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Neben Würsten und einem Steak liegen auf dem Grillrost auch Tomaten, Paprika, und Rosmarin.

© IMAGO

Hersteller und Verbraucher entdecken das Grillen neu: Grill Royal

Das Fünf-Euro-Modell reicht vielen heute nicht mehr aus. Die mobile Feuerstelle im Garten ist zum Statussymbol geworden.

Feuer ist out. Offenes jedenfalls. Der moderne deutsche Griller röstet seine Nahrung nicht in den Flammen, sondern gart sie im Heißluftstrom, auf einem Grill mit Deckel. Vorbei die Zeiten, in denen Männer mit Bauchansatz im Rippunterhemd fetttriefende Schweinenackensteaks auf einem qualmenden Billiggrill wendeten und mit Bier übergossen. Der Grillmeister von heute darf auch gerne mal eine Grillmeisterin sein und Gemüse auf den Rost legen oder einen Kuchen mit flüssigem Schokoladenkern zubereiten.

Ob das tatsächlich so ist, weiß niemand so richtig. Aber der Industrie, den Herstellern von Grills und Zubehör, gefällt dieses Bild. Schließlich verdienen sie an schicken Kugel-Holzkohle-, Gas- und Elektrogrills mehr als an Fünf-Euro-Feuerschalen von der Tankstelle. Der durchschnittliche Grillkäufer lässt etwa 800 Euro im Laden von Ebbo Christ. Seit Jahren beobachtet Christ einen Trend zu höherwertigen Geräten. Er verwendet gern einen Vergleich, um zu verdeutlichen, wie sich die Zeiten gewandelt haben. „In den 80er Jahren hätte kaum ein Verbraucher mehr als 15 oder 20 Mark für eine Kaffeemaschine ausgegeben. Heute stehen in vielen Haushalten Vollautomaten für 800 oder 900 Euro.“ Christ kennt sich aus. Er betreibt zwei Geschäfte in Süddeutschland und ist Geschäftsführer der German Barbecue Association. Der Verein, bestehend aus Grillherstellern, -verkäufern, Fleischern und Partyveranstaltern, hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Grillen in Deutschland eine kulturelle Note zu verleihen.

Jedes Jahr nehmen Zehntausende an Grillkursen teil

Gute und gesunde Ernährung sei für viele Menschen heute wichtiger als früher. Jedes Jahr nehmen Zehntausende an Grillkursen teil, in denen sie die richtige Zubereitung lernen – entsprechend wichtig seien auch die Geräte, mit denen die Nahrung zubereitet werde. Rund 1,4 Milliarden Euro gaben Verbraucher hierzulande im vergangenen Jahr rund um die mobile Feuerstelle im Freien aus, 2011 waren es noch knapp 1,1 Milliarden Euro gewesen. Zum Vergleich: Der gesamte deutsche Einzelhandel setzt im Jahr rund 428 Milliarden Euro um. Etwa zwei Drittel der Umsätze in der Grillbranche entfallen nach Angaben des Herstellerverbandes Biag auf Grills. Den übrigen Erlös teilen sich die Hersteller von Grillzangen, Fischhaltern, Ratgeber-Büchern, Anzündern oder Holzkohle.

Die Zuwachsraten seien im abgelaufenen Jahr in einigen Segmenten zweistellig gewesen, sagt Biag-Geschäftsführer Norbert Jedrau. Vor allem beim Zubehör schlagen Grillfreunde zu. „Hier haben wir eine Wachstumsrate von über 20 Prozent“, stellt Jedrau fest. Anspruch auf Vollständigkeit erhebt der Verband bei seinen Zahlen nicht, weil nicht alle großen Hersteller Mitglieder sind. Die Umsätze seien jedoch hochgerechnet auf den Gesamtmarkt. Die großen Hersteller geben sich bei genauen Zahlen eher zugeknöpft. Landmann, nach eigenen Angaben mit 30 Prozent Anteil Marktführer hierzulande, verkauft europaweit rund drei Millionen Geräte, nennt aber keine Wachstumsraten. Der US-Konzern Weber-Stephen bezeichnet sich zwar als der weltweit größte Grillhersteller, will sich aber zur konkreten Geschäftsentwicklung in Deutschland nicht äußern. „Unser Umsatzwachstum liegt konstant im zweistelligen Bereich“, sagt Deutschland-Geschäftsführer Frank Miedaner.

