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Wirtschaft: Gesamtmetall: Der neue Chef heißt Martin Kannegiesser

Bloß keinen Radau. Martin Kannegiesser ist auf Ausgleich bedacht.

Bloß keinen Radau. Martin Kannegiesser ist auf Ausgleich bedacht. Ein Mann der Kooperation, nicht der Konfrontation, wie Friedhard Fichtner sagt. Fichtner ist Betriebsratsvorsitzender der Herbert Kannegiesser GmbH + Co, der Firma Martin Kannegiessers. Vor ein paar Jahren ging es dem Unternehmen schlecht. Der Firmenchef überlegte, einen Teil der Produktion nach China oder Kroatien zu verlagern. Doch stattdessen, so berichtet Fichtner, suchten und fanden der Boss und seine Betriebsräte gemeinsam Mittel und Wege, um die Kosten am westfälischen Stammsitz zu senken und die Produktion effizienter zu gestalten. Das Heimatwerk Vlotho behielt die Vorfertigung, das Miteinander von Mitarbeitern und Management funktionierte.

Am heutigen Freitag wird der mittelständische Unternehmer aus dem ostwestfälischen Vlotho zum Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall gewählt, dem tarifpolitisch bedeutsamsten Verband der Republik. Kannegiesser folgt auf den 63-jährigen Werner Stumpfe, der den Posten des hauptamtlichen Präsidenten nach fünf Jahren räumt. Künftig wird es wieder ein Haupt- und ein Ehrenamt an der Gesamtmetallspitze geben. Als Hauptgeschäftsführer, zuständig für das Tagesgeschäft, fungiert künftig der frühere Metallverbandschef in Norddeutschland, Hans Werner Busch. Kannegiesser will als Präsident "grundsätzliche politische Weichenstellungen vorbereiten, durchsetzen und nach innen wie außen vermitteln".

Weichensteller, Vermittler, Moderator - Engagement und sozialpolitische Ambitionen waren bei Kannegiesser, der gerne Politiker geworden wäre, früh entwickelt. 1941 in Posen geboren, verschlug es Martin mit seinen Eltern in den Nachkriegsjahren ins Westfälische. In Bad Oeynhausen machte er Abitur, als Bezirksschulsprecher engagierte er sich für die Schüler, denen er als Herausgeber von zwei Schülerzeitungen auch ein Forum schuf. In der CDU-Mittelstandsvereinigung rückte Kannegiesser bis in den Bundesvorstand; seit Mitte der 90er Jahre führte er den Metallverband in NRW und handelte in diesem Frühjahr überraschend einen Tarifvertrag mit Pilotfunktion aus.

Dass aus Kannegiesser kein Politiker wurde, hängt wohl mit der Geschichte des 1948 von Vater Herbert gegründeten Familienunternehmens zusammen. In den 60er Jahren, Martin leitete damals den Vertrieb, das Unternehmen machte mit Hemden-Bügelmaschinen rund 15 Millionen Mark Umsatz, gab es die erste Krise, als das bügelfreie Hemd auf den Mark kam. Neue Produkte retteten das Unternehmen. Als der Vater erkrankte, übernahm Martin 1970 die Führung, und nach dem Tode Herbert Kannegiessers vier Jahre später 95 Prozent der Geschäftsanteile; fünf Prozent liegen bei der Mutter Irma, die maßgeblich am Aufbau des Geschäfts, insbesondere des Exports, beteiligt war und auch heute noch, mit über 80 Jahren, im Unternehmen präsent ist. Kannegiesser ist heute weltweit führender Anbieter von Wäschereitechnik - von der Schleudermaschine über die Bügel- und Sortiertechnik. Kunden sind Krankenhäuser und Knäste, Hotels und Textilhersteller. Mit 800 Mitarbeitern an sechs deutschen Standorten erwirtschaftet die Firma 250 Millionen Mark Umsatz.

Der Inhaber sieht sein Haus gut bestellt, die Mannschaft ist intakt, so dass er sich dem präsidialen Amte zuwenden kann. Nach eigenen Angaben investierte Kannegiesser bislang 20 Prozent seiner Zeit für den Verband, künftig sollen auf Gesamtmetall und die Firma jeweils 50 Prozent entfallen. Und die Schwerpunkte des neuen Präsidenten? Kannegiesser weist auf die heterogene Struktur in der Metall- und Elektroindustrie hin, die Vielfalt müsse stärker berücksichtigt werden. Andere Arbeitsformen und -organisationen bildeten sich heraus, deshalb sei eine Kernfrage, "wie wir die Arbeitsbeziehungen gestalten, wie wir in den Betrieben miteinander umgehen".

Dabei sieht er durchaus die Probleme in den Großorganisationen Gesamtmetall und IG Metall, "die beide ihr Selbstverständnis vor allem aus der Tradition ableiten", also zu wenig zukunftsorientiert seien. Die Legitimation der Verbände steht indessen für Kannegiesser außer Frage: "In einem bestimmten gesellschaftlichen Umfeld braucht man Gemeinsamkeiten, Normen, Verbindlichkeiten" - eine Aufgabe der Verbände, die aber künftig "mehr Beratung, Qualifizierung und Differenzierung" leisten müssten. Und zwar gemeinsam: "In der Bewusstseinsbildung müssen wir mit der IG Metall im Gleichschritt gehen." Auch deshalb, damit die IG Metall "nicht zu einer Interessenvertretung für Geringqualifizierte" verkommt. So wie die Gewerkschaft oder die Funktionäre zunehmend die Belange der Betriebsräte zu berücksichtigen hätten, so müsse sich der Verband mehr als bislang um das einzelne Unternehmen kümmern. Auch im Rahmen des Flächentarifvertrags, der größere Spielräume für einzelne Branchen oder die Betriebsparteien anbieten solle. Doch am Flächentarif hält Kannegiesser grundsätzlich fest: "Atomisierung liegt nicht im Interesse des Einzelnen, der Wirtschaft und des ganzen Landes."

Der Zusammenarbeit mit seinem künftigen Partner und Gegner Klaus Zwickel - "ein Mann mit großer, auch politischer Erfahrung" - sieht er gelassen entgegen. "Entweder wir gehen vernünftig und sachbezogen miteinander um, oder wir werden irgendwann überflüssig." Bei der IG Metall scheint man sich über den neuen Arbeitgeberchef zu freuen, denn "was Negatives gibt es über ihn überhaupt nicht zu sagen", heißt es bei Gewerkschaftern. Und alles weitere, da sind sich die Verbandsleute auf beiden Seiten einig, wird die Zusammenarbeit zeigen.

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