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Harald Martenstein.

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Martensteins Kolumne: Super prima Anleihen

Kredit. Der Umsatz steigt. Wieder Kredit. Harald Martenstein über Piraterie und Gaunertum.

Mandy hat in Kreuzberg eine leider nicht sehr erfolgreiche Kneipe, den „Blauen Papagei“. Ihre Kundschaft besteht hauptsächlich aus alkoholkranken Hartz-IV-Empfängern. Eines Tages beschließt Mandy, allen Stammkunden einen „Deckel“ zu gewähren, mit anderen Worten: Kredit. Der Umsatz steigt. Mandy erhöht die Bier- und Schnapspreise. Dank des Deckels kein Problem. Der Umsatz steigt weiter. Der Kundenberater ihrer Bank bemerkt, dass der „Blaue Papagei“ interessante Zahlen schreibt. Er bietet Mandy eine extrem großzügige Kreditlinie an. Durch die Schulden der Trinker ist der Kredit mehr als gedeckt.

Zur Refinanzierung – eine Bank muss ihr Geld ja auch irgendwo herkriegen – verwandeln die Investmentbanker des Geldinstitutes die Schulden auf den Bierdeckeln in sogenannte Schuldverschreibungen. Sie heißen „Alkbond“, „Suffbond“ und „Kotzbond“, unter der Sammelbezeichnung „SPA Super prima Anleihen“ kommen sie auf den Geldmarkt. Vorher werden sie, damit alles seriös ist, bei einer philippinischen Online-Versicherung gegen Verlust versichert, das geht per E-Mail. Rating-Agenturen geben SPA die Bewertung „AAA +++“. Worauf genau diese Wertpapiere beruhen, weiß bald keiner mehr, aber die Kurse steigen. SPA ist ein Hit, internationale Investoren steigen ein. Vorstände und Investmentspezialisten der Bank genehmigen sich Boni in Millionenhöhe.

Eines Tages kommt ein Risk Manager der Bank auf die Idee, dass man langsam mal die ältesten Deckel von Mandys Kundschaft abkassieren könnte, auf Bankdeutsch heißt das „fällig stellen“. Die Schulden der Trinker betragen mittlerweile ein Vielfaches ihrer Jahreseinkommen. Es kommt nicht zu nennenswerten Tilgungen. Alle sehen jetzt sehr erschrocken aus. E-Mails an die Versicherung werden nicht beantwortet.

„Suffbond“, „Alkbond“ und „Kotzbond“ verlieren 98 Prozent ihres Wertes. Der „Blaue Papagei“ geht in die Insolvenz. Mandys Lieferanten hatten sich zum Teil, und gerne, mit den im Kurs ständig steigenden SPA-Anleihen bezahlen lassen. Der Wein- und der Schnapslieferant gehen ebenfalls in Konkurs. Wegen der besonderen Bedeutung der Bierindustrie wird der Bierlieferant vom Staat teilweise entschuldet und von einer belgischen Investorengruppe übernommen. Die Bank wird vom Staat mit Hilfe von Steuergeldern gerettet. Der Bankvorstand verzichtet für das laufende Geschäftsjahr auf seinen Bonus. Der Risk Manager wird entlassen.

Für diesen Text gebührt das Copyright einer unbekannten Person, er kursiert zur Zeit, in einer etwas anderen Version, im Internet. Zur Beschreibung gegenwärtiger Vorgänge scheint mir dieser Text aber gut geeignet zu sein. Piraterie und Gaunertum liegen voll im Trend.

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