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Verkaufen! Obwohl sich die Börse im vergangenen Jahr gut entwickelte, stecken immer weniger Deutsche ihr Geld in Aktien.

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Geldanlage: Warum es in Deutschland immer weniger Aktionäre gibt

Immer weniger Deutsche legen ihr Geld in Dividendenpapiere an. Grund für das sinkende Interesse an der Aktienanlage ist nach Ansicht des Deutschen Aktieninstituts die steuerliche Diskriminierung von Aktiengewinnen.

Frankfurt am Main - Die Zahl der Aktionäre in Deutschland ist im zweiten Halbjahr 2010 deutlich zurückgegangen. Und das trotz der positiven Entwicklung an der Börse – im letzten Jahr hatten der Dax um 16 Prozent und der M-Dax um knapp 35 Prozent zugelegt. Trotzdem haben fast eine halbe Million Deutsche zwischen Juli und Dezember vergangenen Jahres der Aktienanlage den Rücken gekehrt. Ende 2010 besaßen nur noch 3,42 Millionen oder 5,23 Prozent der Bundesbürger über 14 Jahre direkt Aktien. Dies berichtete das Deutsche Aktieninstitut (DAI) am Dienstag. Indirekt über Fonds waren es 8,2 Millionen oder 12,6 Prozent. Im ersten Halbjahr 2010 hatte die Zahl noch bei gut 8,6 Millionen gelegen. „Das ist ein schwerer Rückschlag für die Aktienakzeptanz und für die private Altersvorsorge,“ sagt Rüdiger von Rosen, Geschäftsführender Vorstand des DAI.

Grund für das sinkende Interesse an der Aktienanlage ist nach Ansicht des DAI die steuerliche Diskriminierung von Aktiengewinnen in Deutschland. Seit Anfang 2009 werden Dividenden und Kursgewinne mit einer Abgeltungssteuer von 25 Prozent belegt. Zusammen mit dem Solidaritätszuschlag und der Kirchensteuer ergibt sich für Aktienerträge sogar eine Belastung von fast 28 Prozent. „Aktienerträge müssten komplett steuerfrei sein und zumindest teilweise freigestellt werden,“ wiederholt Rosen eine alte Forderung des DAI. Bis Ende 2008 galt dies, wenn die Aktie mindestens ein Jahr gehalten wurde. Im europäischen Vergleich liegt die Abgeltungssteuer in Deutschland mit an der Spitze. Zudem gewähren andere Länder Aktiensparern steuerfreie Kursgewinne nach einem halben oder einem Jahr.

Nach Ansicht des DAI sind Aktienerträge gegenüber Zinsen klar benachteiligt, weil der Staat zwei Mal kassiert: Zum einen über die Körperschaftssteuer direkt bei den Unternehmen, zum anderen noch einmal beim Anleger über die Dividende. Diese Doppelbesteuerung müsse beendet werden, fordert Rosen. Mit den jüngsten Zahlen entpuppt sich Deutschland weiter als Entwicklungsland in Sachen Aktien. In anderen großen Industrieländern sind die Aktionärsquoten deutlich zweistellig. In den Niederlanden sind es 30, in Japan 28, in den USA 25, in Japan 28, in Großbritannien 23, in der Schweiz 20 und in Frankreich rund 15 Prozent.

In Deutschland dagegen haben selbst die guten Entwicklungen der Börse 2009 und 2010 sowie die durchweg positiven Aktienmarkt-Prognosen für 2011 die Anleger nicht an die Börse locken können. Jüngste Umfragen hatten bei Börsianern noch die Hoffnung genährt, dass im Wirtschaftsaufschwung die Aktie als Geldanlage wieder gefragter werden würde. Doch das Gegenteil ist eingetreten: 476 000 Bundesbürger verkauften ihre Aktien oder Aktienfonds in den letzten sechs Monaten.

Noch weniger als die momentan 8,2 Millionen Aktienbesitzer in Deutschland gab es nur auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2009. Gegenüber dem Höchststand beim Aktienbesitz im Jahr 2001 von rund 13 Millionen Aktienanlegern registriert das DAI bei Aktien einen dramatischen Einbruch von 45 Prozent und bei Aktienfonds sogar von 52 Prozent. Über die Gründe für die Entwicklung sind sich die Experten nicht einig. DAI-Chef Rosen vermutet, dass viele offenbar die Kurse schon für zu hoch halten, andere die Verluste aus dem Einbruch der Kurse von 2008 einigermaßen ausgeglichen und sich deshalb von ihren Anteilen getrennt hätten. „Allerdings ist auch die Gruppe der generell Enttäuschten offenbar erheblich. Insgesamt haben die Kurssteigerungen 2009 und 2010 die Aktienakzeptanz nicht wesentlich gefestigt.“ Nach wie vor gebe es gegenüber der Aktienanlage bei den Bundesbürgern grundsätzliche Bedenken.

Nach Ansicht des DAI müssen die jüngsten Zahlen Politik, Wirtschaft und Kreditwirtschaft aufrütteln. „Die Aktie ist als Baustein der ergänzenden Altersvorsorge unverzichtbar. Das liegt auch im Interesse des Staates“, so Rosen. Neben dem Abbau der steuerlichen Diskriminierung der Aktienanlage müsse auch die ökonomische Bildung verbessert werden. „Da gibt es immer noch große Missstände. Sie ist nach wie vor völlig unzureichend,“ klagt Rosen.

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