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Finanzkrise: Schariah-Banker geben sich schadenfroh

Banken, die nach den Regeln des islamischen Rechtssystems arbeiten, leiden weniger unter der weltweiten Finanzkrise. Muslimisch geprägte Länder wollen deshalb mehr Gewicht in einer neuen Wirtschaftsordnung. Doch ganz problemlos ist die Lage auch bei ihnen nicht.

Yousif al-Rahji hat in den vergangenen Monaten eine völlig neue Erfahrung gemacht. "Plötzlich hören sie zu." Er meint Banker und Finanzexperten aus dem Westen, besonders aus den USA. Die globale Finanzkrise hat einige smarte und häufig überhebliche Herren im Westen bescheiden gemacht, hat der Banker aus Saudi-Arabien bemerkt. "Sogar den Chinesen hören sie jetzt zu." Der Beinahe-Kollaps der Weltwirtschaft und die Sinnkrise des westlichen Kapitalismus haben aus Sicht von al-Rahji durchaus gute Seiten. Denn islamische Banker wie er selbst haben jetzt weniger Probleme, bei westlichen Kollegen Gehör zu finden.

Das liegt vor allem daran, dass Banken, die nach den Regeln des islamischen Rechtssystems Schariah geführt werden, weniger unter der Krise zu leiden hatten als westliche Geldhäuser. Islamische Banken verzichten auf Zinsen und gründen ihre Geschäfte statt dessen auf das Prinzip der Teilhabe - und zwar an Gewinnen ebenso wie an Verlusten. Am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank haben sich al-Rahji und mehrere hundert Kollegen und Regierungsvertreter zu einem Treffen der Islamischen Entwicklungsbank (IDP) versammelt - und vielen Teilnehmern ist eine gewisse Schadenfreude anzumerken.

"Im Islam wäre so etwas wie der Handel mit Schulden und Hypotheken unmöglich", sagt al-Rahji, der als Vizechef eine islamischen Bank in Bangladesch betreibt. "Schulden sind etwas, das zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner bleibt." An der Wall Street wurden dagegen kräftig und zuweilen sehr riskant so genannte sub-prime mortgages hin- und hergeschoben - bis das Kartenhaus in sich zusammenbrach. Jetzt wundern sich westliche Banker, warum in der islamischen Welt die Kaatastrophe ausblieb, sagte al Rahji. "Die fragen sich, was das Geheimnis ist."

Auch in Dubai müssen Anleihen zurückgezahlt werden

Auch in der Türkei, dem Gastland von IWF und Weltbank, boomen die islamischen Banken. Um mehr als 30 Prozent sei der Sektor zuletzt gewachsen, teilte der Verband der türkischen Islam-Banken kürzlich mit. In mehr als 500 Filialen bedienen mehr als 11.000 Mitarbeiter die Kunden. In Istanbul unterzeichnete die Bank Asya, eine der führenden türkischen Schariah-Banken, eine Übereinkunft zur Zusammenarbeit mit islamischen Banken in Afrika.

In der neuen Architektur der Weltwirtschaft wollen sich die islamischen Länder gemeinsam Gehör verschaffen. Mit Indonesien, Saudi-Arabien und der Türkei gehören drei große muslimische Länder den G-20 an. "Wir sind die Stimme der islamischen Welt", sagte die indonesische Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati in Istanbul. IDP-Präsident Ahmad Mohamed Ali unterstrich, die islamischen Banker hätten bei der Diskussion über eine neue Weltwirtschaftsordnung viel beizutragen. Schließlich verbinde das Schariah-Bankgeschäft "den islamischen Grundsatz der Risiko-Partnerschaft mit universalen ethischen Werten". Ein Mitarbeiter von al-Rahji berichtete, in Bangladesch könnten viele kleine Geschäftsleute wegen der Krise ihre Schulden nicht zurückzahlen. "Der Islam sagt, man soll die Schulden stunden", sagte er. "Aber die westlichen Banken foltern die Leute richtig."

Dennoch: So ganz ohne Probleme ist die Lage auch für die islamische Welt nicht. Im Golf-Emirat Dubai etwa wird derzeit heftig darüber spekuliert, wie, wann und ob staatseigene Unternehmen ihre - islamisch einwandfreien - Anleihen in Milliardenhöhe zurückzahlen können oder nicht. Hauptschuldner ist das Unternehmen Nakheel, das durch die ehrgeizigen Pläne zum Bau von palmenförmigen künstlichen Inseln weltweit Schlagzeilen machte. Nakheel muss in zwei Monaten rund 3,5 Milliarden Dollar zurückzahlen. Bisher ist nicht klar, ob das Unternehmen das Geld auftreiben kann. Auf das Beispiel Dubai angesprochen, sind IDB-Vertreter in Istanbul plötzlich nicht mehr ganz so gesprächig. "Da müssen Sie die Regierung von Dubai fragen", lautete der knappe Kommentar eines IDB-Spitzenmanns.

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