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Nitrat im Grundwasser: Die EU-Kommission besteht darauf, dass Deutschland die Düngeverordnung verschärft. Doch ohne die Bundesländer geht das nicht.

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NRW-Agrarministerin Ursula Heinen-Esser: "Holländische Gülle sollte angeblich an Eisdielen gehen"

In ihrem Bundesland gibt es riesige Schweinemastanlagen. Wie die CDU-Politikerin das Düngerproblem in den Griff und das Tierwohl verbessern will.

Ursula Heinen-Esser (CDU) ist Agrar- und Umweltministerin des Landes Nordrhein-Westfalen. An diesem Donnerstag treffen sich die Agrarminister der Länder, um über die geplante Verschärfung der Düngeverordnung zu beraten. Auch NRW wäre betroffen. Das Land gehört neben Niedersachsen zu den Ländern mit den größten Schweinemastbetrieben.

Frau Heinen-Esser, nach jahrelangem Streit haben sich die Bundesregierung und die EU-Kommission auf strengere Düngeregeln zum Schutz des Grundwassers geeinigt. Der Bundesrat muss zustimmen. An diesem Donnerstag beraten dazu die Agrarminister der Länder. Wie ist die Stimmung?

Ich hoffe, dass es eine Mehrheit für das gibt, was Julia Klöckner und Svenja Schulze ausgehandelt haben. Denn wenn nicht, wird die EU das Zweitverfahren fortsetzen, und auf uns kommen erhebliche Strafzahlungen zu. Wir diskutieren seit eineinhalb Jahren über das Thema, und nach meiner Einschätzung gibt es keinen Verhandlungsspielraum mehr. Ich appelliere daher an meine Kolleginnen und Kollegen zuzustimmen.

Müsste das nicht jedem einleuchten?

Ja, aber die Stimmung ist schwierig. Die Landwirte gehen auf die Straße und machen erheblichen Druck. Und ich kann dies nachvollziehen, wenn Planungsunsicherheit und unklare Rahmenbedingungen erforderlichen Investitionen im Weg stehen. Aber es nutzt den Bauern gar nichts, wenn statt einer verschärften Düngeverordnung hohe Strafzahlungen kommen. Das würde einen erforderlichen Dialog zwischen den Landwirten und der Gesellschaft zusätzlich erschweren.

Ursula Heinen-Esser (CDU) ist seit Mai 2018 Agrar- und Umweltministerin in NRW.
Ursula Heinen-Esser (CDU) ist seit Mai 2018 Agrar- und Umweltministerin in NRW.

© dpa

Sie haben in NRW große Schweinemastbetriebe mit Zehntausenden Tieren, die viel Gülle produzieren. Wo soll der Mist hin?

Wenn wir auf das gesamte Land schauen und anfallenden Wirtschaftsdünger optimal verteilen würden, kämen wir unterm Strich hin. Aber wir müssen weg von pauschalen hin zu zielgenauen Anforderungen. Weitergehende Maßnahmen zum Grundwasserschutz müssen dort ergriffen werden, wo die Quellen für Grenzwertüberschreitungen liegen. Daher sind wir in NRW ja schon vor einiger Zeit einen konsequenten Weg gegangen und überprüfen unsere Messstellen, wo erforderlich, errichten wir neue. Damit wollen wir die Zielgenauigkeit unseres Systems von Messstellen, die den Nitratgehalt im Grundwasser messen, verbessern. Auf dieser Basis passen wir derzeit unsere Landesdüngeverordnung an mit dem Ziel, die Maßnahmen in den „roten“, also den belasteten, Gebieten gezielt und verursachergerecht zu lenken.

Viele Bauern zweifeln die Richtigkeit der Messergebnisse an. In NRW haben Sie nachgemessen. Was ist dabei herauskommen?

Zunächst wurden 300 Stellen untersucht, bei denen Schwachstellen vermutet wurden. Im Ergebnis waren zehn Prozent nicht in Ordnung. Man stelle sich vor, was passieren würde, wenn zehn Prozent der Luftreinhaltemessstellen in Berlin oder Düsseldorf fehlerhaft wären. Auf Grundlage der Erkenntnisse überprüfen wir derzeit alle Messstellen, die in landwirtschaftlich geprägten Gebieten die Nitratgrenzwerte überschreiten. Fehlerhafte Messstellen wurden oder werden saniert und – wo erforderlich – zusätzlich noch 200 Messstellen aufgebaut. Das erlaubt kleinräumigere, präzisere Messungen. Und wir sind der Frage nachgegangen, woher das Nitrat im Grundwasser kommt.

Um das Leben der Tiere zu verbessern, müsste man die Ställe umbauen. Doch Landwirte kollidieren dabei schnell mit dem Bau- und Umweltrecht.
Um das Leben der Tiere zu verbessern, müsste man die Ställe umbauen. Doch Landwirte kollidieren dabei schnell mit dem Bau- und Umweltrecht.

