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Wirtschaft: Eine Spur Verunsicherung

Unternehmen und Volkswirte befürchten Euro-Knall.

Berlin - Es fehlt das Vertrauen. Deutsche Unternehmen sehen sich momentan gut aufgestellt, zweifeln aber daran, dass die Politiker in Europa – dem stärksten Absatzmarkt – der Krise Herr werden. Das ist das Ergebnis des monatlich erhobenen Ifo-Index, den das Münchener Wirtschaftsforschungsinstitut am Freitag veröffentlichte. Über alle Branchen gesehen kühlte sich das Geschäftsklima im Juni auf 105,3 Punkte (Mai: 106,3 Punkte) ab. Es ist der zweite Rückgang in Folge und der niedrigste Stand seit März 2010. Dabei trübten sich die Erwartungen deutlich um mehr als drei Punkte auf 97,3 ein. Die aktuelle Lage schätzen die etwa 7000 befragten Unternehmen im Schnitt nahezu unverändert ein.

„Die deutsche Wirtschaft befürchtet zunehmende Beeinträchtigungen durch die Euro-Krise“, interpretiert Ifo-Chef Hans-Werner Sinn die Ergebnisse. Kurz vor dem nächsten EU-Gipfel Ende kommender Woche scheint vor allem die für die deutsche Konjunktur wichtige Exportwirtschaft verunsichert zu sein. Nach Ansicht von Ökonomen ist diese Skepsis so richtig wie bedenklich für die konjunkturelle Entwicklung im zweiten Halbjahr. „Der Aufschwung, den wir eigentlich erwarten, ist nicht in Sicht“, sagt Joachim Scheide, Leiter des Prognosezentrums am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Eine Rezession, wie sie etwa einige seiner Kollegen befürchten, erwartet er für Deutschland dennoch nicht. Ähnlich schätzt das Berliner Institut für Wirtschaftsforschung die Lage ein. „Wir sehen für die zweite Jahreshälfte eine Seitwärtsbewegung, vielleicht einhergehend mit einer leichten Eintrübung am Arbeitsmarkt“, sagt Konjunkturchef Ferdinand Fichtner.

Selbst wenn die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen strukturelle Veränderungen wie den Fiskalpakt für den krisengebeutelten Euro-Raum beschließen sollten, könnte die Verunsicherung noch eine Weile anhalten. Auf längere Sicht würde das die Investitionstätigkeit der Unternehmen lähmen und irgendwann auch auf die Verbraucher durchschlagen, die derzeit dank höherer Löhne und geringer Arbeitslosigkeit kräftig Geld ausgeben und damit das Wachstum stützen. Die Kieler Wissenschaftler halten es aber für unwahrscheinlich, dass das derzeitige Vertrauensvakuum durch die Euro-Krise von Dauer ist. „Ich glaube nicht, dass wir die Zitterpartie ewig haben“, sagte Scheide. „Binnen eines Jahres werden wir entweder den großen Wurf oder den großen Knall erleben.“ Simon Frost

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