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Wirtschaft: Globalisierung: Die neuen Dompteure der Märkte

Für Wirtschaftspolitiker werden die Zeiten härter. Das Wachstum ist am Nullpunkt, die Arbeitslosigkeit wächst, die Börsen stürzen immer tiefer.

Für Wirtschaftspolitiker werden die Zeiten härter. Das Wachstum ist am Nullpunkt, die Arbeitslosigkeit wächst, die Börsen stürzen immer tiefer. Ein Patentrezept gegen die Kumulation der Krisen hat niemand. Das verunsichert die Bürger - ist die Politik etwa machtlos? Zieht uns die Globalisierung, die immer engere Verflechtung der Wirtschaftsblöcke, immer tiefer in den Abgrund? War es falsch, den Märkten so viel Macht anzuvertrauen? Verstärken das unberechenbare, um die Welt vagabundierende Anlagekapital und der Druck multinationaler Unternehmen die Probleme nicht zusätzlich? Das Unbehagen der Menschen vor dem beschleunigten Kapitalismus wächst, das haben die Politiker auf den Wirtschaftsgipfeln von Seattle bis Genua mitbekommen. Daran werden sie auch im September wieder erinnert: Am Rande der Treffen der EU-Wirtschafts- und Finanzminister in Brüssel und von Weltbank und Währungsfonds in Washington werden auch die Globalisierungskritiker auf sich aufmerksam machen.

Politiker, die wiedergewählt werden möchten, müssen Stimmungen ihrer Bürger aufnehmen und verarbeiten - so diffus sie auch sein mögen. Das tun immer mehr deutsche Parteien und Parlamentarier; sogar Regierungschefs, etwa Frankreichs Premier Lionel Jospin und vergangene Woche auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). "Ernst nehmen" müsse man die Ängste, sagte er. Die Politik sei übrigens angesichts der Globalisierung keinesfalls ohnmächtig, "sie entscheidet und sie handelt".

Gehören solche salbungsvollen Worte zum Geschäft? Oder besinnt sich die Politik ihrer Macht und weist die gierigen Märkte, die ungerechte Globalisierung in die Schranken? Das zu suggerieren wäre Betrug am Wähler. Denn gerade die Schröder-Regierung hat der Internationalisierung der Wirtschaft Vorschub geleistet, Kritik daran gab es nach der Demission Oskar Lafontaines nicht. Beispiel eins: die Steuerreform. Sie hat Großkonzerne über Gebühr entlastet und ihnen die Entflechtung ihrer Beteiligungen erleichtert - das begünstigt grenzüberschreitenden Kapitaltransfer und Firmenübernahmen. Beispiel zwei: die Rentenreform. Mit dem Einstieg in die kapitalgedeckte Rente macht sich die Gesellschaft stärker von den Finanzmärkten abhängig. Und ausgerechnet in der vergangenen Woche hat die Koalition ein Gesetz vorgelegt, das die Rechte von Anlegern stärken und sie ermutigen soll, ihr Geld an den Börsen zu mehren.

Nein, ein plötzliches Bekenntnis der Politik zur Zügelung der Märkte wäre unglaubwürdig. Gerade, wenn es von Schröder und Jospin käme, den Repräsentanten Europas mächtigster Wirtschaftsnationen. Sie hätten in der Vergangenheit handeln können, was auch wünschenswert gewesen wäre - Steueroasen, Geldwäsche, Umweltzerstörung sind nur einige Beispiele. Aber sie haben nichts getan. Auf anderen Feldern haben sie bewusst nicht gehandelt: Eine Öffnung der EU-Agrarmärkte für Produkte aus der Dritten Welt fand aus Angst vor der Bauernlobby nicht statt, der Schuldenerlass war wenig großzügig, die Entwicklungshilfe-Etats der reichen Länder sind weiterhin mickrig. Eine dürftige Bilanz also. Die einzige Instanz, die in den vergangenen Jahren versucht hat, die Globalisierung mitzugestalten, waren die Kartellbehörden. Sie haben manche Großfusion vereitelt, welche zu einer ungesunden Machtfülle von Großunternehmen geführt hätte. Kartellbehörden werden bezeichnenderweise von Beamten geführt, nicht von Politikern.

Außerdem sollten Schröder und Jospin ihren Einfluss auf den Prozess der Globalisierung nicht überschätzen. Die Einführung einer Tobin-Steuer auf Devisengeschäfte, die Lieblingsidee der Globalisierungskritiker, ist bekanntlich Utopie, denn jedes noch so kleine Land der Welt müsste ihr zustimmen. Die weltweite Verflechtung ist zudem das Ergebnis jahrelanger Entwicklung und internationaler Abkommen, sie lässt sich nicht über Nacht per Aktionsprogramm zurückdrehen. Ein solches könnte übrigens schnell zum Bumerang werden, denn Deutschland und Frankreich profitieren in nicht geringem Maße von der Globalisierung. Und noch weniger Wachstum würde die Wirtschaftspolitiker noch mehr in die Bredouille bringen.

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