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Die Gas-Pipeline Nord Stream 1.

© Foto: Reuters/Hannibal Hanschke

Update

Ende von Gas-Austritt für Sonntag erhofft: Aus beschädigten Nord Stream-Pipelines tritt offenbar weniger Gas

Die zuständigen Behörden melden eine Verringerung des Gas-Austritts an den beschädigten Leitungen. Die Ursache bleibt noch immer unklar.

Aus mindestens zwei der vier Lecks an den Nord Stream-Pipelines in der Ostsee strömt inzwischen deutlich weniger Gas. An der Wasseroberfläche über dem kleineren der beiden Lecks in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Schwedens trete das Gas nur noch auf einer Fläche mit einem Durchmesser von gut 20 Metern aus, teilte die schwedische Küstenwache am Freitagabend mit.

Auch der zuvor konstante Austritt über dem größeren dieser beiden Lecks habe sich verringert, und zwar auf eine Fläche mit einem Durchmesser von etwa 600 Metern. Basierend auf dem Dialog mit den Betreibern laute die Diagnose, dass der Gas-Austritt möglicherweise am Sonntag aufhöre.

Von den insgesamt vier Lecks befinden sich zwei in der schwedischen und zwei in der dänischen Wirtschaftszone. Wie die beiden Länder zuvor in einem Brief an den UN-Sicherheitsrat berichtet hatten, wiesen die Lecks auf schwedischer Seite am Donnerstag einen Radius von rund 900 und 200 Metern auf und auf dänischer Seite von rund 555 beziehungsweise 680 Metern. 

Putin spricht von „beispielloser Sabotage“

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte die Lecks an den Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 als einen „Akt des internationalen Terrorismus“ bezeichnet.

Nach Kremlangaben sprach Putin am Donnerstag bei einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan von einer „beispiellosen Sabotage“ gegen die Gasleitungen von Russland nach Deutschland. Russland habe dazu für diesen Freitag eine Dringlichkeitsdebatte im UN-Sicherheitsrat beantragt, sagte Putin demnach.

Die russische Generalstaatsanwaltschaft hatte wegen der mutmaßlichen Sabotage an den Pipelines am Mittwoch ein Verfahren wegen internationalen Terrorismus eingeleitet. Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach bereits von einem „Terrorakt“ - Putin selbst hatte sich bislang aber noch nicht so klar geäußert.

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Europäische Sicherheitsbeamte hatten am Montag und Dienstag zwei russische Marineschiffe in der Nähe der Lecks an den Nord-Stream-Gasleitungen in der Ostsee gesichtet. Das berichtet der amerikanische Sender „CNN“ unter Berufung auf westliche Geheimdienstmitarbeiter. Auch russische U-Boote sollen in der vergangenen Woche in dem Gebet unterwegs gewesen sein.

Unklar blieb dabei zunächst, ob die Schiffe in Verbindung mit den Explosionen an den Pipelines zu Beginn der Woche stehen. CNN zitiert einen Beamten des dänischen Militärs, der die Anwesenheit russischer Schiffe in diesem Gebiet als Routine bezeichnet.

An den russischen Nord-Stream-Pipelines waren Anfang der Woche innerhalb kurzer Zeit zunächst drei Lecks entdeckt worden. Die genaue Ursache ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt. Westliche Sicherheitsexperten gehen aber von Sabotage aus.

Deutsche Behörden gehen von Sprengsatz-Einsatz aus

Deutsche Sicherheitsbehörden gehen laut einem Bericht des „Spiegel“ davon aus, dass bei der Beschädigung der Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee hochwirksame Sprengsätze zum Einsatz kamen. Berechnungen hätten ergeben, dass für die Zerstörung der Röhren Sprengsätze eingesetzt worden sein müssen, deren Wirkung mit der von 500 Kilo TNT vergleichbar ist, berichtete der „Spiegel“ am Donnerstag.

In die Schätzung seien auch die von diversen Messstationen registrierten seismischen Signale einbezogen worden, hieß es in dem Bericht weiter. Der Nato-Rat, die EU und Vertreter unter anderem der Regierungen Schwedens, Dänemarks und Polens gehen von einer vorsätzlichen Tat als wahrscheinlichstem Grund für die Lecks aus. Die Bundesregierung hält sich mit solchen Äußerungen bislang zurück.

