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Wirtschaft: Europäer fürchten Handelskrieg mit Nahost

Iran boykottiert Waren aus Dänemark – und ruft damit die EU-Kommission auf den Plan. Auch deutsche Exporteure sind besorgt

Berlin/Brüssel - Nach dem Beschluss Irans, alle Handelsbeziehungen mit Dänemark abzubrechen, wächst die Angst vor einer Eskalation des Handelskonflikts. Die EU-Kommission in Brüssel erklärte am Dienstag, ein Boykott dänischer Waren sei gleichbedeutend mit einem Boykott von EU-Waren. Auch Unternehmer und Experten warnten vor einer Ausweitung des Streits.

Die iranische Regierung hatte zuvor beschlossen, aus Protest gegen die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen die wirtschaftlichen Beziehungen mit Dänemark einzustellen. Wirtschaftsminister Massud Mirkasemi teilte am Dienstag im staatlichen Rundfunk mit, dass mit sofortiger Wirkung alle Verträge und Verhandlungen mit dänischen Firmen ausgesetzt seien. Keine Waren und Güter aus Dänemark dürften mehr den iranischen Zoll passieren. Auf den Ölpreis hatte die Verschärfung des Konflikts zunächst keinen Einfluss – ein Barrel (159 Liter) Rohöl verbilligte sich sogar um mehr als 1,50 Dollar auf 63,60 Dollar.

Bereits Ende Januar hatte der Iran angekündigt, sein bei europäischen Banken angelegtes Geld umschichten zu wollen. Nur die Schweiz sei davon ausgenommen, erklärte die Regierung. Mit der Maßnahme wolle sich der Iran gegen mögliche Sanktionen seitens des Westens wehren, die in Folge des schwelenden Atomstreits verhängt werden könnten.

Schon seit Tagen meiden die Verbraucher im Iran Waren aus Dänemark. Betroffen sind vor allem Lebensmittelhersteller wie die Molkerei Arla – sie musste Umsatzrückgänge von rund einer Million Euro pro Tag hinnehmen. Industriegüter führt das skandinavische Land in die Region dagegen kaum aus. Die dänische Wirtschaft reagierte auf die Boykott-Ankündigung aus Teheran mit Besorgnis. Dies belaste die in der Region tätigen Unternehmen außerordentlich, erklärte der Industrieverband Dansk Industri. Die finanziellen Folgen seien „zweifellos ernst“, in den gesamten Mittleren Osten exportiere das Land für mehr als eine Milliarde Euro. „Wir hoffen, dass die diplomatischen Anstrengungen und die Hilfe anderer europäischer Länder helfen werden, die Krise zu lösen“, teilte Dansk Industri mit.

Auch die deutschen Exporteure zeigten sich besorgt über die Eskalation. „Wir können nur hoffen, dass sich daraus kein ernsthafter Handelskonflikt zwischen Europa und weiteren islamischen Ländern entwickelt“, sagte der Präsident des Bundesverbands des Groß- und Außenhandels, Anton Börner, dem Tagesspiegel. Noch sehe er dafür allerdings keine Anzeichen. Deutschland lieferte von Januar bis Ende November 2005 Waren für 4,1 Milliarden Euro in den Iran. In den gesamten Mittleren Osten werden Produkte für 22 Milliarden Euro verkauft, das entspricht drei Prozent des deutschen Exports. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag rechnet 2006 allerdings mit einem Rückgang des Exportvolumens in den Iran. Bei der jetzigen politischen Lage werde das Geschäft für deutsche Firmen mittel- und langfristig uninteressanter.

CDU/CSU-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff sprach von einem „ernsten Vorgang“. Dies sei eine Drohung nicht nur gegen Dänemark, sondern gegen den EU-Binnenmarkt. „Ich erwarte, dass sich die Europäische Kommission damit befasst und dass es darauf eine einheitliche europäische Antwort geben wird.“ Auch aus dem EU-Parlament kam Kritik. Hans-Gert Pöttering, Chef der Fraktion der Europäischen Volkspartei, sagte dieser Zeitung: „Wer dänische Waren boykottiert, trifft damit die gesamte EU. Wir sind eine Solidargemeinschaft und werden die Dänen nicht alleine lassen.“ Der Ball liege nun bei Teheran. „Wir sollten Iran aber deutlich machen, dass wir jede Eskalation vermeiden wollen.“ Die EU müsse „alle politischen und diplomatischen Kanäle nutzen“.

Experten halten indes schwer wiegende wirtschaftliche Folgen für unwahrscheinlich. „Ein Boykott wie dieser wird kaum zu Einbußen führen – es geht vorwiegend um Symbolpolitik“, sagte Rolf Langhammer, Handelsexperte und Vizechef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Eine Klage bei der Welthandelsorganisation WTO hält er für unwahrscheinlich. „Das wäre die Ultima Ratio – jetzt ist aber erst die Europäische Union gefragt, an die Dänemark die Zollpolitik übertragen hat“, erklärte er.

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