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Wirtschaft: Flucht nach vorn

Wie Anleger vom Auf und Ab der Kurse profitieren können

Der Dax ist seit dem Jahr 2000 zunächst von gut 8000 auf 2200 Punkte gefallen, hat sich dann wieder auf 8000 erholt, um erneut auf 3700 Zähler abzukippen, schließlich wieder auf gut 7500 zu klettern und, zuletzt, bis auf knapp unter 5000 zu fallen. Auch im Euro-Stoxx oder im Dow Jones werden dabei Tagesverluste von mehr als fünf Prozent immer häufiger. Die erhöhte Schwankungsbreite – an der Börse Volatilität genannt – wird für normale Privatanleger zum Stresstest. Sie müssen häufig feststellen, dass auch nach einer Dekade kein Plus im Depot steht. Die Profis hingegen, die kurzfristiger handeln, freut die Auf- und Abbewegung, die Renditen nach oben und unten ermöglicht.

Die Ursachen für die zunehmenden Kurskapriolen sind vielfältig. Während die einen ins Feld führen, dass immer öfter Computer über Kauf und Verkauf entscheiden und der Hochfrequenzhandel zunimmt, sehen andere die Ursache in den fundamentalen Bedingungen. Die vergangenen zehn Jahre hätten viele große Krisen mit sich gebracht, massive ökonomische Probleme, von der Schuldenfrage über Rohstoffverknappungen bis hin zu Machtverschiebungen zwischen Industrienationen und Schwellenländern. Die damit einhergehende Unsicherheit werde schlicht an den Märkten reflektiert.

Seit einigen Jahren gilt das Thema Volatilität als eigene Anlageklasse, mit der sich Geld verdienen lässt. Denn die Fieberkurven von Aktien, aber auch Rohstoffen oder Währungen lassen sich nutzen. Die Volatilität wird mithilfe von Indizes gemessen, es gibt Volatilitätsfonds und ein ganz neues Segment: Exchange Traded Notes (ETN), börsengehandelte Schuldverschreibungen, die davon profitieren, wenn der Markt kurz- und mittelfristig hysterisch reagiert.

Der V-Dax (Volatilitäts-Dax) etwa gibt an, mit welchen Schwankungen der Markt in den kommenden 45 Tagen rechnet, was mit Hilfe von Optionen auf den Dax berechnet wird (siehe Grafik). Dabei gilt: je höher die Unsicherheit, desto höher der V-Dax. Sind die Anleger sehr nervös, steigt die Fieberkurve, fällt aber auch wieder, wenn die Märkte sich beruhigen oder wieder steigen. Derzeit notiert der V-Dax, der auch gern als Angstbarometer bezeichnet wird, zwischen 45 und 50. Seit Ende Juli, als Werte von 20 gemessen wurden, hat sich die Volatilität mehr als verdoppelt. Allerdings: Während des Ausverkaufs der Baisse 2003 lagen die Werte bei etwa 60, im Zuge der Lehman-Pleite 2008 kurzfristig über 75.

Der Anleger kann nun in zwei Richtungen agieren: Er kann einerseits den V-Dax als Risikoindikator nutzen und seine Investments danach ausrichten. Steigt der V-Dax, wäre dies eine Verkaufsempfehlung, während sehr hohe Werte umgekehrt eine finale Panik, somit also Käufe nahelegen. „Leider handeln viele Privatanleger jedoch meist genau anders, sie erstarren in Angst und lassen sich in die falsche Richtung locken“, weiß Gerrit Fey, Volkswirt beim Deutschen Aktieninstitut. Statt billig zu verkaufen und teuer zu kaufen, sei es sinnvoller, antizyklisch zu handeln. Krisenzeiten mit sehr hoher Volatilität seien also häufig „nicht gerade ungünstige“ Gelegenheiten zum Einstieg, sagt Fey. Viele Anleger in Deutschland hätten zwar während der Krisen der vergangenen zehn Jahre verkauft, dann jedoch den Wiedereinstieg versäumt.

Der Blick auf den V-Dax kann da eine Hilfe sein: Denn stets folgte auf ein Tal, das mit hohen Angstwerten des V-Dax einherging, früher oder später eine Beruhigung inklusive steigender Aktienkurse.

Volatilitätsfonds nutzen nicht nur die Schwankungen, sondern auch die Tatsache, dass Volatilitäten auf einen langfristigen Mittelwert zurückfallen. Vorreiter bei diesen Fonds ist Amundi, die zweitgrößte Fondsgesellschaft Europas: In seinem „Amundi Volatility Euro Equities“ verkauft der französische Anbieter mithilfe von Optionen Volatilität, wenn sie hoch ist und kauft, wenn sie niedrig ist. Bilanz der vergangenen drei Jahre: plus 7,6 Prozent pro Jahr. Das Pendant mit weltweitem Blickwinkel schaffte sogar gut zehn Prozent. Auch Lupus Alpha und die Allianz haben einen Vola-Fonds, wobei sich das Allianz-Papier wegen der Mindestanlage von 100 000 Euro an Profis richtet.

Günstig handeln lassen sich Volatilitäten vor allem mit den Exchange Traded Notes (ETN), also passiv arbeitenden Papieren, die einen Volatilitätsindex wie den europäischen V-Stoxx oder den Vix (das US-Pendant) abbilden. Anders als Exchange Traded Funds sind ETN keine Fonds, sondern Zertifikate, die gegen eine Pleite des Emittenten nicht gesichert sind. Vorreiter ist hier die Barclays Bank, die unter der Marke iPath Volatilitätspapiere auf den europäischen und amerikanischen Markt gebracht hat, etwa den gerade emittierten iPath S & P 500 Dynamic Vix. Die Wertentwicklung des iPath V-Stoxx Mid-Term ETN wiederum zeigt, was der Anleger beim Kauf zu erwarten hat: Während das Papier auf Sicht eines Jahres mehr oder weniger stagniert, hat es im zurückliegenden Monat dank der zuletzt stark gestiegenen Volatilität um gut 42 Prozent zugelegt. Sinkt die Volatilität, ist jedoch auch mit Verlusten zu rechnen, weshalb Barclays seine Volatilitätspapiere als Hilfe zur Absicherung gegen Crashs vermarktet.

Auch ein echter ETF, also ein Fonds mit Absicherung gegen eine Emittentenpleite, ist auf dem Markt: Der Lyxor S & P Vix, Anfang August emittiert, spiegelt eins zu eins die erwartete Volatilität der 500 größten börsennotierten US-Firmen.

Generell gilt für private Anleger, die von den Schwankungen der Kurse profitieren wollen: Die Volatilität glättet sich von selbst, wenn der Anleger Ruhe bewahrt, breit streut und in Kategorien von mindestens 20 Jahren denkt. Wer dagegen direkt in Volatilität investieren möchte, braucht Detailkenntnisse und viel Zeit zur Beobachtung des Marktes.

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