Holzkohle ist beim Grillen immer noch der Favorit

Am liebsten grillen die Deutschen nach wie vor auf Holzkohle. Nach einer Erhebung, die Weber-Stephen im vergangenen Jahr veröffentlichte, nutzen vier von fünf Grillern diese Hitzequelle. Knapp die Hälfte der Befragten besitzt ebenfalls einen Elektrogrill, etwa jeder sechste grillt mit Gas. Letztere Garmethode sei in Deutschland „deutlich auf dem Vormarsch“. Ebbo Christ bestätigt diesen Trend. Die Mehrheit seiner Kunden entscheide sich inzwischen für ein Gerät mit Gasbrenner, sagt der Händler, der im Jahr etwa 2000 Grills verkauft. Rein geschmacklich ist es seiner Erfahrung nach völlig egal, für welche Methode sich ein Käufer entscheidet. Bei richtiger Zubereitung könne der Konsument nicht unterscheiden, ob ein Steak über glühender Kohle, mit der Gasflamme oder mit elektrisch erzeugter Hitze gebraten wurde. Wichtig sei, dass der Grill über eine Haube verfüge, so dass Fleisch, Fisch, Gemüse oder auch Obst gleichmäßig von allen Seiten Hitze bekommen. „Als Händler teste ich natürlich möglichst alles, was auf dem Markt ist“, sagt Christ. „Privat würde ich aber mit Gas grillen.“

Die Anschaffung wird so eine Frage der persönlichen Überzeugung – und des Preises. Brauchbare Holzkohlegrills gibt es ab 150 bis 200 Euro aufwärts. Kleine Gasgrills guter Qualität sind ab 200 Euro, gehobene Modelle ab 500 Euro zu haben. Nach oben gibt es kaum eine Grenze. Professionelle Gasgrills können mit 15 000 bis 20 000 Euro auch schon mal so teuer werden, wie ein Familien-Mittelklasseauto. Am anderen Ende der Skala drängen Baumärkte und Discounter in den Markt. Sie bieten saisonal Modelle etwa mit Gasbetrieb an, die deutlich billiger als im Fachhandel sind. „Ich kann nicht sagen, die Geräte taugen nichts“, sagt Christ. Aber bei einer Anschaffung von mehreren hundert Euro suchten die Leute Fachberatung und Qualität. Insofern beobachtet er die Billigkonkurrenz relativ gelassen. Ob die Tatsache, dass die Käufer mehr Wert auf Qualität legen, auch etwas mit der veränderten Zusammensetzung der Käufer zusammenhängt, will er nicht bewerten. Auffällig sei allerdings schon, dass die Frauenquote am Rost steige. Auch die Weber-Studie legt nahe, dass Grillen keine reine Männerdomäne mehr ist.

Grillen ist in, das sieht man auch in den TV-Kochshows

Michael Schulz hat noch eine andere Erklärung für die wachsende Begeisterung am stilvollen Grillen. „Vor etwa drei Jahren ging das los, als auch in ersten Kochsendungen im TV gegrillt wurde“, sagt Schulz. Er ist Inhaber des Grillshops in der Hohenstaufenstraße in Berlin-Schöneberg, mit rund 300 Quadratmetern einer der größeren in der Hauptstadt. Für ihn kam der Boom zur rechten Zeit. Früher verdiente er sein Geld mit dem Verkauf und der Vermietung von Heizpilzen. Das läuft zwar noch gut, obwohl die Innenstadtbezirke den Lokalen den Einsatz der Strahler untersagt haben. Doch das Geschäft mit Grills und Kohle macht ihm heute deutlich mehr Freude. Wie die großen Hersteller verdient auch er ganz gut an Zubehör: Grillzangen, Bücher und Zeitschriften. Früher habe er die meisten Exemplare des Fleisch-Magazins „Beef“ an den Verlag Gruner+Jahr zurückschicken müssen. „Heute sind die Hefte schnell vergriffen.“ Schulz ist sicher: Grillen hat auch das hippe Berlin erreicht. Bei einer spontan organisierten Veranstaltung „Grill & Chill“ neulich „haben uns 60 bis 70 Leute die Bude eingerannt“.

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