Weitere Informationen erhofft sich die Bundesregierung laut „Spiegel“ von einer genaueren Untersuchung der Pipelines Nord Stream 1 und 2. In Sicherheitskreisen hieß es, dass Taucher oder ein ferngesteuerter Roboter möglicherweise schon am Wochenende die Schäden begutachten könnten. Dann könnten im besten Fall erste Rückschlüsse auf die Art der Explosion unter Wasser und den dabei eingesetzten Sprengstoff gezogen werden.

Schweden meldet viertes Leck

Schwedens Küstenwache hatte zuletzt ein viertes Gasleck an den beschädigten Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee entdeckt. Das Loch sei ebenfalls diese Woche gefunden worden, zitierte die Zeitung „Svenska Dagbladet“ am Donnerstag einen Sprecher der Küstenwache.

„Es gibt zwei Lecks auf schwedischem Gebiet und zwei auf dänischem“, erklärte ein Verantwortlicher der schwedischen Küstenwache zudem gegenüber der Nachrichtenagentur AFP - die beiden Lecks auf schwedischem Gebiet lägen „nahe beieinander“.

Drei der vier Lecks an den Nord-Stream-Gasleitungen in der Ostsee befinden sich in wenigen Kilometern Abstand zueinander. Die beiden Austrittspunkte in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Schwedens liegen nur eine Seemeile voneinander entfernt, was knapp 1,8 Kilometern entspricht, wie die schwedische Küstenwache am Donnerstag mitteilte. Der kleinere davon und einer der beiden in der dänischen Zone hätten einen Abstand von 2,6 Seemeilen (rund 4,6 Kilometern) zueinander.

Einem russischen Medienbericht zufolge könnte ein US-Hubschrauber an den Lecks in den beiden Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 beteiligt sein.

„Der Mehrzweck-Helikopter MH-60R Strike Hawk hat neun Stunden lang - von 19:30 Moskauer Zeit am Sonntag dem 25. September bis 4:30 Uhr Moskauer Zeit am Montag dem 26. September über der Ostsee gekreist; etwa 250 Kilometer von der dänischen Insel Bornholm entfernt, wo der Gasaustritt festgestellt wurde“, schrieb die Internetzeitung lenta.ru am Mittwoch unter Berufung auf Daten von Flightradar. Der Kampfhubschrauber könne unter anderem auch Unterwasserziele bekämpfen, betonte das als kremlnah geltende Medium.

In der Nacht zum Montag hatten die Betreiber Lecks in den beiden Gasleitungen festgestellt. Die EU und die Nato gehen von Sabotage aus. Der Kreml hatte am Mittwoch Spekulationen über eine russische Beteiligung an der Beschädigung der Pipelines als „dumm und absurd“ zurückgewiesen. Moskau sieht sich selbst als Geschädigten, die Behörden haben ein Terrorismusverfahren eingeleitet und Moskau hat eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats zu der Frage gefordert.

Deutsche Sicherheitsbehörden gehen unterdessen davon aus, dass die drei Röhren der Ostseepipeline Nord Stream 1 und 2 nach mutmaßlichen Sabotageakten für immer unbrauchbar sein werden. Wenn sie nicht schnell repariert würden, werde sehr viel Salzwasser einlaufen und die Pipelines korrodieren, erfuhr der Tagesspiegel aus Regierungskreisen.

Mehr als die Hälfte des Gases entwichen

Nach Angaben der dänischen Energiebehörde bereits mehr als die Hälfte des Gases aus den betroffenen Leitungen entwichen. Voraussichtlich am Sonntag sollen die Leitungen demnach leer sein, wie Behördenchef Kristoffer Böttzauw bei einer Pressekonferenz am Mittwoch sagte.

Wie die Behörde berechnete, entspricht die Klimabelastung des Gasaustritts etwa einem Drittel der gesamten Klimabelastung Dänemarks in einem Jahr. Ein konkretes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung – besonders auf der Ostsee-Insel Bornholm – bestehe aber nicht, hieß es.

Im Auswärtigen Amt berät ein Krisenstab

Inzwischen hat sich auch der Krisenstab des Auswärtigen Amtes dem Vorfall angenommen, mehrere Bundesministerien und das Kanzleramt beraten über Konsequenzen.

Als erster Schritt wird nun die Kontrolle der deutschen Hoheitsgewässer durch die Bundespolizei intensiviert, mit ihren Schiffen werden entsprechende Routen der kritischen Infrastruktur stärker beobachtet. Zudem sollen die Bundesländer den Schutz der Küstengebiete an Nord- und Ostsee verstärken. Sorge bereitet auch der Schutz der derzeit entstehenden Flüssiggas-Terminals und der Untersee- und Telekommunikationskabel.

