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Florian Schmidt (B’90/Die Grünen), Bezirksstadtrat für Bauen, Planen und Facility Management in Friedrichshain-Kreuzberg.

© ba-friedrichshain-kreuzberg

Baustadtrat Florian Schmidt: Mit Landesgeldern gegen Profitgier

Stadtrat Florian Schmidt möchte seinen Bezirk zur Baustelle eines neuen Miteinanders machen.

Herr Schmidt, wird in Friedrichshain die letzte Schlacht gegen die Gentrifizierung geschlagen?

Der Bezirk kämpft mit allen Mitteln, um die Verdrängung der hier lebenden Bevölkerung zu stoppen. Aber noch nie hatten wir dabei den Senat als echten Partner an unserer Seite. Davon erhoffen wir uns schon einiges und vor allem die Möglichkeit, nun Mittel in die Hand zu nehmen, um die Dinge tatsächlich zu gestalten, statt sich in reinen Abwehrkämpfen zu verlieren. Auch können wir nun viel mehr Möglichkeiten des Baurechts nutzen – auch wenn sie den Bezirk Geld kosten. Denn immer, wenn man Verfügungs- und Verwertungsrechte von privaten Eigentümern tangiert, haben diese in Deutschland Anspruch auf angemessene Entschädigung. Diese zu leisten, sind die Bezirke ohne den Senat nicht in der Lage.

Wie geht es weiter in der Rigaer Straße? Friede den Hütten – Krieg den Palästen?

Ich sehe da weder Hütten noch Paläste, aber durchaus einen Kiez, der sich in den letzten Jahren stark verändert hat und der in mehrfacher Hinsicht zu einem Kristallisationspunkt unterschiedlichster Konflikte geworden ist. Sowohl autonome Hausbesetzer*innen als auch Baugruppen haben ein Recht auf Stadt bzw. einen Kiez, in dem sie ihre unterschiedlichen Lebensweisen leben können. Sich mit diesen Konflikten auseinanderzusetzen und die unterschiedlichen Akteur*innen an einen Tisch zu bringen, das sehe ich als eine der vorrangigen Aufgaben der Politik

Das Projekt der CG-Gruppe – Carré Sama-Riga – wird von Autonomen stark angefeindet. Wie stehen Sie dazu?

Das Projekt ruft nicht nur bei Autonomen Widerstand hervor, sondern wird von vielen Anwohner*innen kritisch gesehen. Und das liegt, so höre ich immer wieder, nicht nur an den Plänen selber, sondern auch am Auftreten der Investoren im Kiez. Die ursprüngliche Verabredung sah vor, dass auf dem Grundstück eine nicht unerhebliche Gewerbefläche langfristig stark verbilligt für soziale und kulturelle Projekte zur Verfügung stehen sollte. Sozusagen „sozialer Gewerbebau“. Die bisherige Entwicklung ist allerdings etwas enttäuschend. Deshalb, und auch weil sich die Verhältnisse in der Stadt stark verändert haben, prüfe ich, ob die Lage neu bewertet werden muss.

Darf man mit Immobilien Geld verdienen?

Wenn es nach mir ginge, sollen sich nicht die Projekte durchsetzen, die den größten monetären Profit abwerfen, sondern die den meisten Gewinn für die Bürger*innen und den Kiez bedeuten. Wir werden ordnungspolitische und investive Strategien brauchen, um der Verwertung der Kieze etwas entgegenzusetzen. Wir stehen aber erst am Anfang eines Weges, an dem die gemeinwohlorientierte Immobilienwirtschaft eine dominierende Rolle spielen wird. Es geht also gar nicht so sehr darum, privat gegen staatlich zu denken, sondern darum, wie eine solidarische und zugleich private Immobilienwirtschaft funktionieren kann.

In Neubauprojekten an der Spree werden Hunderte von noblen Eigentumswohnungen angeboten. Passt das zum Stadtteil?

Leider wurde der Bezirk dazu nicht gefragt oder wurde am Ende vom Senat übergangen, wie bei BoxSeven, und hatte auch keine rechtliche Handhabe, die Art der zu bauenden Wohnungen zu beeinflussen. Auch heute können wir nicht vorschreiben, ob jemand Miet- oder Eigentumswohnungen baut. Diese Möglichkeit gibt es im Baurecht nicht. Die Politik der sogenannten kooperativen Baulandentwicklung kam für diese Grundstücke zu spät.

Welche Rolle spielt die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Mitte? Sie will in Friedrichshain viele Wohnungen bauen, stößt aber auch auf Vorbehalte...

Die WBM wird hoffentlich eine konstruktive Rolle bei der Minderung des Mangels an Sozialwohnungen spielen. Denn es sind insbesondere die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die Wohnraum für ökonomisch Schwache bereitstellen. Allerdings erwarten wir von Bezirksseite aus ganz ausdrücklich, dass dies in Zusammenarbeit mit Nachbarschaften, Initiativen und dem Bezirk geschieht. Und das ist nicht ohne eine angemessene soziale Infrastruktur mitzudenken. Aktuell sind wir mit dem Senat im Gespräch darüber, wie das funktionieren kann. Der Prozess wird in jedem Fall Zeit brauchen.

Eine andere Baustelle ist das ehemalige Sport- und Erholungszentrum (SEZ) an der Landsberger Allee. Seit Jahren ist das eine Hängepartie. Wie wollen Sie Bewegung in die Sache bringen? Stichwort kooperative Baulandentwicklung...

Der Senat hat die Planung für das ehemalige SEZ aufgrund seiner gesamtstädtischen Bedeutung an sich gezogen. Der Bezirk ist deshalb nicht mehr involviert. Allerdings erhoffen wir uns vor allem auch Flächen für dringend benötigte soziale Infrastruktur, wie etwa einen Schulstandort. Hier erwarten wir, dass ein echter Mehrwert für den Kiez geschaffen wird.

Das RAW-Gelände galt lange als rechtsfreier Raum. Auf der Warschauer Brücke tobte das Szeneleben mit teilweise unangenehmen Begleiterscheinungen. Jetzt entsteht dort ein großes Einkaufszentrum. Kann dies die Lage beruhigen?

Ich glaube nicht, dass Einkaufszentren Ruhepole sind. Die Eigentümer bauen das Einkaufszentrum ja genau deshalb da hin, weil dort täglich mehr als 100 000 Menschen vorbeilaufen. Wir glauben nicht, dass ein zusätzliches Einkaufszentrum gebraucht wird. Ein Einkaufszentrum an der Warschauer Straße wird nichts gegen die bestehenden Probleme ausrichten und eher neue Probleme schaffen.

Sie haben die Idee geprägt, den Bezirk zurückzukaufen. Wo kommt das Geld her?

Grundsätzlich müssen Geldflüsse immer in einem größeren Kontext betrachtet werden. Wenn das Land Wohnungen kauft, sei es im Vorkauf oder auf dem freien Markt, sollte es versuchen, den Preis niedrig zu halten. Es kann sich aber auch lohnen, höhere Preise zu zahlen, weil dadurch langfristig die städtebauliche Struktur und der soziale Zusammenhalt erhalten bleibt. Ein Ankaufsfonds muss dringend beim Senat eingerichtet werden und ist ja auch im Koalitionsvertrag vorgesehen. Darüber hinaus braucht es gemeinwohlorientierte private Finanzierungstrategien, z.B. zivilgesellschaftliche Bodenfonds. Wichtig wäre es, unterstützende Instrumente wie Bürgschaften zu haben, damit auch finanzschwächere Gruppen kollektives, also der Spekulation entzogenes, Eigentum bilden können.

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