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Gut erhalten sind die Hallen der ehemaligen Zigarettenfabrik.

© Dirk Lässig

Stadtentwicklung: Dicke Luft über dem Reemtsmagelände: Weiter kein Wohnungsbau erlaubt

Der Bezirk will das Gelände als Gewerbestandort erhalten. Der Investor beklagt mangelnde Unterstützung durch die Verwaltung in Wilmersdorf.

Das waren noch Zeiten. „Der Duft der großen weiten Welt: Peter Stuyvesant“, warb einst die Firma Reemtsma mit dem Namen des ersten Gouverneurs von Nieuw Amsterdam (später New York). Produziert wurden die Zigaretten der Marke im beschaulichen Wilmersdorf, Ortsteil Schmargendorf.

2012 schloss das Werk an der Mecklenburgischen Straße wegen Umstrukturierung, die Produktion wurde nach Polen verlagert, die Immobilie an den Möbelmagnaten Kurt Krieger verkauft. Dieser veräußerte sie vor zehn Monaten weiter an „Die Wohnkompanie“, ein bundesweit in acht Städten tätiger Immobilienentwickler.

In Berlin baut das Unternehmen zurzeit zwischen Ostbahnhof und Mercedes-Benz Arena die Doppeltürme Max und Moritz – nach eigenen Angaben bald die höchsten Wohngebäude Berlins. Kurz vor der Fertigstellung stehen 130 Wohnungen auf dem Gelände des Oskar-Helene-Heims in Dahlem.

Auf dem Reemstmagelände sieht es mit einer Wohnbebauung allerdings nicht so gut aus. Der Standort soll für Gewerbe und Industrie erhalten bleiben, so wie es auch im entsprechenden Stadtentwicklungsplan vorgesehen ist. „Wir haben das im Bezirk und im Senat diskutiert und sind unabhängig voneinander dazu gekommen, an der gewerblichen Nutzung festzuhalten“, sagt Rainer Latour, Leiter des Stadtentwicklungsamtes in Charlottenburg-Wilmersdorf.

"Wir sind ja keine schnelldrehenden Spekulanten"

Der Grund: „Es gibt einen relativ hohen Bedarf an Gewerbeflächen. Viele kleine Gewerbestandorte sind inzwischen von Wohngebieten verdrängt. In Wilmersdorf gibt es etwas Vergleichbares gar nicht mehr“, sagt Latour. Außerdem sei das Reemtsmagelände durch die nahe gelegene Autobahn gut erschlossen und habe Vorteile wegen der gewerblichen Vornutzung und der gut erhaltenen Produktionshallen.

Der Investor kann sich mit der Entscheidung des Bezirks offenbar noch nicht so ganz abfinden. Auf die Frage, was genau er vorhat, erklärt der geschäftsführenden Gesellschafter Stephan Allner: „Wir erarbeiten derzeit verschiedene Planungsvarianten. Je nach Version ist eine rein gewerbliche Nutzung oder die Umsetzung der reizvollen Berliner Mischung aus Wohnen und Arbeiten möglich.“

Noch offen sei die Entscheidung, welche Gebäude erhalten bleiben und welche abgerissen oder durch Neubauten ergänzt werden sollen. Das Bürogebäude an der Mecklenburgischen Straße sei aber fast komplett vermietet und in den großen Hallen werde eine Zwischennutzung mit Werkstätten und Logistikflächen umgesetzt, berichtet Allner. „Ein neu angesiedelter Caterer bekocht uns und auch als Film-Drehort erfreut sich das Areal großer Beliebtheit“, sagt er.

Was die weitere Planung angeht, will Allner es ruhig angehen lassen. „Wir sind ja keine schnelldrehenden Spekulanten, sondern haben Zeit. Unsere Projekte setzen wir von A bis Z selbst um, da muss sorgfältig geplant werden. Der Planungshorizont liegt hier bei fünf bis zehn Jahren.“ Einen ersten Bauantrag werde es im kommenden Jahr geben, kündigt er an.

Trotzdem wurmt es ihn, dass er mit einer Wohnbebauung nicht voran kommt, jedenfalls ist das aus den Antworten herauszuhören: „In Teilen der Bezirksverwaltung gab es auf Anfrage Ablehnung oder wenig Interesse an der Ansiedlung neuer Wohnungen auf dem Gelände. Einladungen zur Besichtigung, Erläuterung und Vor-Ort-Gesprächen blieben unbeantwortet, auch von Stadtentwicklungssenator Geisel“, klagt Allner.

Der Bezirk will sich die Option für wohnortnahe Arbeitsplätze offen halten

Nicht einmal zur Flüchtlingsunterbringung hat es gereicht. „Als wir für Teilflächen angefragt wurden und diese zugesagt hatten, wurde der Baustadtrat aktiv und beschimpfte uns per Presseinterview“, erinnert sich Stephan Allner. Stadtrat Marc Schulte (SPD) hatte dem Tagesspiegel gesagt, mit der Unterbringung von Flüchtlingen solle hier „unter dem Vorwand der Humanität Baurecht für Wohnen durch die Hintertür erwirkt werden“.

Dabei hat Allner Planungen entwickelt, mit denen die Gewerbefläche auf dem ehemaligen Reemtsma-Areal sogar noch erweitert würde und dennoch Platz für Wohnungen sein könnte. „Es glaubt doch niemand ernsthaft, dass sich mitten in Schmargendorf nochmal ein einziger, riesiger Industriebetrieb mit rauchendem Schornstein ansiedelt. Es geht um die Kombination zukunftsfähiger Arbeitsplätze und innerstädtischem Wohnen“, sagt er.

Das sieht der Bezirk ähnlich – und doch anders: „Wir haben ein Interesse, wohnortnah Arbeitsplätze schaffen zu können“, sagt Rainer Latour und begründet damit das Festhalten am Gewerbestandort. Allner dagegen hält eine teilweise Wohnungsnutzung am Rande der benachbarten Kleingärten weiter für sinnvoll. Das sehen auch Anwohner so. Immer wieder tauchte die Forderung auf, statt der umstrittenen Bebauung der benachbarten Kleingartenkolonie Oeynhausen doch das Reemtsmagelände als Wohnungsstandort auszuwählen. „Mit Oeynhausen hat das nichts zu tun“, kontert Latour.

Allners Fazit lautet: „Selten unterstützen die Bezirksverwaltungen den Wohnungsneubau so, wie sie das politisch vom Senat vorgegeben bekommen.“ Entweder gebe es zu wenig Sachbearbeiter oder die Lokalpolitik überziehe die „Porsche fahrenden, reichen Bauträger mit Sonderwünschen“.

Die Senatsvorgabe, Entwicklern von Neubauwohnungen auch noch „Infrastrukturabgaben“ abzuquetschen, verteuere den Wohnungsbau zusätzlich. Zwischen dem Neubau von sehr teuren Eigentumswohnungen und dem öffentlich-geförderten Sozialwohnungsbau bleibe für Mittelstandsmenschen nichts Bezahlbares mehr übrig. „Sie dürfen aus 80 Kilometer Entfernung einpendeln“, prophezeit Stephan Allner.

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