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Wirtschaft: IG Metall: Immer an der Spitze der Bewegung

Klaus Zwickel kommt gern "Zur Sache". Zum Beispiel in der gleichnamigen Kolumne der Gewerkschaftszeitschrift "metall".

Klaus Zwickel kommt gern "Zur Sache". Zum Beispiel in der gleichnamigen Kolumne der Gewerkschaftszeitschrift "metall". Dann erläutert der erste Vorsitzende der IG Metall den rund drei Millionen Mitgliedern den Lauf der Welt. Die sei nach zehn Jahren Globalisierung "ungerechter geworden", was Zwickel mit dem ungezügelten Spiel der Märkte und dem freien Fluss des Kapitals erklärt. Aber "nicht Märkte, sondern Menschen müssen diese Welt bestimmen. Dazu braucht es globale Regeln für globale Unternehmen", schreibt der Gewerkschafter und plädiert für mehr Regulierung. Von der verspricht er sich mehr Gerechtigkeit.

Klaus Zwickel als Ordnungspolitiker und Sozialphilosoph - die hohe Stirn in Falten, der Blick über die auf der Nasenspitze liegende Brille auf die Märkte der Welt gerichtet, vor dem Kinn ein Kugelschreiber. "Der Vorsitzende denkt und kämpft für Euch", signalisiert das Porträtbild der Arbeitnehmerschaft, die sich um Arbeitsplätze sorgt, die mobil und flexibel sein soll und gefälligst das ganze Leben zu lernen hat. In diesen beängstigenden Zeiten verspricht der alte Gewerkschaftshaudegen Zwickel den Metallern Solidität und Sicherheit, Kontinuität und Kampfeslust. Der Klaus, so sagen die Leute, ist einer von uns.

Von Beruf Werkzeugmacher hat es Klaus Zwickel zum Chef der wohl einflussreichsten Gewerkschaft der Welt gebracht. Er ist dabei, wenn mit dem Kanzler beim Abendessen die letzten Feinheiten der Rentenreform geklärt werden: Wenn Zwickel nicht will, kann Gerhard Schröder im Bündnis für Arbeit nichts erreichen. Und wenn sich Zwickel auf die "Rente ab 60" versteift, dann diskutiert die ganze Republik monatelang diese Art des Vorruhestands - bis der Kanzler den Gewerkschafter zum gedeckten Rückzug bewegt. Zwickel ist clever. Er hat in den letzten acht Jahren die IG Metall relativ erfolgreich geführt, den großen und bunten Haufen mit den braven Malochern und strenggläubigen Klassenkämpfern ordentlich zusammengehalten. Zwickel war erfolgreich, weil er sich an die Spitze der Bewegung setzte: Erst mit dem von ihm erfundenen Bündnis für Arbeit, später mit dem "Ende der Bescheidenheit" und der "Rente ab 60". Einen Vorstoß zur weiteren Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden brach Zwickel ab, nachdem er erkannt hatte, dass die Zeit dafür noch nicht reif war.

Sollte dieser Klaus Zwickel geschlafen haben, als es um die Genehmigung zweistelliger Millionenbeträge für Mannesmann-Manager und -Pensionäre ging? Er selbst, damals stellvertretender Aufsichtratschef von Mannesmann, sprach vor anderthalb Jahren von einer "unanständig hohen" Abfindung für Mannesmann-Chef Klaus Esser nach der Übernahme durch den britischen Konzern Vodafone. Bei alles in allem rund 60 Millionen Mark allein für Esser ist das sicher keine abwegige Einschätzung. Aber Zwickel war nicht dagegen, sondern hat sich nur der Stimme enthalten, was er inzwischen als "Fehler" erkannt hat.

Damals hatte die IG Metall und ihr Chef noch behauptet, mit den ganzen üppigen Abfindungsregularien für die Mannesmann-Bosse nichts zu tun gehabt zu haben. Heute spricht Zwickel von einer "missverständlichen Erklärung" und stellt richtig: "Die Angelegenheit wurde behandelt, und ich habe mich in der Abstimmung am 28. Februar 2000 der Stimme enthalten." Warum bloß?

