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Vattenfall betreibt fünf Braunkohlekraftwerke in Deutschland - hier der Standort Jänschwalde in Brandenburg.

© Vattenfall

Energiekonzern: Vattenfall baut um

Die deutschen Kohlekraftwerke sollen verkauft und die Konzernstruktur umgebaut werden. Die Region Berlin wäre stark betroffen.

Berlin - Der schwedische Energiekonzern Vattenfall, mit seiner Tochter Vattenfall Europe einer der größten Steuerzahler Berlins, steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Der Tageszeitung „Dagens Nyheter“ zufolge will Konzernchef Øystein Løseth das Geschäft auf wenige Länder reduzieren und seine Kohlekraftwerke in Deutschland und bei anderen Auslandstöchtern verkaufen. Außerdem sollen regionale Organisationen abgeschafft und die einzelnen Geschäftsbereiche zentralisiert werden. Das hätte dramatische Folgen für Berlin und Brandenburg.

Weder der Berliner Wirtschafts- noch der Finanzsenator wollte sich am Freitag dazu äußern. In Deutschland betreibt Vattenfall fünf Braunkohle- und sechs Steinkohlekraftwerke, zudem steuert die Tochter Vattenfall Europe von Berlin aus das Geschäft in Deutschland und Polen.

Ein Sprecher des schwedischen Mutterkonzerns sagte dem Tagesspiegel: „Es ist noch keine Entscheidung gefallen.“ Zu Spekulationen nehme Vattenfall keine Stellung. Bekannt ist jedoch, dass der erst im April angetretene Konzernchef Øystein Løseth das Unternehmen neu ausrichten will. Erwartet wird, dass die Pläne nach den schwedischen Reichstagswahlen an diesem Wochenende bekannt gegeben werden. Der Aufsichtsrat tagt am Montag.

Im Sommer hatte der staatseigene Konzern neue Richtlinien von der schwedischen Regierung bekommen. Diese dienten als Grundlage für die Neuausrichtung des Konzerns. Darin heißt es unter anderem, dass Vattenfall sich zu einem führenden Unternehmen in umweltfreundlicher und nachhaltiger Energieerzeugung entwickeln solle. Das ist offenbar der Grund, warum sich Vattenfall nun von den Kohlekraftwerken trennen will, die wegen ihres hohen Schadstoffausstoßes scharf kritisiert worden waren. In den neuen Richtlinien fordert die Regierung, dass das Ziel einer ökologischen Energieversorgung nicht mehr nur für Schweden gelten solle. Mitte der Woche hatte Vattenfall allerdings einen bevorstehenden Rückzug aus dem Braunkohleabbau und der Kohleverstromung in der Lausitz noch dementiert. Am Freitag konnte sich Vattenfall zudem mit der Stadt Hamburg über das umstrittene Kraftwerk Moorburg einigen. Mit der Einigung über die Wassernutzung aus der Elbe sei das letzte Klageverfahren gegen die Stadt beendet, teilte Vattenfall mit.

Deutschlandweit hat Vattenfall Europe 21 000 Mitarbeiter, davon arbeiten 5800 in Berlin. In der Region betreibt Vattenfall sechs große Kohlekraftwerke. Die Braunkohle beschäftigt allein in Brandenburg 5000 Mitarbeiter. Vattenfall hat in Deutschland mit den massiv gestiegenen Kosten für den Neubau von Moorburg sowie dem Stillstand der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel zu kämpfen. Derzeit ist der Konzern in Europa noch regional aufgestellt. Neben der Tochter Vattenfall Europe in Berlin werden die Geschäfte in den Niederlanden und Belgien von Amsterdam aus gesteuert, Dänemark und Finnland werden aus Schweden heraus betreut. Ziel ist es offenbar, nun Funktionen wie Produktion, Vertrieb, Forschung und Entwicklung zu zentralisieren, wobei Vattenfall-Europe-Chef Tuomo Hatakka die Sparte Produktion für ganz Europa führen soll. Ein Vattenfall-Betriebsrat, der namentlich nicht genannt werden wollte, bestätigte dem Tagesspiegel: „Das ist unser Kenntnisstand.“ Die Beschlüsse seien aber noch nicht gefasst und der Betriebsrat auch noch nicht über die Pläne informiert worden. Die Stimmung bei den Mitarbeitern sei schlecht.

„Wenn sich bewahrheiten sollte, dass die Strukturen deutlich verändert und Arbeitsplätze verlagert würden, wäre das für den Standort sehr schlecht“, sagte Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin, dem Tagesspiegel. „Vattenfall ist ein großer Arbeitgeber, Ausbilder und Gewerbesteuerzahler in der Hauptstadt.“ Sollte es so weit kommen, müsse eine konzertierte Aktion aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Politik versuchen, möglichst viele Bereiche hierzubehalten. 2009 zahlte Vattenfall hierzulande Steuern in Höhe von 354 Millionen Euro. „Der Verkauf der Kohlekraftwerke wäre auch für die Region schlecht, gerade weil man bei der innovativen CCS-Technik so weit vorne liegt“, sagte Eder. „Man wird im Energiemix nicht darauf verzichten können.“ Bei der umstrittenen CCS- Technik soll CO2 im Kraftwerksprozess abgeschieden und gespeichert werden, damit es nicht in die Umwelt entweicht.

Mitarbeit: Carsten Brönstrup und Sven Lemkemeyer

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