zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Geburtsstunde eines neuen Königs der Lüfte

Mit gewaltigen Zeppelinen sollen Maschinenteile über die Weltmeere transportiert werden / Gebaut werden die "Cargolifter" bei BerlinVON THOMAS MAGENHEIM, MÜNCHENIst es ein Luftschloß oder die Geburtsstunde eines neuen Königs der Lüfte? Löst die Cargolifter AG, Wiesbaden, auf spektakuläre Weise die Schwertransportprobleme der Großindustrie oder enden ihre Visionen wie das Luftschiff Hindenburg 1937 in einem Desaster?

Mit gewaltigen Zeppelinen sollen Maschinenteile über die Weltmeere transportiert werden / Gebaut werden die "Cargolifter" bei BerlinVON THOMAS MAGENHEIM, MÜNCHEN

Ist es ein Luftschloß oder die Geburtsstunde eines neuen Königs der Lüfte? Löst die Cargolifter AG, Wiesbaden, auf spektakuläre Weise die Schwertransportprobleme der Großindustrie oder enden ihre Visionen wie das Luftschiff Hindenburg 1937 in einem Desaster? Cargolifter-Vorstand Carl-Heinrich Freiherr von Gablenz glaubt fest an die Faszination des Projekts.Vor seinem geistigen Auge fliegt ein 242 Meter langes und 61 Meter durchmessendes Monstrum von einem Luftschiff zur Weltausstellung Expo 2000 in Hannover durch die Lüfte.Vorgestellt wurde die Idee zur Messe Transport 97 in München. CL160 lautet der Name des waghalsig anmutenden Vorhabens.Cargolifter will riesige Fracht-Luftschiffe bauen, die übergroße Industriebauteile mit über 100 Tonnen Gewicht von einem Ende der Welt zum anderen befördern.Fünf Wochen dauert derzeit etwa der Transport einer Turbine made in Germany für ein Kraftwerk in der Pazifikregion, schildert der Logistikexperte der Mannheimer ABB Kraftwerke AG, Harald Haspel, das Ausgangsproblem.Zuletzt quält sich eine solche Fracht im Schneckentempo von fünf Kilometern pro Stunde über schlammige Straßen irgendwo in Asien."Es wird ein Nadelöhr geöffnet," schwärmt Cargolifter-Manager Karl Bangert über neue logistische Spielräume durch Zeppeline.Sie sollen die Lücke zwischen billigen, aber langsamen Schiffen und schnellen, aber teueren Flugzeugen schließen.Zeppeline können Bauteile direkt am Werk aufnehmen, nonstop an entlegendste Baustellen fliegen und punktgenau abladen.Die zehn führenden Großanlagenbauer Deutschlands müssen pro Jahr rund 300 Großtransporte durchführen, hat der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) berechnet.Sie bewegen ihre sperrige Schwerfracht im Mittel über 3800 Kilometer Distanz, mit 8,2 Kilometern pro Stunde und zahlen dafür insgesamt 60 Mill.DM. Der CL160 schafft 80 Kilometer pro Stunde bei 10 000 Kilometern Reichweite und 160 Tonnen Zuladung.Er wäre zehnmal schneller und auch billiger als herkömmliche Transportketten wie Lkw-Flugzeug-Lkw.Seine Dimensionen ähneln der Hindenburg.Ingenieure könnten künftig Riesenbauteile konstruieren, die heute sinnlos, weil nicht transportabel wären.Angedacht sind auch Frachtzeppeline mit 450 Tonnen Zuladung."Wir landen nicht", erklärt der Cargolifter-Aufsichtsrat und Wissenschaftler der Uni Stuttgart, Bernd Kröplin, den Clou des Projekts.Der Zeppelin schwebe über der Be- oder Entladestelle und funktioniert dabei wie ein fliegender Kran.An Seilen werde der 50 Meter lange, acht Meter hohe und breite Transport-Container abgelassen, um beladen zu werden.Er entspricht 36 Standard- Containern und sprengt das Volumen jedes Frachtflugzeugs.Das spart Flughäfen.Der CL 160 wird derzeit mit Behörden wie dem Luftfahrtbundesamt abgestimmt.Bodenständiger als die hochfliegenden Visionen sind die Entwicklungskosten, die von Gablenz auf 135 Mill.DM beziffert.Dazu kommen rund 100 Mill.DM für den Bau des Prototyps.Das nötige Risikokapital wird von Aktionären eingesammelt.Davon gibt es derzeit gut 230, mehr als die Hälfte Privatpersonen.Je 15 Prozent entfallen auf technische Aktionäre wie Ingenieurbüros, Spediteure wie Danzas oder Schenker und künftige Kunden wie Siemens oder ABB. Weitere Anleger wirbt Cargolifter virtuell und weltweit per Internet.Auf diesem unüblichen Weg hat die nicht börsennotierte Firma knapp 14 000 Aktien zum Preis von je 25 DM plaziert.Das Interesse sei rege.Eine jüngst beschlossene Kapitalerhöhung soll 50 Mill.DM bringen.Genehmigtes Kapital für nochmal 25 Mill.DM ist vorhanden. Noch steht nicht einmal die Werkshalle, die auf einem Ex-Militärflugplatz bei Brand, südlich von Berlin, 1998 entstehen soll.200 bis 250 Personen könnten ab 1999 dort am ersten Luftschiff bauen.Noch arbeitet die 1996 nach zweijährigen Vorarbeiten als Initiative des Anlagenbaus gegründete Firma ohne einen echten Mitarbeiter, räumt von Gablenz ein.Interessierte Anleger müssen sich vorerst mit Visionen zufriedengeben.Von Gablenz sagt das Überschreiten der Gewinnschwelle für 2002 voraus.Ein Jahr später sollen neun Transport-Luftschiffe fliegen.Bis 2010 sind 46 Zeppeline in der Planung.Ihnen stehe ein Markt von 600 Mill.Tonnen offen.Das seien zwölf Prozent des Weltmarkts für Schwertransporte zu See und per Flugzeug.Optimistisch sind auch ABB und Siemens in Sachen Cargolifter.Es seien nicht technische Bedenken, die die Konzerne eher im Hintergrund bleiben lassen, erklären beide.Der Transport von Großteilen in alle Welt schaffe immer größere Probleme.Logistik sei aber kein Kerngeschäft.ABB-Vorstand und Cargolifter-Aufsichtratschef Heinz Hermann hofft, beim Turbinentransport per Zeppelin bald von Monsun, vereisten Flüssen oder wackeligen Brücken unabhängig zu sein und führt eine VDMA-Machbarkeitsstudie an."Es ist realistisch," meint der ABB-Manager.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false