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Weiter im Trend. Erst vergangene Woche hat RWE ein neues Braunkohlekraftwerk in Nordrhein-Westfalen in Betrieb genommen.

© dpa

Energiewende: Fossil in die Zukunft

Eine Studie über die Integration der Erneuerbaren zeigt: Ohne Kohle- und Gaskraftwerke geht es auch langfristig nicht. Und der Ausbau der Erneuerbaren sollte gedämpft werden.

Die Energiewende verläuft womöglich anders als geplant. Dass der Strom durch den Ausbau der erneuerbaren Energien teurer wird, ist inzwischen Allgemeingut. Aber dass im Jahr 2050, wenn hierzulande rund 80 Prozent des Stroms aus regenerativen Quellen stammen sollen, Gas- und Kohlekraftwerke noch in ganz erheblichem Umfang gebraucht werden, ist eine Überraschung.

Diese fossilen Kraftwerke werden nach einer neuen Studie der Deutschen Energieagentur (Dena) „rund 60 Prozent der gesicherten Leistung stellen müssen, das heißt der Leistung, die zu jeder Zeit sicher zur Deckung der Nachfrage verfügbar ist“. Grund dafür ist die Ungleichzeitigkeit von Angebot und Nachfrage: Auch im Jahr 2050 werden Wind und Sonne nicht genau dann Strom liefern, wenn der auch gebraucht wird.

Die weitgehend bundeseigene Energieagentur erwartet deshalb in knapp 40 Jahren „deutlich höhere Stromerzeugungskapazitäten“ als heute. Deshalb sowie als Folge des Netzausbaus, der Anbindung der Offshore- Windparks und der Entwicklung neuer Speicher werde „die Stromversorgung 2050 „deutlich mehr kosten als heute“. Aktuell sieht Dena-Chef Stephan Kohler einen „hohen Druck, jetzt konventionelle Kraftwerke zu bauen“, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

In einer ersten Reaktion auf die Studie, die vom Energiekonzern RWE finanziert wurde, sprach Greenpeace von einem „Frontalangriff auf die Energiewende“. Wer langfristig Kohle verfeuern wolle zur Stromerzeugung, „der ignoriert jeglichen wissenschaftlichen Sachverstand und den technischen Fortschritt“. Die Energiewende erfordere eine vollständige Abkehr von fossilen Brennstoffen, „da diese den Ausbau der Erneuerbaren blockieren“, meinte Greenpeace.

Dabei stellt Dena-Chef Kohler das Ziel der Bundesregierung, bis 2050 den Anteil der Erneuerbaren auf 80 Prozent zu erhöhen, ausdrücklich nicht infrage. Doch selbst bei 80 Prozent würden die Erneuerbaren nur 24 Prozent der gesicherten Leistung stellen, Speicher könnten neun Prozent abdecken und Importe aus dem Ausland rund sieben Prozent. Es bleiben also 60 Prozent, gewissermaßen eine konventionelle Reserve, die vorgehalten werden müsse.

Wenn der Ausbau der Erneuerbaren wie bislang fortschreite, übertreffe die Stromerzeugung die Nachfrage immer häufiger. „Bis 2050 können 15 Prozent des im Inland produzierten Stroms aus erneuerbaren Quellen weder im Inland noch im Ausland genutzt werden“, heißt es in der Studie. Kohler forderte deshalb einen „europäischen Kapazitätsmarkt, damit sich das Bereithalten von gesicherten Kraftwerksleistungen lohnt, und ein grundlegend reformiertes Erneuerbare- Energien-Gesetz“. Dazu regte er eine „Synchronisation“ an: Erneuerbare nur dann weiter ausbauen, wenn auch die nötige Infrastruktur gegeben ist. Schleswig-Holstein etwa produziere eine Menge an regenerativem Strom, die dreimal so hoch wie der örtliche Bedarf sei und die nicht immer abtransportiert werden könne. „Wir müssen den Ausbau der Regenerativen dämpfen“, sagte Kohler. Zum Beispiel auch, indem es ohne Netze auf hoher See keine weiteren Offshore- Windparks geben sollte. Die beim Thema Offshore bisweilen in Bayern geäußerte Sorge, vom Küstenstrom abhängig zu werden, bezeichnete er als „Quatsch“.

Indes schloss sich Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) am Mittwoch diesen Bedenken mehr oder weniger deutlich an, indem sie zu den Haftungsregeln für Leitungen zu Offshore- Windparks Stellung bezog. „Die Energiekosten für private Verbraucher müssen wirkungsvoll begrenzt werden, und sie müssen beherrschbar bleiben.“ Aigner will deshalb dem Haftungskompromiss zwischen Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nicht zustimmen, der kommende Woche das Kabinett passieren sollte. Altmaier und Rösler hatten sich darauf geeinigt, um den Ausbau der Offshore-Energie zu beschleunigen, ohne den, auch Kohler zufolge, die 80 Prozent bis 2050 nicht erreicht werden können. Regierungssprecher Steffen Seibert erwartet trotz des Einschreitens von Aigner eine „befriedigende Lösung“.

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