirtschaft lehnt das Gleichbehandlungsgesetz ab. Doch was es bewirkt, weiß kaum jemand, wie eine Berliner Diskussion zeigt

Berlin - Die Frage des frisch gebackenen Hochschulabsolventen, wie er sich denn nun bewerben solle, erregte Heiterkeit: „Darf ich ein Lichtbild in meine Bewerbung kleben, oder wäre mein Geschlecht dadurch erkennbar?“ So absurd es klingen mag, niemand konnte dem jungen Mann im Ludwig-Erhard-Haus in Berlin-Charlottenburg richtig antworten.

Der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) hatte dort Experten aus Wirtschaft, Recht und Politik versammelt, um herauszufinden, welche Folgen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) haben könnte. Das AGG, mit dessen Erlass die Bundesregierung im Sommer eine Richtlinie der EU umsetzte, verbietet die Diskriminierung bei der Auswahl von Bewerbern für einen Job ebenso wie bei innerbetrieblichen Entscheidungen. Das Gesetz legt acht Kriterien fest, wegen derer niemand benachteiligt werden darf: Alter, Behinderung, ethnische Herkunft oder Rasse, Geschlecht, Religion, sexuelle Orientierung und Weltanschauung.

Praktisch heißt das, dass ein Unternehmen beispielsweise in einer Annonce nicht nach einer jungen Sekretärin suchen darf, weil er Alte und Männer diskriminiere. Weil viele der Kriterien schwammig sind – was etwa ist eine Rasse oder eine Weltanschauung? – ist die Angst in der Wirtschaft groß, dass eine Klageflut abgelehnter Bewerber auf sie zukommen könnte.

Allerdings gibt es bisher keine Erfahrungswerte. Martin Fenski, Richter am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, gab Entwarnung: „Es wird keine Klageflut geben.“ Fenski fragte sich aber auch, wie kleine Unternehmen die Auswahl von Bewerbern dokumentieren sollen, wie es das Gesetz vorschreibt.

Klaus-Jürgen Meier von der Versicherungsagentur Roskos und Meier stimmte zu: „Das Gesetz hat eine psychologisch ungute Wirkung auf Kleinunternehmer.“ Der negativen Einschätzung schloss sich Martin Lindner, FDP-Fraktionsvorsitzer im Berliner Abgeordnetenhaus, an. Für ihn ist das Gesetz „vor allem Bürokratie“. Er entwarf den hypothetischen Fall, dass Homosexuelle gegen die Einrichtung kostenloser Betriebskindergärten klagen könnten. Dass solche Szenarien aber wenig erhellen, zeigte die ehemalige Berliner Wirtschaftssenatorin Juliane Freifrau von Friesen, die im Publikum saß. Sie sprach vom Fall zweier Lufthansakapitäne, die gegen die Altersgrenze von 60 Jahren klagen, die die Lufthansa für Piloten von Passagiermaschinen vorsieht.

Das löste in der von Ex-Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner heiter geleiteten Runde Kopfschütteln aus. Vor dem Hintergrund, dass Piloten von Cargo-Maschinen jedoch bis 65 arbeiten dürfen, ergab die Klage auch im LudwigErhard-Haus Sinn.

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