© picture alliance / Carsten Rehde

Kommt es von den Landwirten?

Ja, das ist schon der größte Teil. Aber es können lokal auch Nitratbelastungen zum Beispiel über den Luftpfad durch Verkehr und Industrie oder durch den Austrag aus Kleinkläranlagen kommen. Wir können inzwischen sehr genau sagen, welches die Hauptquelle in welcher Region ist. Übrigens können Landwirte, die die Messergebnisse nicht glauben, um eine Nachprüfung bitten. Es ist wichtig, belastbare Fakten zu haben, um Vertrauen und Einsicht zu schaffen.

Nehmen Sie in NRW noch weiterhin Gülle aus den Niederlanden ab?

Ja, Gülle ist leider ein frei handelbares Wirtschaftsgut, deshalb können wir dies wegen des EU-Binnenmarkts nicht einfach untersagen. Aber wir kontrollieren sehr intensiv, woher die Gülle kommt und wohin sie geht. Zum Beispiel haben wir 1500 Adressen von Gülleempfängern überprüft und festgestellt, dass etwa 500 von denen gar keine Gülleabnehmer waren, sondern Eisdielen oder Rechtsanwaltskanzleien. Die Landwirtschaftskammer hat gegen einen Güllehändler ein Bußgeld von 1,35 Millionen Euro verhängt. Dies zeigt, dass neben den Kontrollen auch die Sanktionen zugenommen haben. Bußgelder haben wesentlich zu dem deutlichen Rückgang der Importe beigetragen. Die Gülleeinfuhren aus den Niederlanden sind in den vergangenen drei Jahren um etwa 30 Prozent zurückgegangen.

Kein Platz: Sauen leben in engen Käfigen, nachdem sie ihre Ferkel bekommen haben. Bundesagrarministerin Julia Klöckner plant eine Reform, doch vielen geht sie nicht weit genug.
Kein Platz: Sauen leben in engen Käfigen, nachdem sie ihre Ferkel bekommen haben. Bundesagrarministerin Julia Klöckner plant eine Reform, doch vielen geht sie nicht weit genug.

© Fred Dott

Die Tierhaltung ist in Deutschland ein großes Thema. Aktuell wird über die engen Käfige gestritten, in die trächtige Sauen gesperrt werden. Auch das ist ein Thema für den Bundesrat. Was ist Ihre Meinung? Brauchen die Tiere mehr Platz. Und wie schnell müsste das passieren?

Die Tiere brauchen mehr Platz, keine Frage. Die meisten Landwirte wollen das inzwischen auch. Und natürlich muss es schnell gehen. Das Problem ist aber die praktische Umsetzung. Wenn die Landwirte ihre Ställe umbauen, stoßen sie an die Grenzen des Bau- und des Immissionsschutzrechts. Die Schweine haben derzeit meist keinen Kontakt nach draußen. Landwirte, die einen Offenstall planen und ihren Tieren Außenkontakt ermöglichen wollen, stoßen auf Vorschriften zur Luftreinhaltung. Der Immissionsschutz bremst das Tierwohl. Dies müssen wir in Einklang bringen. Daher benötigen wir Übergangsregelungen, damit die Politik ihre Hausaufgaben machen kann und Landwirte Zeit für Umbaumaßnahmen haben. Aber sie dürfen natürlich nicht zu lange dauern.

Man könnte auch die Zahl der Tiere senken.

Das würde aber die baurechtlichen Probleme nicht lösen. Wenn ein Landwirt seinen Stall umbauen und den Tieren mehr Platz bieten will, braucht er eine neue Baugenehmigung. Die Landwirtschaftskammer NRW plant im Rahmen unserer nachhaltigen Nutztierstrategie einen revolutionären neuen Modell-Stall und baut dazu derzeit einen Stall um. Auf die Baugenehmigung hierfür hat sie zwei Jahre gewartet. Und das sind Profis.

Wer soll für mehr Tierwohl bezahlen? Die von Frau Klöckner eingesetzte Expertenkommission schlägt eine Tierwohlabgabe auf Fleisch und Milch vor, am Freitag trifft die Bundesagrarministerin wieder Vertreter des Handels, um über höhere Lebensmittelpreise zu sprechen. Was meinen Sie?

Das ist eine schwierige Frage. Wenn alle Landwirte in NRW höhere Haltungsstandards in der Schweinehaltung umsetzen und ihre Ställe umbauen würden, würde das 350 bis 450 Millionen Euro im Jahr kosten. Der Handel muss mit ins Boot. Und wir Verbraucher und Verbraucherinnen müssen bereit sein, an der Ladentheke faire Preise zu zahlen. Und wenn die Erlöse noch nicht direkt über den Markt zu erwirtschaften sind, müssen wir in der Anfangsphase auch über Steuern oder Umlagen nachdenken. Wir benötigen Preise, die die Wahrheit sprechen.

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