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Wirtschaft: „Europa steht nicht mehr im Fokus“

IWF-Tagung: Finanzminister Schäuble optimistisch.

Washington - Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht den Euro-Raum nicht nur persönlich „auf einem guten Weg“. Sondern diese Sicht werde von den Finanzministern der G-20-Staaten nahezu durchweg geteilt, betonte Schäuble am Freitag in Washington beim traditionellen Pressefrühstück zum Auftakt der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. Insbesondere die USA hätten „ausdrücklich bestätigt“, dass „die Europäer ihre Zusagen erfüllt“ haben.

Als der kanadische Finanzminister James Flaherty am Donnerstagabend kritische Fragen zur Entwicklung in der Euro-Zone stellte, sei US-Finanzminister Timothy Geithner den Europäern „auf eindrucksvolle Weise beigesprungen“, sagte Schäuble. Er habe seit dem Treffen der EU-Finanzminister in Kopenhagen vor drei Wochen „kein Wort der Kritik an Europa“ von Geithner oder US-Präsident Obama gehört.

Für die Öffentlichkeiten in Nordamerika und Europa ergibt sich damit ein gespaltenes Bild, wie die jeweiligen Finanzeliten die aktuelle Lage und die Entwicklung einschätzen. US-Medien berichten vorrangig über die Sorge, dass die Euro-Zone in die nächste Phase ihrer tiefen Währungskrise stürze. Sie verweisen auf Spanien und Italien. In ihren Darstellungen bleibt die Euro-Zone auf absehbare Zeit das größte Risiko für die Weltwirtschaft.

Schäuble und Bundesbankpräsident Jens Weidmann, zu dessen 44. Geburtstag die Frühstücksrunde unter Stimmführerschaft Schäubles „Happy Birthday“ anstimmte, sehen dagegen Grund für „verhaltenen Optimismus“. Der IWF habe in seinem World Economic Outlook (WEO) den Ausblick der Bundesbank bestätigt. Nach einer Schwächephase im vierten Quartal 2011 sei die Entwicklung jetzt günstiger. „Das Wachstum in den USA zieht an, die Schwellenländer geben kräftige Impulse, die Lage in der Euro-Zone ist entspannter.“

Die Krise im Euro-Raum sei nicht überwunden, sagten Schäuble und Weidmann. Beide stellten es aber so dar, als sei jetzt vor allem eine Frage, wann die Märkte wieder volles Vertrauen gewinnen, und nicht mehr eine Frage aktueller großer Gefahren. Vertrauen könne man rasch verlieren. Es sei dagegen sehr mühsam und dauere lange Zeit, Glaubwürdigkeit wieder zu erringen. Als Risiken für die Weltwirtschaft nannten sie die ausgedehnten Geldmengen, die die Notenbanken zur Bekämpfung der Krise bereitgestellt hatten, und die steigenden Preise für Rohstoffe, voran Erdöl.

Mit sichtbarem Selbstbewusstsein wiesen beide sowohl Zweifel an der Stabilisierung der Euro-Zone als auch Forderungen nach neuen Wachstums- oder Rettungspaketen zurück. „Europa steht nicht mehr im Fokus“, sagte Schäuble, „auch wenn manche es weiter versuchen.“ So, wie Europa seine Zusagen erfüllt habe, müssten das jetzt auch andere tun. Beim Gipfel in Toronto 2010 hätten die westliche Industrieländer unter den G 20 zugesagt, ihre staatlichen Defizite bis 2013 zu halbieren. Das war offenkundig eine Anspielung auf die USA. Ihr Schuldenberg erreicht bald 17 Billionen Dollar, mehr als 110 Prozent des Bruttosozialprodukts. Christoph von Marschall

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