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Hans-Jörg Grundmann: "Die Politik ist unser Kunde"

Siemens-Mobility-Chef Hans-Jörg Grundmann spricht im Tagesspiegel über den Umzug nach Berlin und den neuen ICE.

Herr Grundmann, bei neuen ICEs gab es in der Vergangenheit oft Pannen. Sie übergeben am Dienstag eine Weiterentwicklung, den Velaro, an die Bahn. Was geht dieses Mal kaputt?

Das ist ja eine nette Frage. Unsere Züge haben keine Qualitätsprobleme.

Im Winter blieben ICE-3-Züge liegen, weil Pulverschnee die Elektrik störte, im Sommer kollabierten die Klimaanlagen bei ICE-2-Zügen.

Der Velaro D ist die vierte Generation des Velaro, der auch in Spanien, China und Russland fährt. Zwischen Moskau und St. Petersburg etwa haben wir eine Zuverlässigkeit von über 95 Prozent, im Sommer wie im Winter. Im Velaro stecken über zehn Jahre Entwicklung und mehr als 20 Millionen Kilometer Betriebserfahrung, dieser Zug baut also auf Bewährtem auf. Und wir lernen im Verlauf der Jahre.

Hat sich in Ihrer Industrie durch die jüngsten Pannenserien etwas verändert?

Die Bahnindustrie bespricht nun mit den Betreibern intensiver als früher, wie sie die Züge in Zukunft nutzen wollen. Umgekehrt haben wir ein Interesse an allen Erfahrungen, die die Deutsche Bahn und andere mit unseren Produkten machen.

Die Bahn will von Ihnen für fünf Milliarden neue ICX-Züge kaufen, die Verhandlungen ziehen sich aber hin. Warum?

Das ist für beide Partner ein wichtiger Auftrag, der größte in der Geschichte der deutschen Bahnindustrie. Wir sind bevorzugter Anbieter und verhandeln, und ich freue mich, wenn wir hier zum Abschluss kommen. Verhandlungen dieser Größenordnung können aber bis zu einem Jahr und länger dauern.

Siemens hat angekündigt, die Sparte Mobility komplett nach Berlin zu verlagern. Wie weit sind Sie?

Ich bin bereits von Erlangen nach Berlin-Mitte gezogen. Wenn der Chef umzieht, ist das ja ein Signal. Seit 1. Juli ist mein Dienstsitz in Berlin. Es kommen aber nicht nur ich und meine engsten Mitarbeiter. Zwei meiner vier Geschäftsbereiche, Lösungen für Straße und Schiene sowie die Bahnautomatisierung sind hier beheimatet. Insgesamt hat Mobility hier bereits 900 Beschäftigte. Zusätzlich wollen wir von den 300 Leuten aus den Stabsabteilungen rund 80 Leute versetzen. Neue Stellen in meinem Mitarbeiterstab entstehen in Zukunft in Berlin.

Was hat Berlin, was Erlangen nicht hat?

Unser wichtigster Kunde ist hier, die Politik, die Wettbewerber. Zudem ist Berlin eine tolle Stadt im Aufbruch. Wir sehen, dass wir hier viele junge Leute mit frischen Gedanken anziehen können. Wir haben jetzt 30 offene Stellen in Berlin, für Strategie, Kommunikation, Entwicklung. Das sind hochwertige Arbeitsplätze. Wir versuchen, die Leute auch von hier zu rekrutieren.

Wird auch die Fertigung hier eine größere Rolle spielen?

Wir haben ein großes Werk, das erfolgreich ist. Den Schwerpunkt sehe ich aber bei der Entwicklung. Das sind die modernen Industriearbeitsplätze, die haben in Berlin eine Zukunft.

Weltweit wächst der Schienenmarkt. Bedeutet das auch mehr Arbeit in der Produktion hierzulande?

Wir produzieren Züge in Krefeld und München. Die Verbindung von Entwicklung und Produktion ist eine Stärke der deutschen Industrie. Einzelne Komponenten exportieren wir, etwa nach China, sie werden in die Züge eingebaut, die dort hergestellt werden. Das hält die Arbeitsplätze hier im Land. Es ist nicht unsere Strategie, Stellen hier abzubauen und ins Ausland zu verlagern.

Auf der Innotrans sind viele neue Produkte zu sehen, vom Transrapid spricht aber niemand mehr. Ist die Idee tot?

Unseren Anteil, also die Technik für die Zugsteuerung, werden wir auf keinen Fall verkaufen. Das ist eine Kernkompetenz von Siemens. Wenn jemand einen Transrapid haben möchte, können wir ihn bauen. Bisher haben sich aber keine weiteren Projekte konkretisiert. Zudem hat sich die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Hochgeschwindigkeitszügen wie dem Velaro und der Magnetschwebetechnik verringert.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup

Hans-Jörg Grundmann leitet seit 2007 die Siemens-Sparte Mobility, die weltweit 24 000 Menschen beschäftigt. Der promovierte Physiker stammt aus Mecklenburg-Vorpommern.

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