Schaum deutet auf ein Leck hin.
Schaum deutet auf ein Leck hin.

© DANISH DEFENCE / AF / HANDOUT

Wie auch die EU-Kommission gehen deutsche Sicherheitsbehörden und der Auslandsgeheimdienst, der BND, von einem Sabotageakt aus. Genauso wie die Nato. Der Nato-Rat erklärte, „alle derzeit verfügbaren Informationen“ deuteten darauf hin, dass die Lecks das Ergebnis „vorsätzlicher, rücksichtsloser und unverantwortlicher Sabotageakte“ seien.

Die 30 Mitgliedstaaten des Militärbündnisses drohten mit einer „gemeinsamen und entschlossenen Reaktion“ auf jeden „vorsätzlichen Angriff auf die kritische Infrastruktur der Bündnispartner“.

Gezielte Sprengungen vermutet - führt die Spur nach Russland?

Experten und Regierungskreise glauben wegen der Komplexität des Anschlags, dass er nur durch einen staatlichen Akteur durchgeführt werden konnte. Spekulationen gehen in Richtung Russland, allerdings ist die Motivlage unklar.

Die Ukraine wirft Russland vor, es habe die Pipelines gezielt sabotiert, um die Energiekrise in Europa zu verschärfen und Panik vor dem Winter auszulösen. Dies weist die russische Regierung zurück. „Es ist ziemlich vorhersehbar und vorhersehbar dumm und absurd, solche Annahmen zu treffen“, sagt Kremlsprecher Dmitri Peskow. Er fordert zur Aufklärung der Vorfälle eine Beteiligung Russlands. Zugleich droht jedoch der russische Staatskonzern Gazprom nun mit einem Gas-Lieferstopp durch die Ukraine. - was auch wiederum die Lieferungen nach Europa weiter einschränken würde.

Von deutscher Seite ist auch der Bundesnachrichtendienst (BND) an der Aufklärung beteiligt, Satellitenaufnahmen auch über mögliche Schiffsbewegungen im Vorfeld der Detonationen werden ausgewertet.

Die Lecks in den Nord-Stream-Pipelines bei Bornholm
Die Lecks in den Nord-Stream-Pipelines bei Bornholm

© Grafik: Tagesspiegel/Klöpfel | Stand: 27.9.2022

Eine Theorie ist, dass Taucher Sprengstoff an den beiden Nord-Stream-1-Röhren und einer der zwei Röhren der noch nicht in Betrieb genommenen Röhre Nord Stream 2 angebracht haben könnten. Auf gezielte Sprengungen deutet nach Tagesspiegel-Informationen hin, dass die Lecks enorm groß sind, entsprechend hoch war die Geschwindigkeit des Druckabfalls.

Zudem gibt es eine deutliche Distanz zwischen den drei Orten, an denen die Lecks entstanden sind. Durch die Größe der Lecks kann extrem viel Salzwasser in die Leitungen einströmen.

Nur eine Nord Stream 2-Röhre könnte noch Gas liefern

Zwar kam schon zuletzt kein Gas mehr über Nord Stream 1 und Nord Stream 2 war wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine nicht in Betrieb genommen worden, aber der Fall wirft neue Fragen zur Energiesicherheit in Deutschland und Europa auf. Nach den mutmaßlichen Anschlägen stiegen die Preise für Erdgas erneut an.

Die schwedische Außenministerin, die Ministerpräsidentin Magdalena Andersson und der Verteidigungsminister geben eine Pressekonferenz anlässlich des Gaslecks.
Die schwedische Außenministerin, die Ministerpräsidentin Magdalena Andersson und der Verteidigungsminister geben eine Pressekonferenz anlässlich des Gaslecks.

© dpa / Fredrik Persson

Ein Nutznießer hoher Preise ist Russland mit seinem Präsidenten Wladimir Putin; zugleich hat Russland durch die kaputten Pipelines einen Milliardenschaden. Als einzige der vier Röhren ist eine Röhre von Nord Stream 2 unbeschädigt geblieben, sie ist betriebsbereit. Rein theoretisch könnte Russland einen Transport hierüber anbieten, was die Bundesregierung aber ablehnen dürfte.

Natürlich ist die kritische Infrastruktur ein potenzielles Ziel.

