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Muss sich erklären. Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) machte erhebliche Verluste mit Zinsderivaten. Foto: Arne Dedert/dpa

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Finanzspekulationen: Hessen wehrt sich gegen Zocker-Vorwurf

Experten nehmen den Finanzminister in Schutz: Die Absicherung von Zinsrisiken durch Derivate ist üblich und kein Skandal.

Spekuliert die hessische Landesregierung an den Finanzmärkten? Hat Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) Millionen in den Sand gesetzt? Volkswirte und Analysten, die sich mit den Finanzen der Bundesländer auskennen, winken ab. „Das ist keine Zockerei und kein Skandal“, sagt Ulrich Kater, Chef-Volkswirt der DekaBank. Auch Finanzminister seien Teilnehmer an den Finanzmärkten. Sie nutzten sie zur Aufnahme von Krediten und eben auch zur durchaus sinnvollen Absicherung von Zinsrisiken. Ähnlich sieht es Norman Rudschuck von der NordLB. Er erstellt alljährlich eine dezidierte Analyse über die Finanzlage der Bundesländer. „Das sind ganz legitime Geschäfte, das praktizieren die meisten anderen Bundesländer auch.“ Allerdings sei das Volumen in Hessen größer als in anderen Ländern.

Der Markt für die Absicherung von Zinsrisiken auch durch Unternehmen und Banken ist einer der größten Bereiche auf dem Kapitalmarkt. Am Wochenende waren Berichte aufgetaucht, wonach sich das Land Hessen im Jahr 2011 gegen Zinsrisiken abgesichert habe. So habe sich das Land die damals vermeintlich niedrigen Zinsen gesichert und das zum Teil bis auf 40 Jahre. Tatsächlich sind die Zinsen vor sieben Jahren aber nur kurz weiter gestiegen – die Europäische Zentralbank erhöhte den Leitzins Mitte 2011 von 1,25 auf 1,50 Prozent – bevor es deutlich nach unten ging. Seit März 2016 steht der Leitzins bei Null.

Laufzeit der Absicherung diskutierbar

Das Land Hessen habe sich damals Zinsen zwischen 2,8 und 3,7 Prozent für seine Anleihen gesichert, heute wären nur etwa 1,3 bis 1,5 Prozent nötig, halten Kritiker Schäfer vor. Damals aber hatten auch Ökonomen nicht damit gerechnet, dass die Zinsen so deutlich abrutschen würden. Laut hessischem Landesrechnungshof sorgen die Zinssicherungsgeschäfte aktuell für Verluste von 375 Millionen Euro – allerdings erst einmal nur auf dem Papier. Abgerechnet werden kann aber erst dann, wenn die Sicherungsgeschäfte auslaufen.

Über die Laufzeit der Absicherung könne man diskutieren. „Aber in den nächsten 40 Jahren werden die Zinsen sicher wieder steigen“, sagt Volkswirt Kater und deutet damit an, dass die Absicherung am Ende doch einen Ertrag abwerfen könnte. Finanzminister Thomas Schäfer verteidigt die Geschäfte. „Hessen spekuliert nicht mit Steuergeld.“ Bis Ende 2017 hätten sich die Absicherungsgeschäfte ausgezahlt und einen Ertrag von 232 Millionen Euro gebracht. Was aber auch nur eine Momentaufnahme sei. Insgesamt sei es dem Land gelungen, die Zinsausgaben zu senken und stabil bei einer Milliarde Euro zu halten. „Uns geht es nicht um Gewinnmaximierung, sondern darum den Haushalt planbar zu gestalten“, sagt Schäfer.

Steuereinnahmen in Hessen sprudeln

Zinsabsicherungsgeschäfte schließt das Land Hessen nach Rücksprache und Diskussion mit dem unabhängigen Landesschuldenausschuss, der mit Vertretern aller Parteien besetzt ist. Erlaubt sind sie bereits seit 1992. Von der jährlichen Kreditaufnahme des Landes werde etwa ein Fünftel mit Hilfe von Derivaten gegen Zinsrisiken abgesichert. Schäfer räumt ein, dass die Absicherung Geld koste und sich dies nicht immer lohne. „Aber bei einer Feuerversicherung ärgern sie sich ja auch nicht, dass Ihr Haus nicht brennt.“ Aber natürlich würde die Sicherungsstrategie jährlich überprüft.

Nach Einschätzung von NordLB-Analyst Rudschuck machen das Land Hessen und sein Finanzminister vieles richtig. Das Bundesland stehe gut da, die Schuldentragfähigkeit und Zinsdeckung seien überdurchschnittlich, die Steuereinnahmen sprudelten. Die Schulden des Landes verringerten sich. Und ab 2019 würden sie dann auch netto sinken.

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