zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Ein Superstar auf dem Weg nach China

Google steigt in den weltweit zweitgrößten Internetmarkt ein. Doch es gibt Probleme mit der Staatsmacht

Google ist zum Superstar geworden, weil der Internetsuchdienst unermüdlich ein Ziel verfolgt: die Informationen der Welt „allgemein zugänglich und nutzbar“ zu machen. Nun bringen Googles Expansionspläne in Asien die Regierung eines Landes gegen das Unternehmen auf, das eine ganz andere Philosophie verfolgt: China.

Yahoo und andere Konkurrenten arbeiten bereits seit langem in China. Google bot zwar eine chinesischsprachige Version seines bekannten Suchdienstes an, hatte aber bis zu diesem Jahr weder Büros noch Mitarbeiter vor Ort. Das war insbesondere hinderlich im Kampf um Nutzer und Werbekunden im rapide wachsenden chinesischen Internetmarkt. Inzwischen gibt es 100 Millionen Internetnutzer in China. Damit ist die Nutzerbasis bereits die zweitgrößte der Welt – nur die USA haben mehr Teilnehmer. Jetzt beeilt sich Google, den Anschluss zu finden, um global wettbewerbsfähig bleiben zu können. Doch der Schritt nach China gibt den Zensoren und Sicherheitsbeamten des Landes einen größeren Einfluss auf Google – dessen Unternehmensmantra lautet: „Sei nicht böse.“

Peking glaubt, dass das Internet streng kontrolliert werden muss, um gesellschaftliche Stabilität zu wahren – und letztlich die Macht der Kommunistischen Partei zu erhalten. Es verlangt von Internetfirmen, die in China arbeiten, sich der strengen Zensur und den Sicherheitsbestimmungen des Landes zu unterwerfen. Google hat bereits Teile seines Suchdienstes darauf zugeschnitten. Chinesische Nutzer können zum Beispiel Seiten nicht aufrufen, die einen Bezug zu der Bewegung Falun Gong und anderen Gruppen haben, die von der Regierung verboten wurden.

Interviews, Presseerklärungen und Gerichtsakten zeigen, weshalb sich Google schließlich entschied, den Schritt nach China zu wagen – trotz der Bedenken, wie die Beschränkungen mit der Unternehmensphilosophie zu vereinbaren seien. Am Ende waren die Chancen in China zu verlockend, um zu widerstehen.

Doch der späte Schritt hat seinen Preis: Während das Unternehmen noch seine Strategie diskutierte, stieg ein lokaler Rivale, Baidu.com, an dem Google einen kleinen Anteil hielt, zum beliebtesten Suchdienst auf. Einem Gerichtsdokument zufolge gab Vorstandschef Eric Schmidt auf einer Sitzung im Juli dieses Jahres „ernst zu nehmenden lokalen Wettbewerb“ als Grund dafür an, dass das Geschäft in China sein größtes Sorgenkind sei. „Vielleicht hätten wir eher nach China gehen sollen, aber besser später als gar nicht“, sagt Kai-Fu Lee. Er hat lange für Microsoft gearbeitet und sein Ansehen in China war einer der Gründe dafür, dass Google ihn im vergangenen Juli einstellte, um das Geschäft in China zu leiten. Microsoft behauptet, die Einstellung Lees verstoße gegen eine arbeitsvertragliche Klausel, nicht für einen Konkurrenten tätig zu werden – und hat Klage gegen Lee und Google eingereicht.

Seit Kai-Fu Lee für Google arbeitet, hat das Unternehmen eine Reihe lokaler Partner für seine Online-Werbung gewonnen. Lee hat 25 chinesische Universitäten besucht, um Interesse an der Arbeit bei Google zu wecken. Google bereitet außerdem eine Werbekampagne vor.

Auch andere Länder setzen Grenzen für Inhalte, die Menschen im Netz verbreiten können. Doch in China sind die Beschränkungen umfangreicher. Dabei ist schwer zu durchschauen, wer die Regeln aufstellt und wie. Zahlreiche Agenturen – von der nationalen Behörde zum Schutz von Staatsgeheimnissen bis zu den Presse- und Informationsbehörden – sind für das Internet zuständig. Ausländische Unternehmen müssen sich verpflichten, die Regeln einzuhalten, nach denen der Zugang zu Online-Inhalten gesperrt werden muss, die für politisch inakzeptabel gehalten werden. Regelverstöße können die Geschäftslizenz kosten oder andere Strafen nach sich ziehen. Peking kann von den Unternehmen außerdem verlangen, Informationen über ihre Kunden preiszugeben, die verdächtigt werden, gegen die breit gefächerten, aber oft vagen Gesetze verstoßen zu haben.

