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Den Sinkflug stoppen. EADS-Chef Enders muss sich nach einem neuen Partner umschauen. Sinkende Wehretats machen der Waffensparte Cassidian Probleme. Foto: dpa

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Wirtschaft: Ein italienisches Angebot

Nach der gescheiterten Fusion mit den Briten gibt es für EADS eine neue Option.

Berlin - Tom Enders trifft keine Schuld. Nachdem die Bundesregierung dem Chef des deutsch-französischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS unmittelbar nach dem Scheitern der Fusionsgespräche mit dem britischen Wettbewerber BAE das Vertrauen ausgesprochen hatte, zog der EADS-Verwaltungsrat nach. Das Gremium habe dem Manager am Donnerstag seine volle Unterstützung zugesichert, sagte ein Konzernsprecher in München. Das von Enders vorangetriebene Projekt war am Vortag endgültig am Widerstand aus der Politik gescheitert.

Der Konzern bemühte sich um Normalität. Die Sitzung sei regulär und lange geplant gewesen. Enders soll EADS auch künftig führen, obwohl die Initiative für eine Verschmelzung mit BAE zum größten Waffenhersteller der Welt mit 72 Milliarden Euro Umsatz und 220 000 Mitarbeitern maßgeblich von ihm gekommen war. Der neue Konzern hätte Boeing als größten Rüstungslieferanten abgelöst.

So unbeachtet die Verhandlungen von der breiten Öffentlichkeit blieben, so groß ist nun die Empörung der Opposition und bei Teilen des schwarz-gelben Lagers. Ex-Verteidigungsminister Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) warf der Bundesregierung vor, eine „historische Chance“ verpasst zu haben. Es sei überraschend, dass sich gerade Deutschland, das stets mehr europäische Kooperation fordere, dagegen gewandt habe, schrieb er in einem Beitrag für die „Financial Times“. Ein Zusammenschluss der Konzerne hätte aus politischer und wirtschaftlicher Sicht zahlreiche Vorteile gebracht. Der Chef der CSU-Wirtschaftskommission, Markus Blume, erneuerte seine Kritik am Luft- und Raumfahrtkoordinator der Bundesregierung, Peter Hintze (CDU). „Hintze muss aufpassen, mit seinem ,Feldzug’ das Erbe von Franz-Josef Strauß in der Luft- und Raumfahrt nicht leichtfertig zu verspielen“, sagte Blume.

SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels griff die Bundesregierung ebenfalls scharf an. Zugleich riet er den Konzernen, möglichst bald einen neuen Anlauf zu wagen. In einigen Jahren könne es zu spät sein, da sich beide Konzerne mittelfristig neu ausrichten müssten.

Enders ist sich des Problems wohl selbst am ehesten bewusst. Zu den ohnehin drückenden Rüstungskürzungen bei der Bundeswehr und in anderen europäischen Staaten könnten weitere Einschnitte kommen. Seit langem laufen Gespräche, etwa über eine reduzierte Abnahme von Kampfflugzeugen oder Hubschraubern. In der Eurofighter-Wartung in Manching gibt es bereits Kurzarbeit.

Während die wichtigste EADS-Tochter Airbus vom Platzen der Fusion eher wenig betroffen ist, trifft das Aus für die ambitionierten Pläne die Rüstungstochter Cassidian hart. „Wir müssen unsere Konzernstrategie und insbesondere unsere Verteidigungsaktivitäten auf den Prüfstand stellen“, schrieb Enders in einem Brief an die Mitarbeiter. Die Sparte büßte 2011 gut zwei Prozent Umsatz ein und verdiente operativ mit 331 Millionen Euro 28 Prozent weniger.

Eine Alternative brachte am Donnerstag bereits Italien in Spiel. Das Scheitern der Verhandlungen eröffne Spielräume, die in Kürze vom italienischen Technik- und Rüstungskonzern Finmeccanica und dann von der Regierung abgeschätzt werden sollten, sagte der italienische Verteidigungsminister Giampaolo Di Paola laut Nachrichtenagentur Ansa. Der Vorstoß kommt überraschend, da sich italienische Politiker bisher gegen Teilverkäufe des Konzerns ins Ausland stellten. Finmeccanica ist zu einem Drittel im Staatsbesitz. EADS wollte sich zu solchen Überlegungen aber nicht äußern. Es müsse nun erst einmal genau die Lage analysiert werden.

In Großbritannien bemüht sich BAE Systems seinerseits um Schadensbegrenzung. Mit einem offenen Brief versuchte der Konzern am Donnerstag, Mitarbeiter und Öffentlichkeit zu beruhigen. In dem Schreiben, das in mehreren Zeitungen erschien, betonte die BAE-Führungsspitze aus Ian King und Dick Olver, man wolle in die Zukunft schauen. Seit dem Scheitern geht bei den Beschäftigten die Angst vor Stellenstreichungen um. Beobachter mutmaßten, BAE könne von einem US- Unternehmen übernommen werden. Der Konzern leidet unter gekürzten Verteidigungsbudgets in Großbritannien und den USA. mit dpa/rtr

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