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Erst kommen die Rinder, dann die Holzfäller und schließlich die Soja-Farmer oder Zuckerrohr-Plantagen. Das Foto zeigt eine Rinderherde in einem Schutzgebiet im brasilianischen Bundesstaat Para.

© Antonio Scorza/AFP

Klimawandel: Ganz ohne geht es nicht, aber ...

Landwirtschaft kann nie emissionsfrei produzieren – bei Düngung, Anbau, Speicherung von CO2 ließe sich jedoch eine Menge tun. Die Agrarwirtschaft hat einen beträchtlichen Anteil an den globalen Treibhausgasemisseionen.

Dafür, dass die Landwirtschaft einen Anteil von 13 Prozent an den globalen Treibhausgasemissionen hat, ist bisher wenig darüber diskutiert worden, wie sie ihre Emissionen mindern kann. Zumal sie allein von 2001 bis 2011 um 14 Prozentpunkte gestiegen sind. Global gesehen binden Land- und Forstwirtschaft weniger Treibhausgase, als sie in die Atmosphäre entlassen. Die höchsten Emissionen aus Landwirtschaft und dem Verlust von Wäldern hatten nach Angaben des World Resources Institutes China, Brasilien und die USA. Dennoch ging es beim am späten Freitag zu Ende gegangenen Weltklimagipfel in Marrakesch vor allem darum, wie durch eine „klima-smarte“ Landwirtschaft Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) im Boden, in Wurzeln und in Pflanzen gespeichert werden können. In der Sprache der Klimadiplomatie sind Boden, Wurzeln, Pflanzen sogenannte „Senken“.

Das zweite große Thema in Marrakesch war die Anpassung an den Klimawandel. In Afrika rechnet die Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) mit Ernterückgängen, vor allem in den Tropen und Trockengebieten um knapp 20 Prozent im Vergleich zu heute. Andreas Fangmann von der Universität Hohenheim bei Stuttgart hat zudem herausgefunden, dass die Qualität zumindest beim Weizen sinkt, wenn der CO2-Gehalt in der Atmosphäre steigt. Zwar wirkt CO2 in der Luft wie Dünger auf die Pflanzen, sie wachsen schneller. Aber, warnt Fangmann, das gehe zulasten der Inhaltsstoffe: Der Proteingehalt sinke, wenn der Weizen in Klimakammern mit einer speziellen Technik, aber auch im Freiland, höheren CO2-Konzentrationen ausgesetzt wird. Auch der Gehalt an Calcium, Eisen, Magnesium und Zink sinke, berichtet er. Drei Jahre lang hat er den Weizen in Klimakammern höheren Temperaturen und höheren CO2-Gehalten ausgesetzt. Seit einem Jahr arbeitet er in einem wiederum dreijährigen Folgeprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft auch im Freiland. Diese Daten werden mit Praxisdaten von Landwirten auf der Schwäbischen Alb und in Hohenlohe verglichen.

Werden Lebensmittel nicht verschwendet, hilft das dem Klima

Wenn Bauern frühzeitig in angepasste Sorten und eine humuserhaltende Bodenbearbeitung investieren, zahlt sich das nicht nur für das Klima aus, sondern hilft auch dabei, die aktuell mehr als sieben Milliarden Menschen auf der Erde zu ernähren. Das Einfachste wäre es allerdings, die Nach-Ernte-Verluste in Entwicklungsländern und die Lebensmittelverschwendung in Industrie- und Schwellenländern zu reduzieren. Rund ein Drittel der angebauten Lebensmittel erreicht den Teller nie. Das sind immerhin fünf Millionen Tonnen CO2 im Jahr, hat das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in einer Studie errechnet.

Im deutschen Klimaschutzplan 2050 wird die Landwirtschaft nicht überfordert. Bis 2050 soll sie ihre Treibhausgasemissionen lediglich um etwas mehr als ein Drittel senken. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) betonte auch bei jeder Debatte um den Plan, dass die Landwirtschaft „ja nie emissionsfrei produzieren kann“. Das hatte ihr Agrarminister Christian Schmidt (CSU) auch wie ein Mantra seit Jahren vorgetragen. In Marrakesch, wo er am vergangenen Wochenende an einigen Veranstaltungen teilnahm, betonte Schmidt: „Mein Ziel ist es, dass Land- und Forstwirtschaft noch stärker als Speicher von Treibhausgasen dienen – ohne die weltweite Ernährungssicherung zu gefährden.“

Vor allem Lachgas wegen der Überdüngung belastet die Atmosphäre

Das Umweltbundesamt (UBA) hat für die deutsche Landwirtschaft 2014 einen Treibhausgasausstoß von 72 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten ermittelt. CO2 ist das wichtigste Klimagas. Es hat den höchsten Anteil an der menschengemachten Erhitzung des Planeten. In der Klimadebatte ist CO2 deshalb auch die Maßeinheit. Andere Treibhausgase werden in CO2-Äquivalente umgerechnet, um sie vergleichbar zu machen. In Deutschland trägt die Landwirtschaft mit acht Prozent zum Treibhausgasausstoß bei.