„Wir sind uns alle bewusst, dass der Schritt nach China von uns verlangt, zwei bestimmte Anforderungen in Einklang zu bringen: die Bedürfnisse unserer Nutzer und das Erfordernis, innerhalb eines politischen Klimas und bestimmter politischer Regeln zu arbeiten – so wie wir es auch überall sonst auf der Welt tun“, sagt Sukhinder Singh Cassidy, Googles Vize-Präsidentin für das asiatisch-pazifische und das lateinamerikanische Geschäft. Sie glaubt, dass Google diese Balance auch bei der Expansion in China halten kann.

Doch dieser Balanceakt ist verzwickt. So ermöglichte Googles Dienst mit Landkarten und Satellitenbildern den chinesischen Nutzern bisher unbekannte Einblicke: Sie konnten sich das geheime Gelände Zhongnanhai, wo Chinas Führungsspitze lebt und arbeitet, aus der Vogelperspektive anschauen. Detaillierte Bilder des streng bewachten Areals sind in chinesischen Publikationen verboten. Inzwischen sind Nahaufnahmen des Geländes im Netz gesperrt – jedenfalls in Teilen Chinas. Unklar ist, wie weit die Blockade reicht und wer sie veranlasst hat.

Andere Unternehmen sind unter Beschuss geraten, weil sie Chinas Regierung beliefert haben. So wurde Cisco Systems kritisiert, weil es Ausrüstung verkauft hat, mit der Webseiten gesperrt werden können. Menschenrechtsaktivisten haben in den vergangenen Monaten Yahoo beschuldigt, der chinesischen Polizei geholfen zu haben, einen Journalisten zu identifizieren, der angeblich Staatsgeheimnisse auf eine ausländische Webseite gestellt haben soll. Der 37-jährige Journalist Shi Tao ist jetzt zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Yahoo verteidigt sich: „Wir müssen rechtliche Erfordernisse gegen unsere feste Überzeugung abwägen, dass unser aktiver Einsatz in China zu der kontinuierlichen Modernisierung des Landes beiträgt“, heißt es in einer Erklärung.

Time Warner dagegen hat im Jahr 2002 entschieden, ein geplantes Gemeinschaftsunternehmen mit dem chinesischen Computerhersteller Legend Holdings abzublasen. Time-Warner-Chef Richard Parsons erklärte, das Unternehmen habe wegen seiner Bedenken, E-Mails und andere Dokumente chinesischen Behörden preiszugeben, von diesem Schritt abgesehen.

Andere führen dagegen an, dass das Internet bereits jetzt zu einem noch nie da gewesenen Informationsfluss im Land geführt habe – so ist etwa Kritik an der Regierung im Internet leicht zu finden. „In den USA versteht man nicht so ganz, dass die Menschen in diesem Land nicht ohne weiteres Zugang zu Informationen haben und nicht frei ihre Meinung äußern können“, sagt Kai-Fu Lee.

Google begann im Jahr 2000 von den USA aus, eine chinesischsprachige Version seines Suchdienstes anzubieten. Im September 2002 wurde Googles Webseite in China plötzlich gesperrt und die Nutzer wurden auf chinesische Seiten umgeleitet. Das kam für die Spitze des Unternehmens so überraschend, dass Mitgründer Sergey Brin einen sofortigen Crashkurs über China für erforderlich hielt und deshalb gleich ein halbes Dutzend Bücher über China bestellte. Zwei Wochen später wurde Google aus Gründen, die nicht ganz klar sind, wieder freigegeben. Google sagt, man habe keine Änderungen vorgenommen. Doch die Nutzer mussten feststellen, dass sie keinen Zugang zu politisch sensiblen Seiten mehr hatten, die bei den Suchergebnissen von Google auftauchten.

Im Januar 2004 ließ das Unternehmen dann ein gesteigertes Interesse an China erkennen. „China ist strategisch wichtig für Google“, heißt es in einem Dokument, das Teil der Gerichtsakten im Microsoft-Prozess ist. Dafür gibt es wichtige Gründe: Die Zahl der Internetnutzer in China ist von nur 620 000 im Jahr 1997 auf 103 Millionen im vergangenen Juni hochgeschnellt. Doch noch hat Google im Kampf um die Spitze die Nase nicht vorn. Unternehmenseigene Studien kamen zu dem Ergebnis, dass „die Menschen noch nicht viel von uns wissen“. Außerdem könnten „50 Prozent der Menschen, die uns kennen oder von uns gehört haben, ,Google’ nicht korrekt schreiben“, heißt es in der von Singh Cassidy präsentierten Studie.

Texte übersetzt und gekürzt von Svenja Weidenfeld (Google), Christian Frobenius (GM) und Matthias Petermann (Schröder). Beitrag aus: The Wall Street Journal.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false