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Spreepark: Auf Eis gelegt

Der ehemalige Spreepark im Plänterwald ist seit Jahren verwaist. Ideen für eine neue Nutzung gibt es viele – doch auch ebenso viele vertragliche Altlasten

Der Tyrannosaurus Rex hat das Spreepark-Drama am eigenen Leib erfahren. Erst Freizeitparkattraktion, dann umgeworfen, zuletzt posierten die Guttenbergs fürs Fotoshooting auf seinem Kopf. Jetzt weht ihm der Wind mal wieder Schnee ins Maul. Dass ihm nicht auch noch Körperteile gestohlen werden, dafür sorgt Gert Emge mit seiner Sicherheitsfirma. Seit neun Jahren sind die 32 Hektar an der Spree verwaist. „Es ist das letzte Paradies in Berlin“, sagt Emge. Und alle wollen rein: illegal über den Zaun oder zahlend als Veranstalter und Filmemacher. Der Charme des Verfalls füllt langsam den Terminplan fürs nächste Jahr, fünf Anfragen gibt es bereits. Das Berliner Ensemble etwa soll hier den „Sommernachtstraum“ unter der Leitung von Claus Peymann aufführen.

Dabei ist das Theater längst in vollem Gange. In den Hauptrollen: Die Schaustellerfamilie Witte, die Gläubigerbanken, der Bezirk Treptow-Köpenick, Senat und Liegenschaftsfonds, das Finanzamt, eine Bürgerinitiative und potenzielle Investoren/Projektentwickler in wechselnder Besetzung. Aktuell sind das drei: Innenarchitekt Nik Schweiger will im „Vision- Scape Spreepark“ Schulklassen und Familien die erneuerbaren Energien näherbringen. Ausstellungsräume sollen entstehen und Platz für Künstler und Studenten, die während ihrer Projekte auch im Spreepark wohnen. Allein es fehlt der finanzkräftige Investor. Die Mecklenburger Firma Kleist Project and Development GmbH galt dem Bezirk lange als aussichtsreichste Kandidatin. Sie wollte untergegangenen Kulturen im Spreepark neues Leben einhauchen, zog sich aber zurück. Jetzt soll wieder Interesse bestehen, bestätigen will man das offiziell nicht. Dritter im Bunde sind die Bar-25-Betreiber, die den Park im Juni auf der Suche nach einem neuen Standort als ihr „absolutes Traumobjekt“ bezeichneten. Sie wollen Kinderbauernhof, Kletteranlage und Raum für Konzerte hineinsetzen, einen „alternativen Freizeitpark für die Berliner Kreativen“. Sechs Monate später sagt Juval Dieziger, man habe Gespräche mit Banken, Bezirk und Liegenschaftsfonds geführt und nach wie vor großes Interesse. Aber: „Die Sachlage ist dermaßen kompliziert, dass es ohne Gott nicht weitergeht. Und vielleicht gibt es einen Gott, und es ist Weihnachten, und deshalb könnte es etwas werden.“

Die Vergangenheit des Parks holt alle ein: Nach der Wende übernahm Pia Witte als Chefin der Spreepark GmbH mit ihrem Mann Norbert das Gelände des ehemaligen VEB Kulturpark. Wittes liehen sich viel Geld bei den Banken, investierten in Fahrgeschäfte und Infrastruktur. Was fehlte, waren die Besucher. Wittes rechneten mit 1,8 Millionen im Jahr. Die mussten 2001 schon 29 DM Eintritt bezahlen – und irgendwo parken. Als Teile des Plänterwaldes vom Senat zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wurden, konnten nicht genügend Parkplätze gebaut werden. Schulden und Besuchermangel führten die Spreepark GmbH 2001 in die Insolvenz. Da war der Erbbauvertrag zwischen dem Land Berlin und Pia Witte aber bereits unterschrieben – für eine Laufzeit von 66 Jahren. Er sollte Wittes Planungssicherheit geben, das Grundstück blieb im Besitz des Landes. Zur Insolvenzmasse gehörte nur, was dort mit dem Geld der Banken gebaut worden war. Viel brachte das nicht ein, und wurde noch weniger, als Norbert Witte 2002 sechs Fahrgeschäfte in Container verpacken ließ, sich damit nach Peru absetzte und erneut scheiterte.

