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Wirtschaft: Freie Fahrt für die Bahn

Bundestag stimmt Privatisierung des letzten Staatskonzerns zu – obwohl die SPD noch immer mit dem Vorhaben hadert

Berlin - Das Projekt war gut vier Jahre umkämpft. Doch nun steht fest, dass sich ab Herbst erstmals private Investoren an der Deutschen Bahn AG beteiligen können. Der Bundestag hat der Teilprivatisierung zugestimmt. Die Koalitionsfraktionen unterstützten das Vorhaben mit großer Mehrheit – wobei 27 Abgeordnete vom linken SPD-Flügel dagegen votierten. Die Opposition stimmte geschlossen dagegen. Der letzte deutsche Staatskonzern plant nun, den Personen- und Güterverkehr in einer Holding zu bündeln und 24,9 Prozent davon im November an die Börse zu verkaufen. Die übrigen Konzernteile, also Gleisnetz, Bahnhöfe und Energie, bleiben im Bundesbesitz.

„Das ist ein guter Tag für Kunden, Steuerzahler und Mitarbeiter“, kommentierte Bahn-Chef Hartmut Mehdorn den Beschluss. Er sichere die Zukunft des Unternehmens und seiner 237 000 Beschäftigten. Er will vier Fünftel der Börsentochter an institutionelle Anleger verkaufen. Während der Bund fünf bis acht Milliarden Euro Einnahmen anpeilt, halten mit dem Projekt vertraute Personen nur drei bis vier Milliarden Euro für realistisch. Dennoch wäre die Bahn-Teilprivatisierung der größte Börsengang in Deutschland seit Jahren. „Grundsätzlich könnte die Aktie attraktiv sein“, sagte Carsten Heise, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz mit Blick auf die Klimadiskussion. Er forderte ein „Bonbon“ für Privatinvestoren: „Um das Papier für Privatanleger attraktiv zu machen, könnte man ihnen einen Rabatt von einem Euro je Aktie gewähren.“

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) verspricht sich von der Privatisierung Vorteile für die Kunden und mehr Wettbewerb. Der Vorwurf, die Leistungen der Bahn würden schlechter, sei falsch. „Das Gegenteil ist der Fall, wir werden besser werden.“ Der Bund behalte bei der Bahn die Zügel in der Hand, „und das wird auch so bleiben“. Schon jetzt gebe es eine Wettbewerbskultur, die sich im europäischen Maßstab sehen lässt. Klaus Lippold (CDU), Vorsitzender des Bundestagsverkehrsausschusses, sagte, ihm wäre es lieber gewesen, wenn die Aktientranche größer als 24,9 Prozent wäre. „Aber was jetzt nicht möglich ist, wird in Zukunft möglich sein“, sagte er.

Die Opposition warf der Koalition vor, die Beratungen im „Schweinsgalopp“ durch das Parlament getrieben zu haben. Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn kritisierte, „es spricht nichts dafür, dass mit diesem Konzept mehr Verkehr auf der Schiene möglich wird“. Die Reform sei „Murks“, weil sie Schienennetz und Betrieb nicht sauber trenne. Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken, bemängelte, dass die Privatisierung nur in Form eines Antrags vom Bundestag gebilligt wurde – und nicht in einem eigenen Gesetz. Das sei ein „übler Trick“, der noch das Verfassungsgericht beschäftigen werde, sagte Gysi. Einzig die FDP fand auch Lob für das Projekt. Es biete „eine gute Grundlage für eine Weiterentwicklung“, sagte ihr Verkehrsexperte Horst Friedrich.

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