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Richtig eingestellt. Die BMW-Fertigung für Achsgetriebe in Dingolfing hat der Autobauer so umgebaut, dass dort ältere Beschäftigte gut arbeiten können. Foto: dpa

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Wirtschaft: Dranbleiben

Der Fachkräftemangel zwingt die Unternehmen, sich stärker um ältere Mitarbeiter zu kümmern. Wie Firmen Arbeitnehmer über 50 in Bewegung halten

Das Wissen älterer Arbeitnehmer ist eine wichtige Säule für den Erfolg des Unternehmens, es muss gehalten und gepflegt werden, sagt eine eine Sprecherin der Deutschen Bahn. „Mitarbeiter, die viel Erfahrungswissen haben, sind uns enorm wichtig“, erklärt sie. Bei der Bahn liegt das Durchschnittsalter der Beschäftigten bei 46 Jahren. Seit mehreren Jahren bemüht sich der Konzern, die Beschäftigungsfähigkeit der älteren Arbeitnehmer möglichst lange zu erhalten – zum Beispiel durch lebenslanges Lernen, Gesundheits- und Motivationsförderung sowie eine positive Unternehmenskultur, die die Erfahrungen und das Wissen Älterer wertschätzt.

Das erfordert viel Flexibilität: Können Mitarbeiter körperlich anstrengende Tätigkeiten aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr ausüben, versucht die Bahn, neue berufliche Perspektiven für sie zu schaffen. Einige können innerhalb des Betriebs in einen anderen Bereich wechseln. Andere absolvieren Trainings und Praktika bis hin zu Zusatzausbildungen, um sich beruflich neu zu orientieren. „So können die Mitarbeiter auf künftig freie Stellen qualifiziert werden“, erklärt die Bahnsprecherin. Hier eignen sich Qualifizierungen, in denen Ältere sich selbständig mit hohem Praxisbezug weiterbilden gut, beispielsweise Lernmethoden „on the job“ nach eigenem Tempo. Dabei können die Mitarbeiter auch ihre beruflichen Erfahrungen nutzen und reflektieren.

Für ältere Beschäftigte aus der Produktion bietet die Bahn spezielle Projekte, in denen sie etwa IT-Kenntnisse erlernen und fit für eine Bürotätigkeit gemacht werden. Mit Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit bietet das Unternehmen auch berufserfahrenen arbeitslosen Ingenieuren und Technikern Qualifizierung für den beruflichen Wiedereinstieg an. Knapp 60 Mitarbeiter wurden seit 2009 auf diesem Weg rekrutiert. Gegenwärtig werden 20 weitere Fachkräfte für neue Anforderungen qualifiziert.

Ältere Mitarbeiter – nach der Definition der Bundesagentur für Arbeit ist damit die Generation 50plus gemeint – spielen für Unternehmen eine zunehmend wichtige Rolle. Gründe dafür sind, eine immer älter werdende Gesellschaft, die schrittweise Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre und die sinkenden Zahlen von Auszubildenden und Studierenden. Laut Statistischem Bundesamt steigt das Durchschnittsalter der Deutschen bis 2030 drastisch an. Während heute die Generation der 35- bis 49-Jährigen die größte Gruppe der Arbeitnehmer stellt, sind es bis 2020 die 50- bis 64-Jährigen.

Doch längst nicht alle Unternehmen wissen ältere Mitarbeiter zu schätzen. Nach der Arbeitskräfteerhebung des Statistischen Amts der Europäischen Union lag die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen im vergangenen Jahr in Deutschland gerade mal bei knapp 58 Prozent – und zwar inklusive befristeter und Teilzeitarbeitsverhältnisse. Im Vergleich zum Vorjahr ist immerhin ein Anstieg von rund zwei Prozent zu verzeichnen. Die Schweden, Norweger und Schweizer wollen auf ihre älteren Arbeitnehmer nicht verzichten. Dort liegt die Erwerbstätigenquote bei rund 70 Prozent.

Der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin zufolge ist der Fachkräftemangel bei den Firmen angekommen. „Zunehmend werden individuelle Maßnahmen getroffen, um die Arbeitskraft und Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten“, berichtet Sprecher Bernhard Schodrowski. Allerdings wüssten viele Unternehmer, dass sie sich intensiver um die Förderung kümmern müssten. Möglichkeiten seien Weiterbildungen, flexible Arbeitszeitmodelle sowie Gesundheitstage, um Risiken entgegenzuwirken.

Ute Leber, wissenschaftliche Mitarbeitern am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, weist darauf hin, dass die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft nicht erst bei älteren Mitarbeitern, sondern über das gesamte Erwerbsleben hinweg gestärkt werden sollte. Bei Trainings der Bahn wird in altersgemischten Teams generationenübergreifend gelernt und gearbeitet.

Gute Erfahrungen mit der Altersmischung macht auch Roland Schulze, Geschäftsführer der Denkmalpflege GmbH in Potsdam. „Wir fördern die altersgemischten Teams bewusst, um die Wissensweitergabe zwischen den Generationen sicherzustellen“, sagt der Bauingenieur, der 70 Mitarbeiter beschäftigt. Das sei gerade im Handwerk, wo alte Techniken angewendet werden, sehr wichtig. Der Geschäftsführer setzt seine Älteren auf den Baustellen entweder nur bei hoch komplizierten Arbeiten zur Begleitung jüngerer Beschäftigter ein oder organisiert andere Tätigkeitsfelder. „In Fällen, in denen die älteren Kollegen den körperlichen Belastungen nur noch mit Mühe gewachsen waren, übernahmen diese Kollegen Meisterstellen in der Firma für neu geschaffene Bereiche“, berichtet Schulze. Aufgrund ihrer Erfahrungen leiten sie diese fachkundig und tragen zur betrieblichen Stabilität bei. So kommen beispielsweise aus dem aktiven Handwerk ausgestiegene Dachklempner in der Pflege und Wartung von Gebäuden zum Einsatz. Zu schätzen weiß der Geschäftsführer auch, dass ältere Mitarbeiter gerade wegen ihrer langjährigen Erfahrung eine gewisse Ruhe und Abgeklärtheit in die Abläufe bringen.

Hilmar Schneider vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit in Bonn betont bei der Förderung älterer Mitarbeiter die Rolle der Führungskräfte. „Wir brauchen einen neuen Managertyp, der genug Einfühlungsvermögen besitzt und die Grenzen der Belastbarkeit erkennt“, sagt der Direktor für Arbeitsmarktpolitik. Das Alphatier, das maximale Leistung fordert, sei heute nicht mehr gefragt. „Wenn wir unseren Wohlstand halten wollen, müssen wir unsere Potenziale schützen“, erklärt Schneider.

Bei der Deutschen Bahn gehören Qualifizierung, Gesundheit und Motivation zusammen. So werden unter der Dachmarke „DB Gesundheitswelt“ vielfältige Maßnahmen zu den Themen gesunde Ernährung, Bewegung und Sport sowie zum Umgang mit Alkohol und Drogen angeboten. Regelmäßige Gesundheits-Checks und Hilfe bei psychischen Belastungen gehören dazu. Die Arbeitnehmer können aber auch selbst einiges tun, um ihre Arbeitskraft zu erhalten, findet die Bahnsprecherin, etwa durch gesunde Ernährung, regelmäßigen Sport und den Verzicht aufs Rauchen.

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