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Siemens: Führungskräfte wussten schon 2004 Bescheid

In der Schmiergeldaffäre des Siemens-Konzerns sollen laut einem Bericht des "Focus" zwei ehemalige Führungskräfte frühzeitig von dubiosen Geldströmen erfahren haben.

München - Ex-Finanzchef Heinz-Joachim Neubürger und der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Karl-Hermann Baumann seien spätestens im Jahr 2004 von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG über fragwürdige Vorgänge informiert worden, berichtete das Magazin am Samstag vorab. Der Anwalt eines in Untersuchungshaft sitzenden Siemens-Chefbuchhalters korrigierte derweil die Darstellung, Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer habe die Schmiergeldpraktiken gebilligt. Von Pierer selbst lehnte einen Rücktritt kategorisch ab.

Der "Tagesspiegel" hatte unter Berufung auf den Rechtsanwalt Steffen Ufer, der den Chefbuchhalter der Sparte Com vertritt, berichtet, auch der Siemens-Zentralvorstand und von Pierer als ehemaliger Vorstandschef hätten die Schmiergeld-Praktiken gebilligt. "Das ist falsch", sagte Ufer auf Anfrage zu dem Bericht. Sein Mandant habe weder von Pierers Namen noch den anderer Manager genannt. Laut Ufer wird der in Untersuchungshaft sitzende Leiter des Rechnungswesens wohl in den kommende Tagen wieder auf freien Fuß kommen.

Vertriebsmitarbeiter kommt zu Tode

Wie der "Focus" weiter berichtete, kam am 21. November ein in der Affäre von Zeugen und durch Dokumente belasteter langjähriger Vertriebsmitarbeiter unter ungeklärten Umständen zu Tode. Der dreifache Familienvater sei in München unangeschnallt mit 120 Stundenkilometern gegen einen Baum gefahren und noch am Unfallort gestorben. Die Kripo sehe Anhaltspunkte für einen Selbstmord. Von Pierer sagte der "WamS" zu den Rücktrittsforderungen an seine Adresse: "Die Frage stellt sich mir nicht. Denn ich habe mir nichts vorzuwerfen." Er sehe auch keine persönlichen Versäumnisse als Grund dafür, dass Millionenbeträge über dubiose Kanäle ins Ausland geflossen sind und dort vermutlich für Schmiergeldzahlungen genommen wurden. "Wir haben viel gegen Korruption getan und unseren Leuten immer klar gesagt: Lasst lieber ein Geschäft sausen."

Trotz wachsendem politischen Druck rechnet von Pierer nach eigenen Worten nicht mit seiner Ablösung als Vorsitzender des Innovationsrats der Bundesregierung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe "stets bewiesen, dass sie eine sehr besonnene Persönlichkeit ist", sagte er dem "Spiegel". Wie der Aufsichtsratsvorsitzende weiter sagte, wird der Elektronikkonzern die Renditeziele des Konzerns für das kommende Frühjahr nicht korrigieren. Zuletzt hatte das Münchner Unternehmen seinen Gewinn wegen finanzieller Belastungen aus der Affäre nach unten korrigieren müssen.

Wer ist Täter, wer Opfer?

Der Korruptionsexperte Michael Hershman rechnete mit langwierigen Untersuchungen in der Affäre um die schwarzen Kassen. "Wir wissen noch gar nicht, wer hier Täter und wer Opfer ist", sagte Hershman dem Berliner Tagesspiegel am Sonntag. Er könne "im Moment nicht einmal sagen, welche kriminellen Delikte begangen wurden". Er wisse nur, dass Siemens selbst 420 Millionen Euro in den Bilanzen als zweifelhaft erachte. Siemens hatte den Mitbegründer von Transparency International vergangene Woche zum Berater für Korruptionsbekämpfung benannt.

Der SPD-Generalsekretär Hubertus Heil attackierte den Konzern scharf. "Die Vorgänge bei Siemens schaden der deutschen Wirtschaft und unserem Land", sagte Heil der "Bild am Sonntag". "Sie müssen mit aller Konsequenz aufgeklärt werden." Die Grünen-Fraktionsvize Thea Dückert forderte eine Änderung des Aktiengesetzes und unabhängige Aufsichtsräte. Siemens und von Pierer sollten mit neuen Aufsichtsratsmitgliedern den Weg für eine neue Unternehmenskultur frei machen, forderte sie in Berlin. (tso/AFP)

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