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Mario Draghi, von vielen "Super Mario" genannt hat die Hälfte seiner Amtszeit als EZB-Chef hinter sich. Einfach waren die letzten Jahre nicht.

© REUTERS

Halbzeit für EZB-Chef Mario Draghi: Super Mario lässt sich nicht beirren

"Herr der Nullzinsen" oder "Super Mario" - Mario Draghi hat viele Namen und er hat viel Kritik auf sich gezogen mit seiner Geldpolitik. Zur Hälfte seiner Amtszeit steht der EZB-Präsident vor neuen Herausforderungen.

Nur fünf Journalisten haben sich an diesem Tag, Anfang Oktober, im National-Museum in Lima eingefunden. Dabei sitzt Mario Draghi vor ihnen. Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Einer der mächtigsten Notenbanker der Welt. Er ist mehr Aufmerksamkeit gewöhnt als in diesem Konferenzraum. Gerade hat er am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) durchblicken lassen, dass die EZB ihre Geldschleusen noch weiter öffnen könnte. Trotzdem: Nach zehn Minuten ist das Treffen beendet.

Einfluss und Macht des Italieners sind nicht geringer geworden. Nur hat sich die wirtschaftliche Situation in Europa entspannt, der Flüchtlingsstrom steht im Vordergrund. Eine andere Herausforderung als sonst. In der ersten Jahreshälfte stand Griechenland auf der Kippe. Vor vier Jahren, als Draghi am 1. November 2011 die Nachfolge von Jean-Claude Trichet antrat, steckte die gesamte Euro-Zone in schweren Turbulenzen. Heute kommen selbst die Krisenländer Portugal und Spanien allmählich voran, in Griechenland scheint das Allerschlimmste überwunden.

Whatever it takes

Die Arbeit des Italieners zahlt sich offensichtlich aus, auch wenn seine Kritiker nicht verstummt sind. Draghi stört das nicht. Zur Hälfte seiner achtjährigen Amtszeit lenkt er die Notenbank souverän von seinem Büro im 40. Stock der EZB-Zentrale im Osten Frankfurts.

"Whatever it takes" – „was immer auch notwendig ist“ – sind die berühmtesten Wort von Draghi, gesprochen auf dem Höhepunkt der Krise im Sommer 2012. Er werde alles der EZB Erlaubte tun, um den Euro und die Euro-Zone zu retten. Draghi und der Rat der EZB beließen es nicht bei Zinssenkungen. Seit November 2011 ging es hinunter, von 1,50 auf heute nur noch 0,05 Prozent. Sie operieren mit außergewöhnlichen Maßnahmen. Hunderte von Milliarden pumpte die EZB ab Ende 2011 in Wirtschaft und Finanzmärkte, sie stützte Banken in Zypern und Griechenland mit Notkrediten, verordnet Strafzinsen für Institute, die bei der EZB Geld parken, kauft seit März dieses Jahres Staatsanleihen der Euro-Staaten für 60 Milliarden Euro im Monat. Bis September 2016 sollen so Wirtschaft und Finanzmärkte mit mehr als einer Billion Euro zusätzlich versorgt werden. Möglicherweise wird das Programm sogar aufgestockt, weil die Kreditvergabe in der Euro-Zone immer noch nicht in Gang kommt und die Inflationsrate derzeit leicht negativ ist. Das ist weit entfernt vom Stabilitätsziel der EZB von knapp zwei Prozent. "Whatever it takes" bleibt das Motto des Ökonomen.

Überzeugter Europäer

"Super Mario", wie manche ihn nennen, lässt sich nicht beirren. Weder von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, seinem größten Kritiker im EZB-Rat, noch von namhaften Ökonomen. Schon gar nicht von Politikern. Den größten Schrecken bereitete Draghi im April dieses Jahres eine Aktivistin, als sie zu Beginn der Pressekonferenz in der EZB auf den Tisch sprang, "Stoppt die EZB-Diktatur" rief und Papierschnipsel warf. Nur kurz zeigte sich der 68-Jährige entsetzt und verängstigt, nach wenigen Sekunden wurde die Aktion von Sicherheitskräften beendet.

Draghi ist überzeugter Europäer und setzt sich unbeirrt für die Währungsunion ein. Nullzinsen und Sonderprogramme betrachtet er als legitime und legale Mittel der EZB.

Kritiker räumen ein, dass Draghi nachvollziehbar gehandelt hat. „Ich habe keinen Vorschlag, wie man es in den letzten Jahren hätte anders machen können“, sagt Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW-Bankengruppe. Jörg Krämer von der Commerzbank bezweifelt jedoch, dass die EZB-Politik dort wirkt, wo sie wirken soll. „All das wird am Ende nicht der Konjunktur helfen, sondern nur den Kursen an den Finanzmärkten.“

Draghi selbst weiß, dass die Notenbank den Regierungen Luft verschafft, um die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Um Strukturreformen umzusetzen und damit letztlich ein nachhaltiges Wachstum ankurbeln und die Arbeitslosigkeit bekämpfen zu können. Also fordert er die Politik unablässig auf, entsprechend zu handeln. Er weiß aber auch, dass das billige EZB-Geld Druck von den Regierungen nimmt und so den Spar- und Reformeifer bremst.

Herr der Nullzinsen

Der Sohn eines hochrangigen Zentralbankbeamten, habilitierter Wirtschaftswissenschaftler, lehrte in Florenz und Harvard, arbeitete für die Weltbank, kümmerte sich im Finanzministerium in Rom um die Sanierung der italienischen Staatsfinanzen, war Vizepräsident bei der Investmentbank Goldman Sachs, dort hat man ihm übrigens den Beinamen "Super Mario" verliehen. 2005 rückte Draghi an die Spitze der italienischen Zentralbank.

Die Lage in der Euro-Zone hat sich dank Draghi zwar beruhigt. Aber der „Herr der Nullzinsen“, wie ihn mancher eher abschätzig nennt, steht irgendwann vor der großen Herausforderung, wie er die Geldflut wieder eindämmen und allmählich zu einer normalen Geldpolitik zurückkehren kann. Ohne vor allem die Finanzmärkte zu verschrecken. Wie, ist derzeit völlig unklar. Im Gegensatz zur US-Notenbank Fed sind Draghi und die EZB aber von der Zinswende noch weit entfernt. Erst 2017 rechnet der Italiener wieder mit dem Anstieg der Inflationsrate in Richtung zwei Prozent.

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