Vizekanzler Robert Habeck

Deutschland versucht nun mit den dänischen und schwedischen Behörden die Lage weiter zu analysieren, aber es ist sehr schwierig in 70 bis 80 Meter Tiefe die entsprechenden Durchsuchungen vorzunehmen. Die deutschen Hoheitsgewässer werden vom gemeinsamen Lagezentrum See von der Bundespolizei und der Küstenwache der Länder von Cuxhaven aus gesteuert. Von dänischer Seite hieß es am Mittwoch, dass eine Untersuchung im Meer erst in ein oder zwei Wochen stattfinden könne. Auch wegen Sicherheitsbedenken.

Habeck warnt vor weiteren Anschlägen auf kritische Infrastruktur

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) räumt derweil die Gefahr von weiteren Sabotage-Akten ein. „Natürlich ist die kritische Infrastruktur ein potenzielles Ziel“, sagte der Vizekanzler.

Das habe man in der Vergangenheit bereits erlebt, zum Beispiel bei einer Software-Attacke auf einen Windpark. Darauf habe man bereits reagiert, sagte Habeck: „Die Sicherheitsbehörden, die Dienste, dieses Haus und auch die Betreiber tun das ihrige, um die kritische Infrastruktur zu schützen und die Energieversorgung in Deutschland sicherzustellen.“

Die Sicherheitslage habe sich durch den Krieg in der Ukraine entwickelt, sagte der Wirtschaftsminister weiter. „Aber Deutschland ist ein Land, das sich zu verteidigen weiß und Europa ist ein Kontinent, der seine Energieinfrastruktur schützen kann.“ Vor allem Norwegen, derzeit einer der wichtigsten Lieferanten von Gas nach Europa hat den Schutz seiner Pipeline-System massiv verstärkt, die Pipelines sind in allen Seekarten eingezeichnet – und wegen ihrer Länge jedoch schwer zu schützen.

EU droht mit harter Reaktion – aber gegen wen ?

Auch die Europäische Union hält Sabotage als Ursache für die Lecks an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 für wahrscheinlich und hat mit Gegenmaßnahmen gedroht.

Alle verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass diese Lecks das Ergebnis einer vorsätzlichen Handlung sind.

Josep Borrell, EU-Außenbeauftragter

„Alle verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass diese Lecks das Ergebnis einer vorsätzlichen Handlung sind“, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch im Namen der 27 Mitgliedstaaten. Jede vorsätzliche Störung der europäischen Energieinfrastruktur werde „mit einer robusten und gemeinsamen Reaktion beantwortet werden“.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bereits am Dienstag nach einem Gespräch mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen über „den Sabotageakt“ gesprochen. Es sei nun von größter Bedeutung, die Vorfälle zu untersuchen, um „vollständige Klarheit“ über die Geschehnisse und den Hintergrund zu erhalten, schrieb von der Leyen via Twitter.

Von der Leyen warnt vor „stärkster möglicher Reaktion“

„Jede absichtliche Störung von aktiver europäischer Energieinfrastruktur ist inakzeptabel und wird zu der stärksten möglichen Reaktion führen“, warnte die Kommissionspräsidentin. Auch Frederiksen sagte, die dänische Regierung gehe von „vorsätzlichen Handlungen“ aus.

„Unsere Fantasie gibt kein Szenario mehr her, das kein gezielter Anschlag ist“, sagte eine in die Bewertung durch die Bundesregierung eingeweihte Person dem Tagesspiegel bereits am Montag. „Alles spricht gegen einen Zufall.“

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Seismographen registrierten zwei Beben – jedoch keine Hinweise auf Erdbeben

Seismologen hatten am Montag in der Nähe der festgestellten Lecks in der Ostsee Erschütterungen registriert. Ein Seismograph auf der dänischen Insel Bornholm habe zweimal ein Beben registriert - einmal um zwei Uhr morgens Ortszeit, ein weiteres Mal um 19 Uhr, teilte das deutsche Forschungszentrum GFZ am Dienstag mit.

Ob die Ausschläge des Messgeräts durch Explosionen verursacht wurden, die auf Sabotageakte an den Gasröhren hinweisen, wollte das GFZ nicht sagen. Es gebe keine Hinweise auf Erdbeben. Bjorn Lund vom Schwedischen Seismologischen Zentrum der Universität Uppsala sagte dem Sender SVT: „Es gibt keinen Zweifel, dass das Explosionen waren.“

Ein Seismograph auf Bornholm schlug aus.
Ein Seismograph auf Bornholm schlug aus.

