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Wirtschaft: Hartz IV reißt neue Milliardenlöcher auf

Die SPD spricht vom Ende der „verschämten Armut“: Auch Berufstätige holen sich vom Arbeitsamt Geld

Von Antje Sirleschtov

Berlin – Seit der Umsetzung der Hartz-IV-Reformen und der Einführung des Arbeitslosengeldes II Anfang 2005 gibt es offenbar immer mehr berufstätige Menschen, die von den Arbeitsagenturen Geld erhalten, um damit den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien bestreiten zu können. „Die verschämte Armut bricht auf“, nennt es die SPD-Arbeitsmarkt- und Haushaltspolitikerin Waltraud Lehn. Und sie hält dieses Aufbrechen für „eine der ganz wesentlichen Ursachen“ dafür, dass die Kosten für Arbeitslosigkeit des Bundes und der Kommunen immer weiter ansteigen.

Zwei Gründe nennt die SPD-Politikerin für diese Entwicklung: Zum einen die wachsende Bedeutung von Beschäftigungsverhältnissen mit sehr geringen Stundenlöhnen im Dienstleistungsbereich. Allein die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld I, deren Verdienst vor der Arbeitslosigkeit sehr gering war und die deshalb zusätzlich zum Arbeitslosengeld I ergänzendes Arbeitslosengeld II und Wohnkostenhilfen erhalten, hat sich seit Januar des vergangenen Jahres auf rund 160 000 fast verdoppelt. Und zum anderen meint Lehn, die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitsämtern habe seit 2005 dazu geführt, dass immer mehr Menschen jetzt zusätzliche Hilfen vom Staat beantragen, die früher einen großen Bogen um Sozialämter gemacht haben.

Für die Kassen von Bund und Kommunen hat der Trend gravierende Auswirkungen. Denn die Ausgaben beim Arbeitslosengeld II laufen weiter aus dem Ruder. Von Januar bis März 2006 lagen allein die Ausgaben des Bundes nach Informationen des „Südwestrundfunks“ bei sieben Milliarden Euro. Dadurch erreichten die Mehrausgaben im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres bereits 1,1 Milliarden Euro. Im ersten Quartal 2005 hatten die Ausgaben nach Angaben des Senders vom Freitag bei rund 5,9 Milliarden Euro gelegen. Nachdem die Kosten für das Arbeitslosengeld II im Januar und Februar 2006 bereits auf 4,7 Milliarden Euro gestiegen waren, lagen die Ausgaben im März bei rund 2,3 Milliarden Euro, hieß es dazu am Freitag in Regierungskreisen. Im Vergleichsmonat März 2005 habe der Bund zwei Milliarden Euro aufbringen müssen.

Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dem Bund in diesem Jahr zwei bis drei Milliarden Euro fehlen, wenn die Kosten weiter steigen. Im Bundeshaushalt 2006 sind insgesamt 24,4 Milliarden Euro eingestellt. 2005 lagen die tatsächlichen Ausgaben bei 25 Milliarden Euro.

Die SPD-Haushälterin Lehn warnt jedoch vor solchen Hochrechnungen. Bis zur Beschlussfassung des Bundesetats 2006 im Juni erwartet sie noch die aktuelle Ausgabe-Prognose der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit.

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