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Bankenskyline von Frankfurt am Main. Deutsche Institute sind heute widerstandsfähiger als noch im Jahr 2008, sagen Experten. Foto: dapd

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Wirtschaft: Es geht um mehr als die Banken

Sollen schwankende Institute gerettet werden? 29 Geldhäuser gelten als zu groß, um sie scheitern zu lassen.

Frankfurt am Main - Weltweit 29 Millionen Kunden, Anlagegelder von 260 Milliarden Euro, 101 000 Mitarbeiter, eigene Einlagen bei anderen Banken von 162 Milliarden Euro, Kreditforderungen von mehr als 400 Milliarden Euro und Aktionäre, die mit Milliarden am Geldhaus hängen. Das sind kaum vorstellbare Zahlen, die die Größe der Deutschen Bank ausmachen. Sie gehört nach Angaben des Financial Stability Board (FSB), das von der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G 20) zur Überwachung der globalen Finanzbranche eingesetzt wurde, zu den 29 größten und systemrelevanten Banken. Dabei ist die Deutsche Bank bei Weitem nicht das größte Institut. Sie rangiert eher am Ende der Skala, zu der aus Deutschland nur noch die Commerzbank gehört. Ein kleiner Trost: Nur zehn Institute haben ihren Sitz in der Euro-Zone, nur je eins in den Krisenländern Spanien und Italien.

Systemrelevant heißt so viel wie „too big to fail“: Ein solches Geldhaus gilt wegen seiner schieren Größe und seiner weltweit engen Vernetzung mit den Finanzmärkten als zu groß, um pleitezugehen. Denn dann, so lautet die Argumentation, müssten andere Banken auch Insolvenz anmelden. Dann verlören Unternehmen ihre Geldgeber – stünden möglicherweise vor der Pleite mit negativen Folgen für den Arbeitsmarkt – und Kunden verlören ihre Einlagen, Aktionäre ihr Kapital. Also muss eine solche Bank, sollte sie in Schieflage kommen, gerettet werden.

Die aktuellen Probleme der spanischen Geldhäuser haben die Debatte um die Bankenrettung noch einmal angeheizt. Denn am Ende soll der unschuldige Steuerzahler für sie zahlen, der zugleich aber möglicherweise auch Kunde jener Banken ist. Sabine Lautenschläger, Vizepräsidentin der Bundesbank, beruhigt immerhin mit Blick auf die einheimischen Geldhäuser. „Deutsche Institute halten große Mengen an Liquidität bereit. Der deutsche Staat und sein Bankenmarkt sind robust.“ Allein die Deutsche Bank verfügt, sagte Ex-Bankchef Josef Ackermann auf der Hauptversammlung Ende Juni, über liquide Reserven von mehr als 200 Milliarden Euro. Deutsche Banken seien heute widerstandsfähiger als nach der Pleite von Lehman Brothers im September 2008. Das sagt auch die Ratingagentur Standard & Poor’s. Die deutsche Bankenindustrie sei eine der stärksten der Welt.

Generell stehen die wichtigsten 27 europäischen Geldhäuser nach Ansicht der europäischen Bankenaufsicht besser da als noch vor einem halben Jahr. Sie haben ihre Kapitallücke fast vollständig geschlossen, rund 95 Milliarden Euro frisches Kapital angehäuft. Freilich: Hierzulande konnte und kann die Commerzbank nur dank staatlicher Beteiligung überleben. Immer noch hält der Bund 25 Prozent plus eine Aktie und stille Einlagen von 1,63 Milliarden Euro. Die voll verstaatlichte FMA, die Bad Bank der Münchner Hypo Real Estate, bleibt eine Belastung für den Bund und damit des Steuerzahlers. Bei zehn Milliarden Euro lag der Verlust allein im Jahr 2011, auf weitere 21 Milliarden Euro beläuft sich das Volumen der riskanten Staatsanleihen der Euro-Krisenstaaten in den Büchern. Unterdessen lässt es sich Ex-Chef Georg Funke, der für den Zusammenbruch der Bank verantwortlich gewesen sein soll, auf Mallorca gut gehen.

Ist Bankenrettung also zugleich auch Rettung für die Banker? Erfahrene Finanzexperten in Frankfurt sehen das anders: „Der Begriff ist falsch. Es geht nicht um die Rettung von Banken als Institution, um ihre Manager oder Mitarbeiter. Es geht um die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit von Objekten einer Volkswirtschaft.“ Im Zentrum stehe die Sicherung des Zahlungsverkehrs, der Einlagen von Sparern, von Versicherungen und Pensionskassen, der Kreditversorgung von Unternehmen und Verbrauchern. Es gehe auch um die Zahlungsfähigkeit der Staaten selbst. Schließlich haben sie die Banken aufgefordert, ihnen durch den Kauf von Staatsanleihen Kredit zu gewähren – ohne dass die Institute dafür einen Cent an Rücklagen bilden mussten wie sonst bei Krediten an Unternehmen. Weil Staaten ja nicht pleitegehen können. Eigentlich.

Trotzdem, sagen Experten, kann auch eine Bank fallen gelassen werden – wenn der Schaden überschaubar sei. Dann leiden zwar Anleger, weil die Sicherungseinrichtungen der Geldbranche möglicherweise doch nicht den ganzen Schaden ersetzen können. Genauso wie die Eigentümer der Bank, weil ihre Aktien oder Anteile mit einem Mal wertlos sind. Das aber sei das Risiko. „Die Politik kann nicht jede Krise verhindern. Und jeder hat das Recht auf Schicksal.“ Was auch heißt: Das investierte Kapital kann verloren gehen. Trotzdem räumen auch nachdenkliche Beobachter ein, völlig unabhängig von den jüngst verschärft geführten Debatten unter Ökonomen: „Es gibt keinen objektiv richtigen Weg zur Lösung des Bankenproblems.“

Zumindest einer der jüngsten Bankenskandale fordert bislang die Politik und den Steuerzahler nicht heraus. Auch zur Erleichterung von Bundesbank-Vizepräsidentin Lautenschläger. Bei der US-Bank JP Morgan haben Händler durch gewagte Spekulationen Milliarden in den Sand gesetzt. „Immerhin benötigt die Bank keine Staatshilfe. Die Folgen des Fehlverhaltens tragen die involvierten Angestellten und die Aktionäre – wie es in einer Marktwirtschaft sein soll.“ Das hält die Bundesbankerin für ein wichtiges Signal. Auch bei Barclays und dem Skandal um manipulierte Interbankenzinsen muss zumindest bislang „nur“ die Bank selbst büßen. Und der Chef, der gehen musste.

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