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Unruhe. Nach Tunesiern und Ägyptern gehen nun auch Gegner und Unterstützer des Regimes in Libyen - vierwichtigster Öllieferant Deutschlands - auf die Straße.

© Reuters

Energiekosten: Arabische Revolution treibt den Ölpreis

Unruhen in Libyen und Bahrain irritieren zwar die Märkte, aber volle Lager sichern die weltweite Erdöl-Versorgung.

Berlin - Die politischen Spannungen in wichtigen Förderregionen in Nordafrika und im Nahen Osten haben die Ölpreise am Donnerstag auf hohem Niveau gehalten. Nordseeöl kostete so viel wie zuletzt vor 29 Monaten. Experten erwarten, dass der Rohstoff nicht nur wegen der Unruhen auf absehbare Zeit teuer bleibt. Preistreibend wirkten auch die große Nachfrage aus den stark wachsenden Schwellenländern, die Erholung der Weltwirtschaft und die milliardenschweren Engagements von Finanzinvestoren und Hedgefonds an den Rohstoffbörsen.

Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete zeitweise mehr als 104 Dollar – so viel wie zuletzt im September 2008. Der Preis für ein Barrel der US- Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg leicht auf 85 Dollar. Nach Tunesien und Ägypten fordern nun auch die Bürger von Libyen und Bahrain demokratische Reformen. „Je näher die arabischen Revolutionen dem Persischen Golf kommen, desto angespannter ist die Lage auf dem Ölmarkt“, sagte Rainer Wiek vom Energie Informationsdienst (EID) in Hamburg. Unruhen im Iran, die den Schiffsverkehr in der Straße von Hormus beeinträchtigen könnten, „hätten eine andere Dimension als die bisherigen Aufstände“ sagte Wiek. Die Meerenge zwischen Iran und Oman ist das Nadelöhr für den Ölexport nach Japan, in die USA und nach Westeuropa. Ins Blickfeld der Märkte war während des Umsturzes in Ägypten der Suezkanal gerückt. Eine Sperrung des Kanals würde Öltanker zu einem tagelangen Umweg um das Horn von Afrika zwingen. Für etwas Beruhigung sorgte am Donnerstag, dass iranische Kriegsschiffe entgegen israelischer Befürchtungen nicht den Suez-Kanal Richtung Mittelmeer passierten.

Nach Einschätzung von Robin Batchelor, Fondsmanager bei Blackrock, dem weltgrößten Vermögensverwalter, steht der Energiesektor an einem Wendepunkt. „Wir befinden uns am Anfang eines neuen zyklischen Aufschwungs der Ölmärkte.“ Die Angebotsknappheit, die den Ölpreis 2007 in die Höhe getrieben habe, sei nach wie vor gegeben. Eine Vielzahl der weltweiten Ölfelder sei bereits vor mehreren Jahrzehnten erschlossen worden und die Fördermengen sänken. „So fällt es der Branche schwer, das Angebot nachhaltig aufrechtzuerhalten“, erklärte Batchelor.

Die seit Anfang des Jahres auseinanderlaufenden Brent- und WTI-Preise (siehe Grafik) deuten jedoch auf eine regional sehr unterschiedliche Entwicklung. WTI wird vor allem im Golf von Mexiko gefördert. Die US-Lager sind voll, die Versorgung ist gesichert – das drückt den Preis. De facto trifft dies auch auf Brent und Europa zu. „Das Angebot auf dem Rohölmarkt ist auskömmlich, die Läger sind gut gefüllt“, schreibt die DZ Bank. Doch die Nähe der europäischen Ölförderer und -importeure zu den Unruheregionen lässt die Befürchtungen an den Märkten steigen. Das treibt dann den Preis.

Die Rekordstände von Juli 2008 – damals kostete ein Fass Brent fast 150 Dollar – sind freilich noch lange nicht erreicht. Und nur wenige Analysten erwarten dies in den kommenden Monaten. Rainer Wiek vom EID glaubt, dass sich Unternehmen und Verbraucher auch an einen Brent-Preis von mehr als 100 Dollar vorerst gewöhnen müssen. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) geht aber nicht davon aus, dass angesichts des reichlichen Angebots ein ähnlich kräftiger Ölpreisanstieg wie vor zweieinhalb Jahren bevorsteht. Große Öllagerbestände bei den Raffinerien in den Industrieländern und umfangreiche Ölförderkapazitäten in den Opec-Ländern wirkten sich in absehbarer Zeit dämpfend auf den Preis aus. „So belaufen sich die freien Förderkapazitäten der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) zurzeit auf mehr als 5,5 Millionen Barrel pro Tag. Im Vergleich dazu lagen sie im Jahr 2008 nur bei 1,5 Millionen Barrel pro Tag“, heißt es in einer Analyse des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts.

Die DZ Bank geht „unter der Annahme, dass sich die politischen Risiken nicht noch weiter verschärfen“ von wieder sinkenden Rohölnotierungen aus. Ein Ölpreisniveau zwischen 85 und 100 Dollar sei „noch als relativ unschädlich im Hinblick auf die Konjunktur einzuschätzen“.

Dies dürfte insbesondere für die deutsche Wirtschaft gelten. Sie bekommt 36,3 Prozent ihres Erdöls aus Russland, 13,6 Prozent aus Norwegen und 10,5 Prozent aus Großbritannien. Erst dann folgt Libyen, das 8,8 Prozent des gesamten deutschen Ölbedarfs liefert.

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