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ING-Diba-Vorstand Ben Tellings: "Es wird immer schlimmer in der Finanzbranche"

ING-Diba-Vorstand Ben Tellings spricht mit dem Tagesspiegel über die Krise, Kontrollen von Banken und den verlogenen Umgang mit Kunden.

Herr Tellings, ist das Schlimmste der Finanzkrise überstanden?

Das einzig Beruhigende ist: Die große Panik ist überstanden. Aber es können noch Rückschläge kommen, etwa bei Kreditkartenfirmen, bei denen die Kunden ihre Schulden nicht begleichen können.

Haben Sie Hinweise, dass es mit der Wirtschaft und mit dem Konsum vorangeht?

Die Baufinanzierung läuft bei uns gut, das Geschäft war aber auch während der Krise stabil. Ratenkredite werden stärker nachgefragt. Die Abwrackprämie hat auch unser Geschäft getrieben. Fast 40 Prozent aller Abschlüsse im ersten Halbjahr rühren daher.

Die Deutschen konsumieren also noch.

Ich habe keine große Verschiebung durch die Krise gesehen. Bislang jedenfalls.

Wie haben Sie die Krise erlebt?

Auch ich habe oft etwas schlechter geschlafen. Schließlich schaue ich auch auf unser Portfolio. Aber offensichtlich haben wir genügend Vorsicht walten lassen: Wir mussten keinen einzigen Euro abschreiben. Wir schauen aber jeden Tag sehr genau, wie sich die Anlagen entwickeln. Insgesamt waren und sind wir von der Krise nicht betroffen wie andere. Wir haben 2008 ordentliche Gewinne gemacht und werden auch 2009 gut abschneiden.

Ist die Diba ein Gewinner der Krise?

Diese Krise hat keine Gewinner in der Finanzbranche. Wer das sagt, hat sehr wenig gelernt.

Das Ansehen der Banker in der Öffentlichkeit dürfte im letzten Jahr deutlich gelitten haben.

Man wird als Banker heute anders gesehen – zu Recht. Wenn sich die Branche jahrelang mit Produkten beschäftigt, die kein Mensch braucht und die keinen zusätzlichen Nutzen bringen, ist das kein Wunder. Das muss irgendwann schiefgehen. Ich arbeite seit 24 Jahren in der Branche. Es ist immer schlimmer geworden.

Sind Sie sauer auf Kollegen?

Es mag an neuen Bonusregeln gearbeitet werden. Aber das ist nicht das Grundproblem: Es geht um die Mentalität. Es geht nicht, dass ich Produkte verkaufe, von denen ich weiß, dass sie der Kunde nicht wirklich verstehen kann. Es ist beim Banker wie beim Arzt: Wenn der Unsinn erzählt, kann das der Patient nur schwer erkennen.

Hat sich etwas geändert?

Am Anfang der Krise hatte ich Hoffnung. Aber sie schwindet. Gerade hat ein Vorstand einer großen deutschen Bank gesagt, er hoffe, dass das Kurzzeitgedächtnis der Deutschen gut funktioniere. Der Kunde soll schnell vergessen, damit man ihm wieder unsinnige Produkte andrehen kann. Es ist unglaublich.

Was würde helfen? Neue Gesetze?

Mit der Verbesserung der Verjährungsregeln und der Einführung der Protokollpflicht für Anlageberatungen hat der Gesetzgeber wichtige Schritte in die richtige Richtung gemacht. Konsequenterweise sollte man zusätzlich das klassische Privatkundengeschäft strikt vom Investmentbanking trennen. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Finanzprodukten könnte solchen Instituten übertragen werden, die dafür vom Staat zertifiziert sind. Im Gegenzug verpflichten sich diese Häuser zu einer grundsoliden Anlagepolitik mit einer entsprechend umfangreichen Garantie für alle Anlegergelder.

Deutsche-Bank-Chef Ackermann beklagt, dass die Konsolidierung in Deutschland immer noch nicht weit genug vorangekommen ist. Sehen sie das ähnlich?

Ich stimme ihm zu. In Deutschland gibt es immer noch viel zu viele Banken und Sparkassen. Das führt zu überhöhten Kosten. Das bezahlt am Ende der Kunde. Über Produkte, die niemand braucht. Das ist, gelinde gesagt, unfair.

Das Interview führte Rolf Obertreis.

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