Die Lachgasemissionen entsprechen allein 25 Millionen Tonnen CO2. Die Stickstoffverbindung (N2O) entsteht überall dort, wo zu viel Kunstdünger oder Wirtschaftsdünger, also Gülle, ausgebracht wird. In der Regel können die Pflanzen den Stickstoff nicht vollständig aufnehmen. Mit dem Sauerstoff der Luft bildet sich dann Lachgas, ein Gas mit hoher Treibhauswirkung. Der zweite große Posten, der ebenfalls 25 Millionen Tonnen CO2 entspricht, sind die Methan-Emissionen, die bei der Verdauung von Wiederkäuern entstehen. Das sind vor allem rülpsende Kühe. Der nächste große Posten ist das Gülle-Management, dessen Ausdünstungen etwa zehn Millionen Tonnen CO2 entsprechen. Weitere sechs Millionen Tonnen CO2 tragen die Abgase des landwirtschaftlichen Maschinenparks zu den Agrar-Emissionen bei.

Böden und Pflanzen können auch Kohlendioxid binden

In Deutschland sind die Agrar-Emissionen im Vergleich zu 1990 gesunken. 2014 lagen sie im Vergleich um 18 Prozent niedriger als im Wiedervereinigungsjahr. Der Grund: In Ostdeutschland lohnten sich die großen Viehbestände nicht mehr. Inzwischen werden sie wieder aufgebaut. In Sachsen und Brandenburg sind mehrere Großställe vor allem für die Hühnerproduktion entstanden.

Die Senken-Bilanz ist in Deutschland zwar derzeit mit 16,5 Millionen Tonnen CO2 noch positiv. Doch das Bild bei den im Klimadiplomaten-Jargon „LuLuCF“ genannten Landnutzungen und Landnutzungsänderungen ist gemischt. Die deutschen Wälder haben 2014 rund 58 Millionen Tonnen CO2 gespeichert, weitere zwei Millionen Tonnen sind in Holz auf dem Bau oder als Möbel verbaut. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen dagegen erzeugen mehr Treibhausgasemissionen, als sie CO2 binden. Das gilt für Grünland, das umbrochen und als Acker statt als Weide genutzt wird. Vor allem gilt das aber für entwässerte Moorböden, auf denen jetzt Getreide wächst. Aus ihnen entweichen Methan und CO2, das rund 38 Millionen Tonnen CO2 im Jahr entspricht. Beim Torfabbau werden rund zwei Millionen Tonnen CO2 freigesetzt, und weitere 3,5 Millionen Tonnen dünsten aus Siedlungsflächen im Moor aus.

Die grüne Gentechnik dürfte bei der Bewältigung der Klimafolgen wenig helfen

Dabei ist es kein Naturgesetz, dass die Landwirtschaft weiterhin so hohe Emissionen haben müsste. Allein mit einer angepassten, präzisen Düngung, ließe sich eine Menge Lachgas sparen. Pflanzen unter Mulch wachsen zu lassen und eine humuserhaltende Bodenbearbeitung sind weitere Möglichkeiten, Treibhausgase besser zu speichern. Josef Braun, ein Biobauer aus Freising, stellte vor wenigen Tagen in Berlin bei der Herbsttagung des Bunds für ökologische Lebensmittelwirtschaft die Ergebnisse seiner Praxisversuche vor. Zum einen hat er angefangen, Agro-Forstwirtschaft zu betreiben, also neben Feldern und Weiden Bäume zu pflanzen. Das so erzeugte Holz kann zu Pellets verarbeitet werden, die Reste gehen in die Biogasanlage. Außerdem ist es ihm gelungen, auf seinen Äckern durch organische Düngung und pfluglose Bodenbearbeitung sogar wieder Humus zu bilden. Auch das hilft dem Klima.

Dass die grüne Gentechnik bei der Anpassung an den Klimawandel eine große Rolle spielen kann, bezweifeln die meisten Landwirtschaftsexperten. Bis heute gibt es keine dürreresistenten Pflanzen, weder aus konventioneller noch aus gentechnischer Züchtung.

Kühe rülpsen weniger, wenn sie anders fressen

In Marrakesch haben einige auch deutsche Firmen Futtermittelzusätze für Rinder vorgestellt, die das Rülpsen teilweise unterbinden sollen. Das bringt in der Summe allerdings nicht allzu viel Emissionsminderungen, hat das Karlsruher Forschungszentrum KIT errechnet. Bei rund 20 Milliarden Tieren weltweit wären das lediglich etwa fünf Millionen Tonnen CO2. Viel effektiver wäre es, weniger Fleisch zu essen. Derzeit beanspruchen Nutztiere rund ein Drittel der Landfläche zum Grasen. Ein Drittel des Ackerlandes wird für den Futtermittelanbau genutzt. Eine Minderung der Agrar-Emissionen um die Hälfte sei möglich, schätzt KIT- Professor Klaus Butterbach-Bahl.

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