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Bad Bank? Die Volksbank Reutlingen darf für Kleinsparer Negativzinsen einführen.

© Eky Eibner/dpa

Update

Erstes Gerichtsurteil: Sparer können sich gegen Strafzinsen wehren

Die Volksbank Reutlingen wollte für bestehende Konten Negativzinsen einführen. Das Landgericht Tübingen hält das für rechtswidrig.

Dass Sparen nichts mehr bringt, daran haben sich die Kunden inzwischen gewöhnt. Dass sie der Bank oder der Sparkasse für das Sparen aber noch Geld zahlen sollen, sehen Anleger nicht ein. Zu Recht, wie ein neues Urteil zeigt. Am Freitag entschied das Landgericht Tübingen: Eine Bank darf ihren Kunden bei schon bestehenden Konten keine Negativzinsen aufbürden (Az: 4 O 187/17). Es ist die erste gerichtliche Auseinandersetzung zu Negativzinsen nach deutschem Recht – und ein Erfolg für die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Volksbank Reutlingen: Strafzinsen ab 10.000 Euro

Die Verbraucherschützer waren gegen die Volksbank Reutlingen vorgegangen, die Negativzinsen von 0,1 bis 0,5 Prozent für Tages- und Festgeldkonten ab 10.000 beziehungsweise 25.000 Euro eingeführt hatte. Nach Protesten der Verbraucherschützer hatte die Bank die Zinsen zwar niemals kassiert und sie hatte die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch wieder zurückgezogen, die Verbraucherzentrale wollte aber vor Gericht grundsätzliche Klarheit, dass die Volksbank die Bedingungen nicht später wieder aus der Tasche ziehen kann. Mit Erfolg. Das Institut habe nicht zwischen Altverträgen und Neuverträgen unterschieden, die Klauseln seien daher unwirksam, entschied das Gericht. Die Volksbank Reutlingen betonte, dass sich das Urteil nur auf Altverträge beziehe. Die Neuverträge dürften grundsätzlich negativ verzinst werden.

Verbraucherschützer wollen weitere Geldhäuser verklagen

„Die Bank kann nicht einseitig mittels des Kleingedruckten aus einer Geldanlage eine kostenpflichtige Verwahrung machen“, sagte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Wir werden die Entwicklungen auch bei anderen Instituten kritisch beobachten“, kündigte der Verbraucherschützer an. „Bei weiteren Beschwerden von Verbrauchern schließe ich weitere rechtliche Schritte nicht aus, um den Interessen der Verbraucher Gehör zu verschaffen und sie gegen die Anbieter auch durchzusetzen.“ Das nächste Urteil ist bereits in Sicht, ebenfalls in Baden-Württemberg. Am 23. Februar wird eine Klage der Verbraucherzentrale gegen die Kreissparkasse Tübingen verhandelt, die seit dem 1. November 2016 für ihren Riester-Sparplan einen Minuszins von 0,5 Prozent im Jahr kassiert.

Geldhäuser schieben die Schuld auf die EZB

Die Geldhäuser machen die Europäische Zentralbank (EZB) und deren Niedrigzinspolitik für die Entwicklung verantwortlich. Um die Wirtschaft und die Kreditvergabe anzukurbeln, haben die europäischen Notenbanker nicht nur die Leitzinsen auf null Prozent gedrückt, sondern verlangen von den Kreditinstituten auch noch einen Strafzins von 0,4 Prozent, wenn diese Geld bei der EZB bunkern. Diese Strafzinsen, so sagen die Geldhäuser, geben sie nur an ihre Kunden weiter.

Private Sparer bleiben weitgehend verschont

Dabei trifft das vor allem institutionelle Investoren, private Sparer sind weitgehend verschont geblieben. „Private Anleger sind bislang nur bei großen Summen zur Kasse gebeten worden“, sagte Roland Aulitzky, Geldanlageexperte der von der Stiftung Warentest herausgegebenen Zeitschrift „Finanztest“, dem Tagesspiegel. „Das kann sich aber natürlich ändern, wenn die Niedrigzinspolitik noch eine Weile anhält“, gibt Aulitzky zu bedenken. Dass die EZB ihren Kurs ändert, ist vorerst nicht zu erwarten. Erst am Donnerstag hatte EZB-Chef Mario Draghi betont, dass die Notenbank an ihrer Politik des billigen Geldes festhalten will.

Nach Recherchen des Verbraucherportals Biallo erheben derzeit mehr als ein halbes Dutzend Banken und Sparkassen bei ihren Privatkunden Strafzinsen. Den Anfang machte die Deutsche Skatbank, die ab 500.000 Euro Guthaben auf dem Tagesgeldkonto Negativzinsen von 0,4 Prozent kassiert. Neukunden wird das Tagesgeld allerdings seit November nicht mehr angeboten, teilte die Onlinebank mit. Trotz der hohen Negativzinsen beim Tagesgeld hat die Skatbank unter Verbraucherschützern einen guten Ruf. Wer sein Girokonto überzieht, muss bei der Bank, die ihren Sitz in der Nähe des Skatorts Altenburg hat, dafür gerade einmal 4,17 Prozent Dispozinsen zahlen. Die meisten Banken und Sparkassen nehmen hier deutlich mehr.

Vor allem Sparkassen und Volksbanken kassieren

Während Großbanken ihre Privatkunden bisher mit Strafzinsen verschonen, bitten vor allem Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken ihre Kundschaft zur Kasse. Die Grenzen sind unterschiedlich. Mal beginnen die Negativzinsen bei Guthaben ab 100.000 Euro, mal sind es 250.000 Euro, manchmal greifen die Geldhäuser auch erst zu, wenn auf dem Konto eine Million Euro liegen.

Sparda-Bank nimmt in Berlin 0,4 Prozent

Für Berliner Kunden ist vor allem die Sparda-Bank relevant, sie ist mit über 500.000 Teilhabern die mitgliederstärkste Genossenschaftsbank Deutschlands. Seit vergangenem September nimmt die Bank für Guthaben ab 100.000 Euro auf dem Tagesgeldkonto einen negativen Zins von 0,4 Prozent. Die Sparda-Bank bezeichnet die Abgabe als Verwahrentgelt. Die Stiftung Warentest kennt solche Sprachphantasien im Finanzgewerbe. „Über neue Gebühren nehmen die Banken indirekt doch Strafzinsen“, berichtet Aulitzky. Das gilt sowohl für die Ethik-Bank als auch für die GLS-Bank. Diese verlangt von ihren Kunden pauschal fünf Euro im Monat, um mangelnde Gewinne aus dem Zinsgeschäft zu kompensieren. Der Onlinebroker Flatex belastet Guthaben auf dem Verrechnungskonto pauschal mit 0,4 Prozent.

Nauhauser kann die Strafzinspolitik nicht verstehen. „Die Volks- und Raiffeisenbanken haben 2016 rund 8,3 Milliarden Euro vor Steuern verdient“, sagt der Verbraucherschützer – trotz der EZB.

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