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Wirtschaft: HEW-Einstieg bei der Bewag: "Es entstehen neue Kartell-Strukturen in Europa" (Interview)

Herr Harlan, der Düsseldorfer Stromversorger Eon hat durch einen Aktientausch vor zwei Wochen seine Position in Europa gestärkt und Auflagen der Kartellbehörden in Brüssel erfüllt. Warum gönnen Sie dem Wettbewerber nicht einfach dieses gute Geschäft?

Herr Harlan, der Düsseldorfer Stromversorger Eon hat durch einen Aktientausch vor zwei Wochen seine Position in Europa gestärkt und Auflagen der Kartellbehörden in Brüssel erfüllt. Warum gönnen Sie dem Wettbewerber nicht einfach dieses gute Geschäft?

Weil es gegen geltende Verträge abgeschlossen wurde. Ich kann zwar verstehen, dass Eon an den Vermögenswerten des schwedischen Stromkonzerns Vattenfall und ihrer Tochtergesellschaft HEW interessiert ist. Aber das ist noch lange kein Grund, Geschäfte machen zu wollen, die nicht erlaubt sind. Southern Energy und Eon sind Partner bei der Bewag, die durch langfristige Verträge aneinander gebunden sind. Eon hätte mit uns sprechen müssen, statt diese Überraschungsaktion zu starten. Man kann sich nicht einfach aufgrund einer veränderten Interessenlage über das Recht hinwegsetzen. Darüber hinaus gibt es eine Verantwortung gegenüber dem Land Berlin und der Bewag. Im Übrigen: Brüssel hat noch nicht entschieden, ob mit dem angekündigten Aktientausch die Auflagen erfüllt würden.

Sie haben bei Eon auch ein Angebot für die frei werdenden 49 Prozent der Bewag-Aktien abgegeben. Offensichtlich war es nicht gut genug. Ist das ein Grund, vor Gericht zu ziehen?

Unser Angebot war zweifellos höher als die HEW-Offerte. Obwohl wir mit den Verantwortlichen von Eon seit langem eine Partnerschaft in Berlin pflegen, haben wir nicht erwartet, wortlos vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Um unsere Rechte zu wahren, waren wir gezwungen, die Gerichte anzurufen und eine Untersagung per einstweiliger Verfügung zu erwirken.

Nun haben Sie Eon Verhandlungen angeboten. Was versprechen Sie sich davon?

Wir gehen davon aus, daß eine schnelle Einigung im Interesse beider Seiten liegt. Für uns ist es entscheidend, dass wir die unternehmerische Führung bei der Bewag behalten. Nur so geht unser Konzept einer unabhängigen "Neuen Kraft" auf. Gemeinsam mit der Bewag wollen wir mit der Veag und der Laubag die notwendige unternehmerische Größe bekommen, um im europäischen Wettbewerb mithalten zu können. Die Braunkohlekraftwerke der Veag produzieren letztendlich billigeren Strom als die meisten anderen Kraftwerke in Deutschland. Das ist ein Pfund, mit dem wir den Großen im Markt Paroli bieten können. Wir haben dieses Konzept intensiv vorbereitet und glauben an den Bewag-Veag-Laubag-Verbund.

Auch HEW mit seinem künftigen Mehrheitsgesellschafter Vattenfall verfolgt dieses Ziel.

Wir kennen die Ziele und Interessen der schwedischen Vattenfall und ihrer Tochtergesellschaft HEW nicht, da es zu keinem Zeitpunkt Gespräche mit uns gegeben hat. Man hat sich bei uns auch nicht über unser gemeinsam mit der Bewag entwickeltes Konzept informiert. Wir bezweifeln jedoch, dass sich eine Wettbewerbslösung erreichen lässt, wenn die Bewag und mit ihr die gesamte ostdeutsche Energiewirtschaft wieder in Staatseigentum überführt werden. Zudem haben der schwedische Staatskonzern Vattenfall und ihre Hamburger Tochter HEW Überkapazitäten, die sehr preiswerten Strom erzeugen. Ihr Ziel ist es, diesen Strom nach Berlin zu liefern. Wir dagegen haben ein konfliktfreies Interesse an den ostdeutschen Erzeugungsanlagen. Und wir bekennen uns ohne Wenn und Aber zum Standort Berlin.

Warum sollten wir Ihnen glauben, dass Sie als einer der größten Stromhändler der Welt nicht auch nur billigen Atomstrom in Berlin und Ostdeutschland verkaufen wollen?