2008 wurde das vom Land bezahlte Insolvenzverfahren beendet. Das Erbbaurecht ging zurück an Pia Witte. Es ist bis heute mit Schulden von etwa zehn Millionen Euro plus Zinsen belastet. Die Deutsche Bank als Hauptgläubigerin wollte das Geld bis zuletzt zurück.

Hinzu kommt, dass im Spreepark laut Flächennutzungsplan nur ein Freizeitpark entstehen darf. Für den Bezirk heißt das: laute Konzerte, Hotels oder Wohnungen sind tabu. Ute Löbel, Leiterin des Stadtplanungsamtes Treptow-Köpenick, macht außerdem klar, dass dem Bezirk „bei der derzeitigen Haushaltslage“ keine Kosten entstehen dürfen. Der Investor müsste alle Folgekosten für Straßen und Verkehrsführung selbst übernehmen. Zusammen mit der Sanierung des maroden „Eierhäuschens“, die auch Vertragsbestandteil ist, sind hier bereits Millionen nötig. Dazu fordert das Finanzamt die entfallene Grundsteuer, ein Betrag im oberen sechstelligen Bereich. Dem Land Berlin stünde ein Erbbauzins von circa 3,5 Millionen zu. Der Bezirk müsste sich mit der Initiative Pro Plänterwald einigen, die keinen zusätzlichen Lärm und Verkehr will. Zuletzt muss Pia Witte unterschreiben. Sie soll derzeit einen Imbiss in Berlin betreiben und das Erbbaurecht angeblich schnell loswerden wollen.

Erst dann könnte ein Investor etwas bauen, mit dem sich Geld verdienen lässt. Eine „bunte Sammlung von Ideen“ unter dem Arbeitstitel „Spreepark 25“ hat die Bar 25 Ende Oktober dem Bezirk präsentiert. Ein tragfähiges Konzept soll folgen. Ob der Plan „klein anzufangen und sich dann zu entwickeln“, aufgeht, hängt laut Löbel von der Finanzkraft der Sponsoren ab, die die Bar mit an Bord nehmen will. Sicher ist: „Der Bebauungsplan wird nur rechtsverbindlich, wenn wir wissen, welche Nutzungen am Ende stattfinden sollen und dass die Investitionen vom Bebauer übernommen werden können.“

„Die vertraglichen Altlasten sind die größte Hürde“, sagt Holger Lippmann, Geschäftsführer des Liegenschaftsfonds. Er verwaltet das Grundstück im Auftrag des Landes und muss bezahlen, wo die Spreepark GmbH nicht zahlen kann. 4,5 Millionen Euro sind so bereits zusammengekommen. „Das Geld ist weg“, sagt Lippmann. „Aber wir wollen, dass hier wieder etwas entsteht.“ Deshalb verzichte man auch auf die 3,5 Millionen Erbbauzins. Vier Investoren hat Lippmann kommen und wieder einpacken sehen. Oft sei einfach keine Einigung mit den Banken zustande gekommen. Auf die Einladungen des Liegenschaftsfonds zum Gespräch habe die Deutsche Bank in der gesamten Zeit nicht reagiert.

Spekuliert diese etwa darauf, dass das Land den Erbbauvertrag zurückkauft und alle Schulden begleicht? Kein Kommentar, solange die Verhandlungen laufen, heißt es auf Nachfrage. Dennoch könnte sich jetzt etwas tun, denn das Spreepark-Thema ist bei der Deutschen Bank in diesem Jahr aufgestiegen: von Ludwigshafen ins Management nach Frankfurt. Und: Das Finanzamt hat auf Zwangsversteigerung des Erbbaurechts geklagt. Käme es dazu, könnte die Bank leer ausgehen, weil die Schulden mit der Versteigerung gelöscht würden. Der Druck nimmt zu, sich mit einem Investor zu einigen.

Die Bar-25 fühlt sich gut aufgestellt. Jetzt hänge alles vom Gespräch mit der Deutschen Bank ab, „hoffentlich im Januar“. Gert Emge wünscht sich indes mehr Fotoshootings und Veranstaltungen. Derzeit decken die Einnahmen seine Unkosten nur knapp. An die 50 Interessenten hat er schon durch den Park geführt. Er glaubt, dass keiner der drei aktuellen ernsthaft infrage kommt. Bis zum letzten Vorhang im Spreepark-Drama könnte noch viel Schnee fallen.

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