© REUTERS / German Centre for Georesearch

Der dänische Klima- und Energieminister Dan Jørgensen bestätigte die Angaben der Wissenschaftler später. Die Gasleitungen lägen tief im Wasser und bestünden aus Stahl und Beton. Die Größe der Lecks deute darauf hin, dass es sich nicht um ein Unglück etwa mit einem Schiffsanker handeln könne, heißt es.

An den beiden Ostsee-Pipelines, die Gas von Russland nach Westeuropa transportieren sollen, war schon am Montag ein plötzlicher Druckabfall registriert worden.

Die dänische Marine veröffentlichte Aufnahmen, auf denen eine großflächige Blasenbildung an der Meeresoberfläche zu sehen ist. Nach den Ausschlägen auf den Messgeräten habe es ein Rauschen gegeben, sagte ein GFZ-Sprecher.

CIA soll Bundesregierung gewarnt haben

Viele Fragen werden sich nun auch an die Bundesregierung richten. Denn offenbar hat sie der US-Geheimdienst CIA schon vor Wochen vor möglichen Anschlägen auf die Erdgas-Pipelines gewarnt.

Ein solcher Hinweis des US-Auslandsgeheimdienstes sei im Sommer in Berlin eingegangen, berichtete der „Spiegel“ am Dienstag unter Berufung auf „mit dem Sachverhalt vertrauten Personen“. In Regierungskreisen hieß es gegenüber dem Tagesspiegel, die Hinweise seien nicht sehr klar gewesen.

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Die Bundesnetzagentur hatte nach dem Druckabfall in der Nord-Stream-1-Pipeline erklärt, es würden keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit erwartet. Die Gas-Speicherstände steigen trotz der seit vier Wochen beschickten Pipeline weiter kontinuierlich an. Sie liegen der Behörde zufolge aktuell bei rund 91 Prozent.

Wegen der Zwischenfälle bat die Behörde das staatliche Unternehmen Energinet, im Hinblick auf die Sicherheit ihrer Anlagen besonders aufmerksam zu sein. Brüche in Gasleitungen kämen höchst selten vor, weshalb man Gründe dafür sehe, das sogenannte Bereitschaftsniveau im Gas- und Stromsektor auf die zweithöchste Stufe „orange“ anzuheben, schrieb die Energiebehörde.

Kreml gibt sich „äußerst beunruhigt“

Russland selbst wollte auch nicht ausschließen, dass es sich bei den Lecks um einen Sabotageakt handelt. „Jetzt kann keine Variante ausgeschlossen werden“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag.

Der Kreml sei „äußerst beunruhigt“ über den Druckabfall in den Ostseepipelines Nord Stream 1 und 2. „Das ist eine absolut nie dagewesene Situation, die einer schnellen Aufklärung bedarf“, sagte Peskow.

Polen und Ukraine glauben an russischen Sabotageakt

Polen erklärte am Dienstag wiederum, eine russische Provokation als Hintergrund für möglich zu halten. Man befinde sich in einer Situation hoher internationaler Spannung, sagte Vize-Außenminister Marcin Przydacz. „Leider verfolgt unser östlicher Nachbar ständig eine aggressive Politik.

Wenn er zu einer aggressiven militärischen Politik in der Ukraine fähig ist, ist es offensichtlich, dass keine Provokationen ausgeschlossen werden können, auch nicht in den Abschnitten, die in Westeuropa liegen.“

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Die Ukraine wurde erwartungsgemäß noch deutlicher: „Das großflächige “Gasleck' an Nord Stream 1 ist nichts anderes als ein von Russland geplanter Terroranschlag und ein Akt der Aggression gegenüber der EU„, schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak auf Twitter.

Der russische Gasmonopolist Gazprom hatte die Lieferungen durch Nord Stream 1 Ende August eingestellt und dadurch die Gaspreise in Europa nach oben katapultiert. Angeblich sind aufgrund der Sanktionen gegen Russland dringende Wartungsarbeiten nicht möglich.

Sowohl westliche Equipment-Lieferanten als auch die Bundesregierung bestreiten diese Darstellung. In den Berliner Sicherheitskreisen hieß es, es sei nicht auszuschließen, dass ein mutmaßlicher Anschlag schon vor dem Lieferstopp geplant worden sei, denn die Vorlaufzeiten für derartige Spezialoperationen könnten lang sein. (mit Agenturen)

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