Wir sind nicht nur einer der größten Stromhändler, sondern auch einer der grössten Stromerzeuger weltweit. Ausserdem haben wir uns als einziger der Interessenten für die Veag dazu bereit erklärt, 50 Terawattstunden pro Jahr aus der Braunkohleverstromung zu verkaufen. Wir können schliesslich keine Stromleitung von Amerika nach Berlin legen. Wir haben deswegen in Berlin in den vergangenen Jahren einen wettbewerbsfähigen Stromproduzenten aufgebaut, dessen Kraftwerke nicht mit anderen unternehmenseigenen Kapazitäten konkurrieren müssen. Nur so können die Berliner Kraftwerke Bestand haben.

Wenn Berlin wettbewerbsfähige Kraftwerke hat, dann müssen sie auch nicht die Konkurrenz der Kraftwerke im Vattenfall-Verbund fürchten.

Berlin hat im Mittellastbereich wettbewerbsfähige und vor allem auch umweltfreundliche Kraftwerke. Die Bewag verfügt in der Erzeugung aber noch nicht über die kritische Grösse, um ein europäischer Spieler zu werden. Für die Politik eines Unternehmens ist es entscheidend, wo sich die Zentrale befindet. Unser Herz liegt in Berlin. Der wirtschaftliche Mittelpunkt der anderen liegt in Skandinavien. Entweder haben die Arbeitnehmer hier in Berlin gemeinsam mit den Beschäftigten der Veag und in den Braunkohletagebauen eine Chance, eine unabhängige Kraft in Deutschland zu werden. Oder sie verkommen zu einem Teil eines Großunternehmens, das nur noch Kunden in Berlin sucht. Es ist der politische Wille und das Ziel der Wettbewerbsbehörden, eine starke zusätzliche Kraft im deutschen Strommarkt zu schaffen. Das geht nur mit unserem Konzept.

Werden Sie sich auch um die Veag bemühen, wenn Ihre Verhandlungen mit Eon über die Bewag-Anteile scheitern?

Nein. Ohne das Gesamtkonzept mit der Bewag hat das keinen Sinn. Ohne die Bewag wollen wir auch die Veag nicht.

Dann müssten Sie notfalls Ihr Recht bei der Bewag vor Gericht ausfechten?

Wenn wir dazu gezwungen sind, werden wir das bis zum Ende tun. Und wir sind überzeugt, dass wir Recht bekommen werden.

Nicht nur das Management der Veag hat den Schritt von Eon begrüßt. Auch die Börsen haben den Verkauf unterstützt. Gehen Sie nicht ein bisschen weit mit Ihren Vorwürfen?

Es geht um die Globalisierung und um die Rolle, die Deutschland als Wirtschaftsstandort spielen kann. Wir sind in Deutschland und in Berlin wie ein Bindeglied zwischen dem alten Deutschland und Amerika aufgetreten. Uns konsultieren sehr viele amerikanische Unternehmen über unsere Erfahrungen in Deutschland. Man fragt sich in Amerika, ob die Deutschen ausländische Investoren ernsthaft als Wettbewerber zulassen. Der Ausgang des Eigentümerwechsels bei der Bewag wird Auswirkungen auf den Ruf des deutschen Wirtschaftsstandortes in Amerika haben. Das wird auch die Bundesregierung interessieren müssen.

Hoffen Sie auf ein Machtwort von Gerhard Schröder?

Auch der Wettbewerb in Europa wird darunter leiden, wenn privatisierte Unternehmen wieder verstaatlicht werden und es zu einer erneuten Konsolidierung der Märkte kommt.

Warum?

Man muss sich fragen, wie weit Deutschland und auch Europa die Liberalisierung der Energiemärkte treiben wollen. Waren die Preisrückgänge und die Privatisierungen nur ein Strohfeuer, oder will man die Tür für wirklichen Wettbewerb öffnen. Wenn sich das Eon-Vattenfall-Geschäft realisieren lässt, dann ergibt sich eine Tendenz zu neuen kartellartigen Strukturen in Europa. Der Markt kann dann bald so tot wie vor der Liberalisierung sein.

Die Kartellbehörden werden das prüfen.

Ja, und die Verantwortlichen werden diesen Aspekt erkennen. Auch die Politiker müssen das verantwortungsvoll bewerten.

Das klingt so, als ob Sie am festen Willen der Europäer zweifeln, die Märkte zu liberalisieren.

Die ersten Schritte in die richtige Richtung sind gemacht worden. Aber bis zu einem wettbewerbsorientierten europäischen Markt ist es noch ein weiter Weg.

Was muss Ihrer Meinung nach geschehen?

Die Märkte müssen sich weiter öffnen. Einige der europäischen Länder hinken der geplanten Liberalisierung bedenklich hinterher. Es muss in Europa mehr Wettbewerb geben.

Heißt das, die alten Monopolstrukturen sind dabei, sich zu neuen Monopolstrukturen zu ordnen?

Wir werden sehen.

Herr Harlan[der Düsseldorfer Stromversorger]

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