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Burkhard Schwenker

© promo

Unternehmensberater Schwenker: „Ich habe kein Mitleid“

Roland-Berger-Chef Burkhard Schwenker über die Gier der Finanzjongleure, Boni für Manager und die Stärke der deutschen Firmen.

Herr Schwenker, wie wichtig ist Ihnen Ihr guter Ruf?

Der ist mir schon wichtig. Wie jedem Menschen, oder?

Wir fragen, weil viele Finanzmanager ihren guten Ruf aufs Spiel gesetzt oder verloren haben. Haben Sie Mitleid?

Offen gesagt: nein. Infolge der Finanzkrise sind viele Menschen in Schwierigkeiten geraten, andere Industrien, vielleicht sogar die Weltwirtschaft. Für die, die hier auf Kosten der Allgemeinheit Geschäfte gemacht haben, empfinde ich kein Mitleid.

Einst Superstars, heute Hasardeure, die Milliarden vernichten – wie konnte das passieren?

Vorsicht bei Extremen. Nur wenige waren Superstars. Das haben wir schon in der New Economy erlebt. Auf den Finanzmärkten hat sich vor Ausbruch der Krise ein Mainstream gebildet, dem sich immer mehr Institute angeschlossen haben. Irgendwann ist die Situation gekippt.

Baden wir jetzt die Folgen des Aufschwungs aus, der die Banker unvorsichtig gemacht hat?

Ein Boom verführt dazu, positive Trends einfach fortzuschreiben. So ist auf dem US-Immobilienmarkt und später dem Kreditmarkt das Gefühl für eine angemessene Rendite verloren gegangen. In jedem Lehrbuch steht, dass höhere Renditen grundsätzlich mit höheren Risiken verbunden sind. Mancher meinte aber wohl, die Regeln der Betriebswirtschaft außer Kraft setzen zu können.

Aber es waren doch gut ausgebildete Spezialisten am Werk.

Die Gier hat offenbar gesiegt und bei manchem den gesunden Menschenverstand ausgeschaltet.

Also kein Systemfehler, sondern Managerversagen?

Es gab früh Anzeichen, dass der Boom auf dem amerikanischen Immobilienmarkt wohl nicht ewig dauern würde. Ich erinnere mich, wie der Chef von Wal Mart, dem größten Einzelhandelskonzern der Welt, sich auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos öffentlich darüber wunderte, dass sich etliche seiner Angestellten das zweite oder dritte Haus anschafften. Solche Signale wurden nur kollektiv überhört.

Getrieben wurde der Finanzmarkt von Hedgefonds und Private-Equity-Firmen. Heute steht deren Geschäft fast still. Werden die „Heuschrecken“ entzaubert?

Ihr Risikohunger war früher oft so groß, dass industrielle Investoren bei Übernahmen von Unternehmen ohne Chance blieben. Die so genannten Akquisitionsprämien, die bei Übernahmen bezahlt werden mussten, fielen einfach zu hoch aus. Das hat sich inzwischen normalisiert. Die Krise bewirkt also auch Positives: Industrieunternehmen, die die nötige Liquidität haben, können wieder durch Zukäufe wachsen. Das ist auch ein Grund, warum die Turbulenzen nach meiner Einschätzung noch nicht voll auf die Realwirtschaft durchgeschlagen haben.

Aber die Vertrauenskrise ist da. Viele Mittelständler fürchten um ihre Finanzierung.

Keine Frage, der – gesetzlich erlaubte – Verkauf von Krediten an Finanzinvestoren hat die langfristigen Beziehungen zwischen Geldinstituten und Unternehmen belastet. Der Glaube wurde genährt, dass Risiken, wenn man sie nur richtig mischt, irgendwann verschwinden. Das ist vielen am Ende auf die Füße gefallen.

Als Turbo in diesem System haben exorbitante Bonuszahlungen für Investmentbanker gedient. Muss diese Form der Vergütung abgeschafft werden?

