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Schuldenkrise: Griechische Lehre

Als Konsequenz aus der Griechenlandkrise will die EU-Kommission die Wirtschaftspolitik der Euro-Länder künftig besser kontrollieren. Das kündigte Wettbewerbskommissar Olli Rehn an. Was plant er genau?

Aus seiner Vergangenheit als Mitarbeiter der finnischen Regierung hat am Mittwoch der EU-Währungskommissar Olli Rehn berichtet. Der Finne machte Mitte der 90er Jahre seine schwerste Wirtschaftskrise durch, Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds waren in Helsinki zu Gast, und Rehn musste morgens nach dem Blick auf die Börsenkurse mehrfach fragen: „Haben wir heute genug Geld, um unsere Beamten zu bezahlen?“ Unangenehm sei das gewesen, berichtete der Kommissar am Mittwoch, „in so einer peinlichen Lage zu sein“.

So wie Finnland damals geht es derzeit vielen EU-Staaten – allen voran Griechenland, für dessen akute Haushaltsnotlage die 16 Finanzminister der Euro-Zone erst am Wochenende einen 30 Milliarden Euro schweren Notfallplan entworfen hatten. Offensichtlich wollten die Kassenwarte nicht nur vor Börsenöffnung am Montag Vollzug melden, sondern das Thema Griechenland auch abräumen, bevor sie von Freitag bis Sonntag in Madrid zusammenkommen. Dort soll Raum sein für das viel wichtigere Thema: die politischen Lehren aus der Euro-Krise.

Den langfristigen Kurs hat der EU-Gipfel Ende März festgelegt. Eine Arbeitsgruppe unter Leitung des ständigen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy wird bis Jahresende Vorschläge für eine dauerhafte Stabilisierung des gemeinsamen Währungsraumes vorlegen – auch solche, die eine Änderung der europäischen Verträge erfordern. Dass die Krise aber auch eine kurzfristige, also ohne EU-Vertragsänderung umsetzbare Reaktion der Politik braucht, ist allen klar. „Die griechische Krise“, so Rehn, „hat klar gezeigt, dass die dringende Notwendigkeit besteht, die wirtschaftspolitische Zusammenarbeit und Überwachung zu verstärken.“ Genau das ist am Freitag auch der erste Tagesordnungspunkt beim EU-Finanzministertreffen in Madrid.

Mit welchen Vorstellungen der EU- Währungskommissar in das Treffen geht, hat er nun erstmals grob umrissen. Ein konkreter Vorschlag folgt allerdings erst am 12. Mai, um die in der spanischen Hauptstadt geäußerten Ideen der nationalen Minister berücksichtigen zu können. Drei Punkte jedoch kristallisieren sich nach der gestrigen Debatte in der wöchentlichen Sitzung der EU-Kommission heraus. Drastisch verschärft werden die Strafen für Verstöße gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt, der die Drei- Prozent-Marke des Bruttoinlandsprodukts als Höchstgrenze für die staatliche Neuverschuldung enthält. Das Defizitverfahren sieht Geldstrafen bisher nur als allerletzte Maßnahme vor. Bis es so weit ist, können mitunter Jahre vergehen. Das Abschreckungspotenzial ist zudem nicht sehr groß, da die EU-Kommission bei der Bewertung der nationalen Programme einen erheblichen Ermessensspielraum hat – und diesen in der Vergangenheit auch nutzte. Kurz: Spätestens seit der Aufweichung des Paktes, wie sie unter anderem der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) betrieb, ist er kein scharfes Schwert mehr. Künftig sollen nach Rehns Vorstellungen bestimmte Sanktionen „automatisch“ greifen.

Teil des Kommissionsvorschlags wird eine Aussetzung der europäischen Mittel aus den sogenannten Kohäsions- und Strukturfonds sein, wenn EU-Staaten mehrfach gegen die Defizitkriterien verstoßen. Dahinter verbirgt sich der nach dem Agrarbudget zweitgrößte Posten im EU-Haushalt. Die Drohung, diese Milliarden zurückzuhalten, dürfte somit sehr wirksam sein. Die geforderte Brüsseler Mitsprache bei der Aufstellung der nationalen Haushalte, für die sich Rehn schon vor einigen Wochen Kritik einhandelte, bleibt politisch und verfassungsrechtlich umstritten. Die spanische Ratspräsidentschaft hat die „wachsende Bedeutung der nationalen Etatplanung“ neben der Suche nach einem geeigneten Zeitpunkt zum Ausstieg aus den milliardenschweren Konjunkturprogrammen für das Finanzministertreffen am Wochenende auf die Tagesordnung gesetzt.

In Madrid sollen zudem die Unterschiede bei der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den einzelnen EU-Staaten angesprochen werden. Ein Thema, mit dem auch Deutschland vor einigen Wochen konfrontiert wurde, als die französische Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde sich beschwerte, die deutsche Wirtschaft wachse auf Kosten anderer europäischer Volkswirtschaften. Vorrangig wird an ein Alarmsystem gedacht, bei dem weniger wettbewerbsfähige Staaten gewarnt werden, wenn bestimmte Indikatoren ihrer Volkswirtschaft eine ökonomische Krise andeuten. Dieser Alarm soll sie zum Handeln ermuntern. Grundzüge dieses Warnsystems sind im Lissabonner Vertrag verankert. Umstritten ist, ob auch Staaten gewarnt werden sollen, wenn sie zu erfolgreich sind.

Rehn rechnet damit, dass die Umsetzung der ersten beiden Punkte viele Krisen vermeiden helfen würde. Falls nicht, solle analog zum griechischen Rettungspaket „ein ständiger Krisenlösungsmechanismus“ geschaffen werden – darin sei sich die EU-Kommission einig. Dies knüpft im Prinzip an den Vorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an, der schon vor Wochen einen Europäischen Währungsfonds gefordert hatte. Inwieweit ein solches Instrument auch ohne Vertragsänderung geschaffen werden kann, ist allerdings unklar. „Der geltende Vertrag lässt jede Menge Raum für Fortschritte“, sagt Rehn, der aber im Sinne Merkels „die Bedingungen für dieses neue Sicherheitsnetz so unattraktiv gestalten will, dass es keiner freiwillig nutzt“. Schließlich wisse er aus eigener Erfahrung: „Niemand macht das freiwillig, weil es in gewisser Weise auch erniedrigend ist.“

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