Politisch und moralisch beschädigt

Über seine Motive schweigt Zwickel in einem Schreiben an Gewerkschaftsgremien mit dem Hinweis auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen ihn und andere damalige Mannesmann-Aufsichtsräte. Rechtlich war vermutlich alles in Ordnung, aber politisch und moralisch hat sich Zwickel beschädigt. Dabei glaubt kaum jemand, dass die biedere und ehrliche Haut aus Heilbronn sich bei dem Vodafone-Mannesmann-Deal selbst bereichert haben könnte. Aber vielleicht hat er für seine Klientel, also die Mannesmann-Beschäftigten, etwas herausgeholt. Vielleicht nach der Formel: "Ich enthalte mich der Stimme, dafür werden Mannesmann-Unternehmensteile, die nach der Vodafone-Übernahme zum Verkauf stehen, an deutsche Firmen verkauft." So bliebe der Einfluss der IG Metall erhalten.

Aber das sind Mutmaßungen, die Zwickel-Sprecher Claus Eilrich "für ausgeschlossen" hält. Dagegen sei ausgehandelt worden - und das wisse auch jeder, dass es "nach der Übernahme keinen Kahlschlag bei den Arbeitsplätzen gibt". Aber was ist mit dem Image und der Glaubwürdigkeit des Vorsitzenden? Die Gewerkschafter predigen gerne über Gerechtigkeit und eine bessere Welt und müssen mit ansehen, wie die eigenen Spitzenleute sündigen. Aus dem Arbeitgeberlager ist der Spott nur sehr verhalten hörbar. Wer als stellvertretender Aufsrichtsratschef brenzlige Entscheidungen treffe müsse, der werde sozusagen zwangsläufig schuldig. Jedenfalls gemessen an den eigenen moralischen Ansprüchen.

Klaus Zwickel ist als erster Vorsitzender der IG Metall bis zum Herbst 2003 gewählt. Dann will der 64-Jährige in den Ruhestand gehen. Ohne Rücksicht auf die Wiederwahl nehmen zu müssen, wollte Zwickel die letzte Amtsperiode zur Modernisierung der Gewerkschaft und des Tarifsystems nutzen. In der IG Metall, die wie alle Gewerkschaften unter einem enormen Mitgliederschwund leidet, hat er eine Zukunftsdebatte angestoßen. Bei Jungen, Angestellten, Frauen und in modernen Berufen bekommt die Metallerorganisation noch immer kein Bein an die Erde; rund die Hälfte der Mitglieder sind inzwischen über 50 Jahre alt. Und der Flächentarifvertrag, der seit Jahren brüchig wird, soll "weiter differenziert" werden, um den sehr unterschiedlichen Realitäten in den Unternehmen gerecht zu werden. Hat Zwickel noch genug Power für Reformen? Oder wird ihn die aufkommende Diskussion über seine Nachfolge schon bald zur "lahmen Ente" machen? "Zwickel läuft aus", sagt ein hochrangiger Gewerkschaftsfunktionär. Doch wer läuft stattdessen ein? In Frage kommen nur zwei Leute: Der zweite Vorsitzende Jürgen Peters und der Stuttgarter Bezirkschef Berthold Huber.

Lähmender Machtkampf

Zwickel favorisiert Huber, der als "moderner", reformfreudiger und einfach zeitgemäßer daherkommt als Peters. Im Übrigen ist Huber Chef des mächtigsten IG-Metall-Bezirks Baden-Württemberg, aus dem auch Zwickel stammt. Und nicht zuletzt spricht für Huber, dass Zwickel nicht gut mit Peters kann. Im Herbst 1998, als ein Nachfolger für Walter Riester auf dem Posten des zweiten Vorsitzenden gefunden werden musste, favorisierte Zwickel den Hauptkassierer der Gewerkschaft, Bertin Eichler. Doch einige Bezirksfürsten unterstützten Jürgen Peters, damals Bezirksleiter in Niedersachsen, der sich dann auch durchsetzte. Eine schwere Schlappe für Zwickel, unter der das Verhältnis der beiden Vorsitzenden bis heute leidet.

Noch bitterer könnte die Niederlage werden, wenn Zwickel mit allen Mitteln versucht, Peters zu verhindern. Das Szenarion eines langwierigen und die Organisation lähmenden Machtkampfs hat offenbar einen alten Kämpen mobilisiert: Dem Vernehmen nach versucht Zwickels Vorgänger Franz Steinkühler seinen ehemaligen Ziehsohn Huber von einer Kandidatur abzubringen. Steinkühlers Ziel: 2003 wird der dann 59-jährige Peters für vier Jahre zum IG-Metall-Boss gewählt und Huber (dann 53 Jahre alt) sein Stellvertreter. Und 2007 ist dann Huber dran. Wenn bereits an solchen Deals gestrickt wird, dann ist Klaus Zwickel allerdings schon viel entglitten.

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