Über die Anreizsysteme muss jedenfalls diskutiert werden. Boni, die nur den Erfolg eines Jahr messen, müssen bei vielen Geschäften mit langfristigen Auswirkungen versagen. Genau das hat aber stattgefunden. Dass einige schwer reich geworden sind und jetzt der Weltwirtschaft ein Desaster hinterlassen, ohne persönliche Konsequenzen ziehen zu müssen, ist eigentlich ein Unding.

Die Finanzbranche will sich nun selbst aus dem Sumpf ziehen. Ist das glaubwürdig?

Ich glaube, dass das ernst gemeint ist, auch weil viele Banken finanziell arg angeschlagen sind und um ihre Reputation fürchten. Wenn man die Krise jetzt nutzt, um diese falschen, kurzfristigen Anreizsysteme abzuschaffen, dann ergibt das etwas Gutes.

War ein Mangel an Persönlichkeit des Führungspersonals ein Auslöser der Krise?

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es heute viel schwieriger ist, ein Unternehmen zu führen als vor 20 Jahren. Das hängt mit der Globalisierung zusammen, mit neuen Technologien, mit der Geschwindigkeit von Prozessen und Entscheidungen. Manager sollten sich davor hüten, Trends fortzuschreiben, denn immer häufiger finden Brüche statt. Die einzige zu vermittelnde Sicherheit liegt in der Persönlichkeit der Menschen, die ein Unternehmen führen oder Verantwortung tragen. Das hat mit der aktuellen Krise aber nichts zu tun. Je komplexer die Zusammenhänge werden, in denen Unternehmen arbeiten, desto wichtiger ist es, dass die Verantwortlichen das große Bild erkennen, dass sie interdisziplinär denken und mehr reflektieren.

Das Gegenteil scheint der Fall zu sein.

Die Komplexität, von der ich gesprochen habe, lässt sich nicht in zwei, drei schlichte Botschaften verpacken. Die Flexibilität, die die Märkte heute fordern, führt vielmehr zu einem vermeintlichen Verlust an Sicherheit. Umso wichtiger ist die direkte, persönliche Kommunikation – nach innen und nach außen. Hier spielen auch die Medien eine wichtige Rolle. Der Mensch neigt dazu, lieber über Fälle zu sprechen, die missglückt sind.

Josef Ackermann hat auf dem Kreditmarkt den Glauben an die Selbstheilungskräfte des Marktes verloren. Muss der Staat aushelfen?

Anreizstrukturen und Risikomanagement können und müssen die Banken selbst verbessern. Das hat mit staatlicher Regulierung nichts zu tun. Und weil das Finanzgeschäft global ist, benötigt es eine globale Aufsicht – was bisher nicht der Fall war. In diese Richtung habe ich Jo Ackermann verstanden. Auch bei Hedgefonds scheint es ja eine Bewegung zu mehr Transparenz zu geben. Zu Recht, wie ich finde. Jede Marktwirtschaft funktioniert nur mit Rahmenbedingungen.

Bleibt die deutsche Wirtschaft weitgehend unberührt von der Finanzkrise?

Dass unsere Unternehmen so gut dastehen – trotz Finanzkrise und der Euro-Dollar-Relation – zeigt, dass sie international sehr wettbewerbsfähig sind und überlegene Qualität bieten. Vor fünf Jahren stammte die Hälfte der 50 weltgrößten Unternehmen aus Amerika, heute haben 25 ihren Sitz in Europa, acht davon übrigens in Deutschland. Das ist ein gutes Zeichen. Und es hat wohl auch damit zu tun, dass europäische Unternehmen anders geführt werden.

Besser?

Offensichtlich besser, sonst hätte dieser Wandel nicht stattgefunden. Landläufig meint man hierzulande, globale Unternehmen seien amerikanisch. Die Realität ist eine andere. Deutsche Unternehmen sind führend bei der internationalen Wertschöpfung. Das liegt zu einem guten Teil an unserer Exportorientierung, aber auch an unserer Innovationsfähigkeit. Hier sind deutsche Firmen international Spitze.

Wo liegen die größten Schwächen?

Wir tun uns noch schwer mit der schnellen Vermarktung von Innovationen.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

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