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Wirtschaft: Identitätsverlust einer Ikone

2005 war für die Deutsche Bank das beste Jahr ihrer Geschichte. Doch zu Hause verspielt sie ihren Ruf

Kein Laut dringt aus den Zwillingstürmen der Deutschen Bank in der Frankfurter Taunusanlage. Noch drei Tage wird das so bleiben. Erst am Donnerstag, wenn die „Quiet period“ endet, bricht Josef Ackermann das Schweigen. Der Chef der größten deutschen Bank präsentiert dann im Hermann-Josef-Abs-Saal vor 150 Journalisten seine Bilanz für 2005. Und er wird die Erwartungen nicht enttäuschen, glauben Beobachter. „Sonst hätte er den Markt bestimmt darauf vorbereitet“, hieß es am Freitag an der Börse.

Analysten schätzen, dass die Bank im vergangenen Jahr einen Gewinn von 3,7 Milliarden Euro erzielt hat – 50 Prozent mehr als 2004. Das beste Ergebnis in der Geschichte. Aktionären hat Finanzvorstand Clemens Börsig schon im Herbst eine „substanziell höhere“ Dividende in Aussicht gestellt. Dennoch wird Josef Ackermann die Geschäftszahlen mit der gleichen, nüchternen, schweizerisch gefärbten Stimme vortragen wie vor einem Jahr. „Business as usual“, sagt ein Sprecher. „Es wird wie immer sein.“

Mit einem Unterschied: Ackermann wird die Bekanntgabe des Rekordgewinns nicht mit der Ankündigung eines weiteren Stellenabbaus verbinden. „Einen PR-Flop wie im vergangenen Jahr wird er sich wohl nicht noch einmal leisten“, glaubt Reinhard Schmidt, Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Bank- und Finanzwesen an der Universität Frankfurt am Main. 2005 hatte der Bank- Chef einen Sturm der Entrüstung entfacht, als er in einem Atemzug einen Rekordgewinn und die Streichung von 6400 Stellen ankündigte. „Ich denke, Herr Ackermann wird bei der Darstellung der wahrscheinlich sehr guten Zahlen versuchen, die Sympathie der deutschen Öffentlichkeit zu gewinnen“, sagt Schmidt.

Eine Offensive des Charmes könnte die Deutsche Bank in ihrer Heimat gut gebrauchen. Während das Institut international Marktanteile und Ansehen gewinnt, nimmt der einst gute Ruf bei deutschen Kunden Schaden. Die Schließung des offenen Immobilienfonds, der zweite Mannesmann-Prozess, Ermittlungen gegen Ex- Chef Hilmar Kopper, Schadenersatz für Leo Kirch – die Schlagzeilen-Bilanz der vergangenen zwei Monate fiel verheerend aus. Dass die Deutsche Bank gleichzeitig den Branchen-Oscar „Bank des Jahres“ bekam und damit die größten Finanzkonzerne der Welt ausstach, ging unter.

Dabei könnte das Bankhaus mit seinen Erfolgen durchaus auftrumpfen. „Die Deutsche Bank hat 2005 gezeigt, dass sie in der Lage ist, eine international wettbewerbsfähige Profitabilität zu erreichen“, sagt Konrad Becker, Analyst bei der Privatbank Merck Finck. Über Ackermanns Ziel einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent vor Steuern ist die Bank zuletzt sogar hinausgeschossen. „Die Frage ist, ob sie dieses Niveau auch in schlechten Jahren halten kann“, sagt Becker. Fraglich ist auch, wie weit Ackermann die Gewichte zwischen Investmentbanking und Privatkundengeschäft noch verschieben kann, ohne das Image auf dem deutschen Markt zu ruinieren. „Die Deutsche Bank hat es nicht geschafft, eine lokale Identität zu erhalten“, glaubt der Unternehmensberater Reinhard Sprenger. Der Marktführer sei ein „gesichtsloses Institut“ geworden, mit dem sich die Kunden vor Ort in der Filiale nicht mehr identifizierten.

Tatsächlich zeigt die Empörung tausender Kunden nach der Schließung des Immobilienfonds Grundbesitz-Invest, wie unsensibel die Bank hierzulande operiert. „In dem Maße, wie das Investmentbanking wichtiger wird, gewinnen die Banker, die es betreiben, an Bedeutung“, sagt Analyst Becker. Zwar sei der Gegensatz zwischen Kapitalmarkt- und Privatkundengeschäft nicht zwangsläufig, weil auch die Investmentbank einen starken Vertrieb brauche. Aber: „Ich sehe die Gefahr, dass diesen Bankern das Gespür für die Privatkunden – zumal die kleinen – verloren gegangen ist.“

Wie wichtig auch für international agierende Banken ein direkter Draht zur Basis ist, zeigen Umfragen. „Privaten Bankkunden, egal wie vermögend sie sind, geht es vor allem um einen guten Service, wenn das Produkt grundsätzlich in Ordnung ist“, sagt Bernd Schumacher, Leiter der Strategieberatung Finanzdienstleistung bei IBM Business Consulting. „Bei den Vermögenden sagen sogar 80 Prozent, dass sie den Service wichtiger finden als eine optimale Wertentwicklung ihres angelegten Kapitals.“ Ähnliches gelte für das Image. Der gute Ruf der Bank zähle mehr als die Performance. Für die Bank bedeute dies: „Ein Imageproblem wirkt sich früher oder später negativ auf die Erträge aus.“

Noch ist davon in der Bilanz der Deutschen Bank wenig zu sehen. „Die Bank gewinnt international mehr, als sie national verliert“, sagt Reinhard Schmidt. Dass sich das Institut der Heimat gleichwohl noch verbunden fühlt, bekräftigte Josef Ackermann jüngst in der „Bild“-Zeitung. Dort lobte er den „Mut und die Zuversicht bei vielen, die jetzt anpacken und das Land wieder nach vorne bringen“. Am kommenden Donnerstag wird er erklären müssen, welchen Beitrag die Deutsche Bank geleistet hat.

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