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Immer gut aufpassen! Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer agiert äußerst vorsichtig - und schießt manchmal schnell, wie im Fall des IBB-Vorstandsvorsitzenden Ulrich Kissing.

© picture alliance / dpa

Entlassung von IBB-Chef: Wirtschaftssenatorin Yzer stößt mit Kissing-Rausschmiss auf Unverständnis

In der Berliner Wirtschaft gibt es Bedauern über die Abberufung des IBB-Vorstands Ulrich Kissing. Überhaupt haben es die Chefs der landeseigenen Unternehmen nicht immer leicht mit ihrer Wirtschaftssenatorin.

Unverhältnismäßig und schädlich, oder formal korrekt und nachvollziehbar – die Einschätzungen über den Rausschmiss des Vorstandsvorsitzenden der Investitionsbank Berlin (IBB) bilden ein breites Spektrum ab. Es ist indes nicht ausgeschlossen, dass der Fall Ulrich Kissing noch zu einem Fall Cornelia Yzer wird – und zwar spätestens dann, wenn Kissing vor dem Arbeitgericht erfolgreich gegen seine Abberufung klagen sollte und Bezüge nachgezahlt werden müssten.

Am vergangenen Freitag hatte der Verwaltungsrat der landeseigenen IBB unter dem Vorsitz von Wirtschaftssenatorin Yzer (CDU) einstimmig die sofortige Abberufung des Spitzenbankers beschlossen. Kissing, seit September 2009 Chef der Bank mit einem Gehalt von rund 500 000 Euro, hatte während seiner Amtszeit keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt und vor Gericht klären lassen, ab welchem Zeitpunkt er zahlungspflichtig ist. Da er den Verwaltungsrat darüber nicht informierte, sah Yzer gesetzliche und dienstvertragliche Pflichten verletzt und „keine Alternative“ zur fristlosen Kündigung.

„Erst schießen, dann fragen“

„Erst schießen, dann fragen“, kommentiert dieses Vorgehen ein Berliner Wirtschaftsvertreter. Unverständnis und Ärger sind auch deshalb häufiger zu hören, da Kissing allerorten eine gute Arbeit bescheinigt wird. Der Banker aus Westfalen wurde als uneitel, pragmatisch und konstruktiv wahrgenommen, wenn es zum Beispiel um die Kooperation mit anderen Institutionen ging. „Der beste IBB-Chef, den wir bislang hatten“, heißt es. Souverän habe er die Bank durch die Finanzkrise gesteuert. Es sei gewiss ein Fehler gewesen, den Verwaltungsrat nicht über das juristische Verfahren informiert zu haben – aber kein Kündigungsgrund. Kissing habe versucht, eine offene Rechtsfrage zu klären. Auch im Interesse der Bank.

Als Kissing im September 2009 sein Büro in der IBB-Zentrale an der Bundesallee bezog, fand er die Zustände vor, die sein Vorgänger Dieter Puchta hinterlassen hatte. Dieser war fünf Jahre zuvor von der Landesbank Berlin, damals noch eine Aktiengesellschaft, zur IBB gekommen und hatte die Konditionen seines Vertrages mitgebracht. Als Vorstand einer AG war Puchta nicht sozialversicherungspflichtig gewesen. Ein damaliges Verwaltungsratsmitglied der IBB erinnert sich, damals geprüft zu haben, ob an der Spitze der IBB als einer Gesellschaft des öffentlichen Rechts Sozialbeiträge abzuführen sind. Das wurde bejaht, die Sache aber nicht weiter verfolgt. Von Puchta offenbar auch nicht. Nach Auskunft Yzers „wurden zwischen dem 01.01.2005 und dem 31.12.2013 keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt“. Obwohl „die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen (...) für Vorstände der IBB rechtlich verbindlich ist“.

Kissing aber ging vor Gericht, „um den Beginn der Versicherungspflicht“ zu klären, wie es in einem Urteil der zweiten Instanz, dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, vom 18. September 2013 heißt. „Es wird festgestellt, dass die Versicherungspflicht (...) erst am 11. Juni 2010 beginnt.“ Also rund neun Monaten nach seinem Start bei der IBB. Die Deutsche Rentenversicherung hat Revision eingelegt, das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Beginn der Versicherungspflicht weiter offen. Vor knapp fünf Wochen wurde Yzer, wie berichtet, über den Fall von einem Informanten aus der IBB in Kenntnis gesetzt. Sie ließ von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte und dem Berliner Rechtsanwalt Reinhold Kopp den Sachverhalt aufklären und bewerten. Yzer und Kopp hörten gemeinsam Kissing an, Kopp zufolge ohne eine plausible Erklärung für dessen Verhalten zu bekommen. „Es gibt eine hohe Pflicht, Sozialbeiträge zu zahlen“, sagt Kopp. Wer nicht zahlt, mache sich womöglich sogar strafbar, die Schwere der Pflichtverletzung rechtfertige auf jeden Fall die sofortige Abberufung. Alles in allem, so der Eindruck Kopps, habe Kissing mit der juristischen Auseinandersetzung Zeit gewinnen wollen, um so spät wie möglich Sozialbeiträge zahlen zu müssen.

Yzer selbst hatte erst vor zwei Monaten den Vertrag mit dem Spitzenbanker bis 2017 verlängert. Dabei hatte Kissing durchaus erwogen nicht weiterzumachen – das Verhältnis zu seiner „Chefin“ Yzer war nicht das allerbeste. Damit stand er nicht allein. Auch mit dem Führungspersonal der landeseigenen Messegesellschaft oder Berlin Partner gab es schon Rempeleien. Dabei ist Yzer äußert vorsichtig, geradezu ängstlich und sichert sich gerne nach allen politischen Seiten ab. Ihre Vorgänger Sybille von Obernitz sei „inhaltlich stark gewesen, aber politisch schwach, bei Yzer ist es umgekehrt“, heißt es in der Wirtschaft.

Vor rund einem Jahr wollte sie das Aufrücken des Messe-Vize Christian Göke an die Spitze verhindern, als dann aber der Druck aus dem Aufsichtsrat zu groß wurde, drehte sie bei. Vergangene Woche wurde der Hannoveraner Wirtschaftsförderer Stefan Franzke als neuer Co-Chef der Berlin Partner berufen. Beworben hatte sich auch Nicolas Zimmer, Vorstandsvorsitzender der Technologiestiftung, doch den lehnte Yzer ab, da nicht genügend Auslandserfahrung. Die hat Franzke auch nicht. Yzer hatte einen anderen Favoriten, konnte sich aber nicht durchsetzen. Für Franzke stimmte nicht nur Partner-Aufsichtsratschef Günter Stock, sondern auch dessen Stellvertreter – Ulrich Kissing.

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