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Autos von morgen. Bundeskanzlerin Angela Merkel besichtigte am Montag im strömenden Regen vor dem Brandenburger Tor die "Technikschau" der deutschen Automobilindustrie und ihrer Zulieferer. Mit dabei: die Elektrostudie "E-tron" von Audi.

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Elektroauto: Mit dem Strom

Bundesregierung und Industrie werben für das Elektroauto – und beschwören deutsche Tugenden

Berlin - „Sehen Sie etwas?“ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) blickt am Montagmittag fragend in die Runde aus Industriemanagern und Kabinettskollegen. Eben hat sie im Lichthof der Berliner Telekom-Niederlassung einen wichtigen Knopf gedrückt. Symbolisch soll er das Startsignal für die „Nationale Plattform Elektromobilität“ geben. Doch zu sehen ist zunächst nichts. „Vielleicht müssen Sie den großen Knopf drücken“, ruft Moderator Steffen Seibert. Der ZDF-Journalist hat einen „Moment für die Abendnachrichten“ angekündigt. Das provoziert Lacher im Saal. Schließlich passiert doch etwas: das Logo der neuen Plattform – ein stilisiertes E-Auto – leuchtet auf.

Mit der Sichtbarkeit der Elektromobilität ist es so eine Sache. Autos, die nur von Batterien und Elektromotoren angetrieben werden, gibt es bislang nur als Kleinserien- oder Versuchsfahrzeuge. 1600 der mehr als 60 Millionen Pkw in Deutschland fahren elektrisch. Doch glaubt man Studien, gehört den E-Autos die Zukunft. Schon in einigen Jahren sollen sie das Straßenbild prägen. Am Montagmorgen hat sich Angela Merkel im strömenden Regen vor dem Brandenburger Tor einen Eindruck verschafft, wie die Zukunft aussehen könnte. Die deutsche Autoindustrie samt Zulieferern hat eine beachtliche „Technikschau“ zum Thema Elektromobilität zusammengestellt. Erstmals ist ein elektrischer VW Golf zu sehen, der 2013 auf den Markt kommt, oder ein batteriebetriebener Porsche Cayenne. Daneben Exponate von BMW (Mini E), Audi (E-tron), Opel (Ampera) und anderen.

Verkehrsminister Peter Ramsauer.

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Nein, verschlafen hätten die deutschen Hersteller die Entwicklung alternativer Antriebe wirklich nicht, erklären die Chefs von Daimler und BMW, Dieter Zetsche und Norbert Reithofer, im Frühstücksfernsehen. Sie ärgern sich, dass es ein Volkssport geworden sei, der Autoindustrie „Schlafmützigkeit“ vorzuwerfen. Am Brandenburger Tor demonstriert die PS-Branche, dass sie nicht nur am Tag des Berliner Autogipfels unter Strom steht.

Zusammen mit der Regierung hat sich die Industrie vorgenommen, bis 2020 eine Million E-Autos auf deutsche Straßen zu bringen. Mitgezählt werden dürften etliche Hybride, also Fahrzeuge, die neben einem Elektro- einen Verbrennungsmotor haben. Wichtiger als die Zahl: Damit diese Autos nicht aus asiatischer oder französischer Produktion stammen, sondern aus deutscher, sollen die diffusen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen besser koordiniert werden. Die Plattform soll das Netzwerk aus Politik, Industrie und Wissenschaft enger knüpfen.

Siemens-Chef Peter Löscher (li.).

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147 Experten und ein Ziel: Sieben Fachgruppen sollen bald Resultate präsentieren

Die Hoffnung auf zusätzliche Förderung wird am Montag allerdings enttäuscht. „Das ist kein Subventionsgipfel“, sagt Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Mehr als die 500 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II, das kommendes Jahr ausläuft, wird es vorerst nicht geben. „Im Rahmen der geltenden Finanzplanung“ ist allerdings vorgesehen, Mittel zur Forschungsförderung gezielt in die Entwicklung moderner Antriebstechnologien zu lenken. Technikoffen, wie es heißt. Neben der Batterie sollen ebenso wie bisher Brennstoffzellen- und Wasserstoff-Antriebe gefördert werden.

Daimler-Chef Dieter Zetsche.

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Statt Geld hat die Bundeskanzlerin deshalb Aufbruchstimmung mitgebracht. „Wäre ich nicht Politikerin geworden, könnte ich mir gut vorstellen, im Bereich Elektromobilität engagiert zu sein“, verrät die promovierte Physikerin. Zusammen mit Wirtschaftsminister Brüderle, Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) beschwört sie die „partnerschaftliche Verantwortung“ aller Beteiligten. „Es geht nicht darum, sich schlecht zu reden, sondern darum, gemeinsam besser zu werden“, sagt Merkel. Wohl auch ein Hinweis auf das heftige Postengeschacher der Verbände im Vorfeld des Autogipfels. Nun wartet auf alle eine gewaltige organisatorische Aufgabe: Allein 147 Fachleute in sieben Arbeitsgruppen werden in den kommenden Monaten mit der Klärung schwieriger Fragen von der Speicher- und Stromtank-Technologie bis zu Fragen der späteren Markteinführung der Elektroautos beschäftigt sein. Noch im Laufe dieses Jahres soll eine Zwischenbilanz der Arbeitsgruppen gezogen werden. Ex-SAP-Chef Henning Kagermann fällt die schwierige Aufgabe zu, das kreative Chaos zu moderieren und – möglichst schnell – Resultate zu präsentieren.

Am Horizont steht die Vision, „Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität“ zu sein und vorausfahrende Autoländer wie China und Japan eingeholt zu haben, die die Entwicklung mit Milliarden subventionieren. Zum Start der Nationalen Plattform wird trotz aller feierlichen Entschlossenheit deutlich: das Ziel ist weit und viele Fragen sind offen. Wie belebt man die vor Jahren geschlossenen Lehrstühle für Elektrochemie? Wie schafft man schnell neue Berufsbilder für Automechaniker der Zukunft? Wer setzt die Standards, zum Beispiel für den Elektrostecker? „Wenn wir etwas auf den Markt bringen, müssen wir es auch beherrschen“, sagt Matthias Wissmann, Präsident des Autoverbandes VDA. Deutsche Gründlichkeit tritt gegen asiatische Improvisationskunst an – das Rennen läuft.

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