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2013 ist mehr Braunkohle für die Stromproduktion verbrannt worden als jemals zuvor in den 25 Jahren seit der Wiedervereinigung.

© picture alliance / dpa

Emission von Treibhausgasen: Der CO₂-Handel braucht eine Reform

Reine Luftnummer: Die Industrie kann derzeit sehr billig Treibhausgase ausstoßen. Der CO₂-Handel muss überarbeitet werden.

Deutschland erreicht sein Klimaziel nicht, der Treibhausgasausstoß steigt seit zwei Jahren wieder – und trotzdem sagt Jürgen Landgrebe, Abteilungsleiter bei der Deutschen Emissionshandelsstelle: „Der Emissionshandel funktioniert.“ Er bewirke derzeit nur nichts, weil zu viele Kohlendioxid-Zertifikate den Markt überschwemmen. Die neue Chefin des Umweltbundesamtes (UBA), Maria Krautzberger, die ihr Amt vor zehn Tagen angetreten hat, sagte dazu: „Es muss gelingen, das Angebot an CO₂-Zertifikaten zu verknappen – und zwar vor 2020.“

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte angekündigt, sie wolle sich in Brüssel für eine ambitionierte Obergrenze für den CO₂-Ausstoß einsetzen. Damit der Emissionshandel noch Einfluss auf die Erreichung des deutschen Klimaschutzziels bis 2020 hat, müsste die europäische Reform allerdings bis 2016 unter Dach und Fach sein, sagte Krautzberger nun. Um 2020 tatsächlich 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990, wie das der Bundestag und auch die große Koalition beschlossen haben, fehlen rund sieben Prozentpunkte, wenn nicht mehr unternommen wird, hat das UBA nun errechnet.

Zertifikate werden zurückgehalten und dann wieder auf den Markt gebracht

Im Europäischen Emissionshandel gibt es große Überkapazitäten. Sie werden je nach Standpunkt auf 1,7 bis 2,5 Milliarden Tonnen CO₂ geschätzt. Nachdem Deutschland sich lange gewehrt hatte, einen Teil der Zertifikate vorübergehend vom Markt zu nehmen – Fachleute sprechen hier vom „Backloading“ – soll das nun doch stattfinden. Nach jahrelanger Debatte haben sich der Europäische Rat, die Kommission und das Parlament darauf geeinigt, in den Jahren 2014 bis 2016 insgesamt 900 Millionen Tonnen CO₂ zurückzuhalten, die dann allerdings 2019/20, zum Ende der dritten Emissionshandelsperiode, wieder auf den Markt gebracht werden sollen. Die Kommission schlägt zudem vor, von 2021 an eine sogenannte Marktreserve zu bilden, also in Zeiten hoher Nachfrage mehr Zertifikate zu versteigern als in Zeiten geringer Nachfrage. Das ist allerdings noch nicht beschlossen und wird im Zusammenhang mit dem europäischen Klimaschutzziel für 2030 erst nach der Europawahl und der Bildung einer neuen Kommission weiter diskutiert werden.

Das Interesse in Europa an schärferen Emissionsvorgaben ist allerdings eher gering. Und auch die deutsche Industrie dürfte aufheulen, wenn Hendricks in Brüssel tatsächlich erfolgreich sein sollte. Die energieintensive Industrie lebt mit dem derzeitigen Zustand nämlich ganz gut. Nach Angaben der Emissionshandelsstelle sind viele Anlagen beispielsweise der Stahlindustrie mit CO₂-Zertifikaten überausgestattet worden. Sie bekommen die Emissionsberechtigungen ohnehin kostenlos, und dann auch noch mehr, als sie verbrauchen können. Einige Stahlunternehmen, etwa Arcelor Mittal, haben deshalb in den vergangenen Jahren immer wieder überschüssige CO₂- Zertifikate verkauft und so ihre Bilanzen aufgebessert.

Deutschlands Überschüsse sind enorm

Allein 2013 hat die deutsche Industrie zwölf Millionen Tonnen CO₂ mehr zugeteilt bekommen, als sie verbraucht hat. Dazu kommen noch Überschüsse aus der zweiten Handelsperiode von 2008 bis 2012 von 103 Millionen Tonnen CO₂. Die Energiekonzerne bekamen 2013 keine CO₂-Zertifikate mehr umsonst, sondern mussten sie ersteigern. Sie mussten allerdings kaum mehr Geld dafür ausgeben als 2012, als sie lediglich 22 Prozent der benötigten Zertifikate zukaufen mussten. Grund dafür war der „Preisverfall“ im Emissionshandel im vergangenen Jahr.

Weil der Emissionshandel derzeit faktisch nichts zum Klimaschutz beiträgt, müssen Haushalte, Verkehr, Land- und Abfallwirtschaft mehr Treibhausgase einsparen. Dafür hat Hendricks einige Eckpunkte vorgelegt, die bis zum Herbst zu einem Klima-Aktionsplan werden sollen, der die sieben fehlenden Prozentpunkte zum deutschen Klimaziel 2020 erbringen soll. Ein Element davon ist Hendricks’ Forderung, dass Kohlekraftwerke vom Netz gehen müssten. Harry Lehmann, Abteilungsleiter Energie beim UBA, hält es jedoch für wahrscheinlicher, dass der Emissionshandel repariert wird, als dass noch vor 2020 ein Kohleausstiegsplan durchgesetzt wird. Maria Krautzberger sagt mit Blick auf die schwierigen globalen Klimaverhandlungen und die Debatten in der EU nur: „Die Lage ist schon ernst.“

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