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Wirtschaft: Gelbe Karte für Schwarz-Rot

Institute fordern mehr Reformen von der Regierung

Berlin - Die sechs großen Wirtschaftsinstitute haben die Bundesregierung aufgefordert, den Aufschwung für durchgreifende Erneuerungen zu nutzen. „Vorrang sollten Reformen haben, die das Wachstumspotenzial erhöhen und für mehr Beschäftigung sorgen“, sagte Eckhardt Wohlers, Konjunkturchef des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA) am Donnerstag bei der Vorlage des Frühjahrsgutachtens in Berlin. Vor allem in der Arbeitsmarkt- und der Finanzpolitik gebe es Handlungsbedarf. Bislang habe die Koalition, abgesehen von einer Verbesserung der Stimmung, nichts zum Aufschwung beigetragen. „Da müsste wesentlich mehr getan werden“, befand Wohlers.

Im Auftrag der Regierung prognostizieren die Forscher zweimal im Jahr die Wirtschaftsentwicklung – sie kommen von Instituten in Berlin, Essen, Halle (Saale), Hamburg, Kiel und München. In diesem Jahr soll die deutsche Wirtschaft um 1,8 Prozent wachsen, im kommenden um 1,2 Prozent. Optimistischer für das kommende Jahr ist allerdings das Ifo-Institut: Es erwartet ein Plus von 1,7 Prozent, da sich der Aufschwung trotz der höheren Mehrwertsteuer verfestigen werde.

Die Ökonomen bemängelten, dass die Regierung mit ihrer Steuerpolitik der Konjunktur schade. Die um drei Prozentpunkte höhere Mehrwertsteuer ab 2007 werde das Wachstum um einen halben Punkt drücken. Die Abgabenlast müsse aber sinken. Statt die Einnahmen zu erhöhen, solle die Regierung lieber die Ausgaben senken. Dies sei möglich durch einen Abbau von Subventionen. Als Beispiele nannten die Fachleute die Steuerfreiheit von Feiertags- und Nachtzuschlägen. Insgesamt gebe es hier ein mittelfristiges Potenzial von 50 Milliarden Euro. Dies könne der Staat nutzen, um die Ausgaben für Investitionen sowie für Forschung und Entwicklung zu erhöhen, die seit Jahren rückläufig sind. Dies werde auf Dauer dem Wachstum nützen.

Als eine der wichtigsten Reformen nannten die Institute ein neues System der Unternehmensbesteuerung. Die Regierung plant dies für 2008. „Das bestehende System ist nicht reformierbar“, sagte Joachim Scheide vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Es sei international am wenigsten transparent und effektiv. Würde Schwarz-Rot allerdings bei dem Ziel einer aufkommensneutralen Reform bleiben, würde die Regierung „eine Chance zur Verbesserung der Standortbedingungen nicht nutzen“. Wenn man schon die Mehrwertsteuer anheben wolle, dann solle man 2008 einen Punkt des Aufkommens für die Gegenfinanzierung dieser Reform verwenden.

Zur Arbeitsmarktpolitik schreiben die Institute, hier herrsche „Stillstand“. Die Ausgaben für die Hartz-IV-Reform liefen aus dem Ruder, hier müsse nachgesteuert werden. Auch bei den ersten Hartz-Reformen, die sich als in weiten Teilen nicht wirksam erwiesen hätten, seien Verbesserungen und Einsparungen nötig.

Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sagte zu dem Gutachten, die Wirtschaftsentwicklung werde insgesamt robuster. Am heutigen Freitag will er die neue Wachstumsprognose der Regierung vorstellen. Sie soll bei 1,5 oder 1,6 Prozent liegen.

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