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Wirtschaft: Gefühl und Kalkül

Die Berliner Werbefirma pokert um einen Großauftrag in Hamburg. Ein Umzug ist eher unwahrscheinlich

Berlin - Hans Wall hat am Donnerstag seine Absicht bekräftigt, unter Umständen von Berlin-Brandenburg nach Hamburg zu ziehen. „Wenn ich von denen die richtigen Rahmenbedingungen kriege, gehe ich nach Hamburg“, sagte Wall am Donnerstag in Berlin, offensichtlich mit Blick auf den Vertrag über die Außenwerbung in Hamburg. Die Ausschreibung steht unmittelbar bevor, und Wall tritt wieder gegen den französischen Konzern Decaux an, der Wall gerade in Berlin die Werbetochter der Berliner Verkehrsbetriebe, VVR-Berek, vor der Nase weggeschnappt hatte.

Auch einen Tag nach der Verkaufsentscheidung war Wall voller Empörung. „Kinder, sind die käuflich, oder was?“, äußerte er sein Unverständnis über die Berliner Politiker. Wegen des höheren Kaufpreises hatte der Aufsichtsrat der landeseigenen BVG mit Finanzsenator Thilo Sarrazin an der Spitze den Verkauf der VVR-Berek für 103 Millionen Euro an den französischen Konzern Decaux beschlossen. Wall hatte rund 35 Millionen Euro weniger geboten. Dass er auf seinem Heimatmarkt nicht zum Zuge gekommen ist, bewertete Wall als „Ausverkauf von Berliner Interessen“. Er habe von der Politik „nie gewollt, dass wir besser behandelt werden“. Sein Ziel sei es nur, „Rahmenbedingungen für Wachstum zu bekommen“. Hartmann Kleiner, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg und Mitglied des BVG-Aufsichtsrats, konnte Walls Vorwürfe „nicht nachvollziehen“. Das Vergabeverfahren sei einwandfrei verlaufen.

Nachdem Wall bereits am Mittwochabend mit dem Umzug des Berliner Firmensitzes und der Produktion im brandenburgischen Velten nach Hamburg gedroht hatte, hätten ihn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) angerufen. Wowereit habe sich am Ende des Gesprächs mit den Worten verabschiedet, „Okay, moin, moin, mal ein bisschen drüber schlafen“, erzählte Wall und gab sich unermüdlich. „Wenn es um die Zukunft der Wall AG geht, habe ich keine Zeit zum Schlafen.“

Schwere Vorwürfe richtete der 64-jährige Wall, der sich gemeinsam mit seinem 40-jährigen Sohn und designierten Nachfolger Daniel der Presse stellte, an den Decaux-Konzern. „Seit Monaten werde ich von dem französischen Werbemilliardär bedrängt, kein Angebot in Hamburg abzugeben.“ Für den Fall habe Decaux angeboten, seinerseits in Berlin bei der VVR-Berek Wall den Vortritt zu lassen. Diese Version wies wiederum Jean-Francois Decaux zurück. „Es hat kein Gespräch gegeben mit Herrn Wall mit dem Ziel, dass wir nicht in Berlin und er nicht in Hamburg am Bieterverfahren teilnehmen“, sagte Decaux dem Tagesspiegel. Er betonte die „enorme strategische Bedeutung des Berliner Marktes“ für sein Unternehmen (siehe Artikel rechts). In Hamburg habe Wall „genauso eine Chance wie wir in Berlin“.

Decaux hält 35 Prozent der Anteile an Wall und würde gerne die Mehrheit übernehmen, doch „auch wenn man uns 300 Millionen Euro anbietet, wir geben die Mehrheit an unserem Unternehmen niemals ab“, sagte Hans Wall. Er sei bereit gewesen, für die Übernahme von VVR-Berek das Unternehmen mit 140 Millionen Euro zu verschulden. Ferner habe Wall die finanziellen Möglichkeiten, die Ausschreibung in Hamburg zu gewinnen sowie die 35 Prozent von Decaux zurückzukaufen. Sein Unternehmen sei in der Lage, 250 Millionen Euro zu mobilisieren, sagte Wall. Er bekräftigte ferner das Ziel, 2009 an die Börse zu gehen.

Ein möglicher Umzug nach Hamburg sei für die Mitarbeiter kein Problem, da Hamburg ja eine „Nachbarstadt“ sei und „man da fast jeden Tag hinfahren kann“. Zur Not „werden wir unseren Leuten das doppelte Gehalt zahlen“, meinte Wall. Nach Aussage des Betriebsratsvorsitzenden Jörg Knepper steht ein Umzug aber nicht wirklich an. Wall habe ihm zugesichert, für den Fall, dass Wall den Zuschlag für Hamburg bekommt, die dort aufzustellenden Stadtmöbel in Hamburg montieren zu lassen. Die Teile dafür sollten aber in Velten produziert werden.

In Hamburg wird das „ausschließliche Recht“ ausgeschrieben, „auf Staatsgrund der Stadt Werbung zu betreiben“. Dabei geht es unter anderem um 650 Litfaßsäulen, 300 Großflächen und 200 Bushäuschen. Um diesen Auftrag, dessen Volumen auf bis zu 800 Millionen Euro geschätzt wird, will Wall kämpfen. „Wir bewerben uns mit zwei Weltneuheiten, und die Konkurrenz hat schon Angstschweiß auf der Stirn“, sagte Wall. Er rechne sich gute Chancen aus, weil „wir die besten Produkte haben“. Und weil er den Hamburgern eine andere Vergabepraxis zutraut als den Berliner VVR- Berek-Verkäufern. „Ich glaube nicht, dass eine Stadt wie Hamburg nur auf Geld aus ist.“ In Hamburger Behördenkreisen hieß es, die Auftragsvergabe erfolge unabhängig von möglichen Firmenansiedlungen.

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