zum Hauptinhalt
Die Bebauung soll einfacher werden. Nach dem neuen Baulandmobilisierungsgesetz sollen vor Ort flexible Nachverdichtungen ermöglicht werden – zum Beispiel zur Schließung von Baulücken oder zum Ausbau von Dachgeschossen.

©  Lutz Hannemann

Bauland: Ein Herz für Bauwillige

Der Bund will durch ein neues Gesetz mehr Bauland mobilisieren. Es wird nur der Mangel verwaltet, sagen Kritiker.

In vielen deutschen Städten sind Wohnungen stark umkämpft. Sie werden teurer und teurer, wie sich in dieser Woche einmal mehr zeigte. Die Bedingungen, unter denen aus Mietwohnungen Eigentumswohnungen werden dürfen, sind vor diesem Hintergrund heiß umstritten (der Tagesspiegel berichtete). Die Bundesregierung ist sich zwar seit Anfang November einig; was der Bundestag nun mit dem Kabinettsbeschluss macht, ist eine andere Frage. Die neuen Regelungen sollen zunächst bis Ende 2025 gelten, doch muss der Bundestag zunächst zustimmen. Fakt ist: Das am 4. November beschlossene Vorhaben dreht sich nicht allein um Umwandlungsverbote.

Das Baulandmobilisierungsgesetz sieht auch die Wiedereinführung einer vor allem von Umweltverbänden kritisierten Regelung zum unkomplizierteren Bauen am Ortsrand vor, die Ende vergangenen Jahres zunächst ersatzlos ausgelaufen war. Sie soll nun verlängert werden – bis Ende 2022. Diese Befristung schreibt sich die SPD zugute, sie habe Forderungen der CDU/CSU abschwächen können, heißt es in einem internen Fact Sheet der SPD-Bundestagsfraktion zur Baugesetzbuchnovelle: „Wir sehen die Verlängerung kritisch, da sie das Ziel, der Eindämmung von Flächenverbrauch gefährden kann und der Prämisse Innen- vor Außenentwicklung entgegensteht.“ Konkret wird der Wohnungsbau erleichtert auf bis zu 10 000 Quadratmeter großen Flächen, „die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen“. Also am Ortsrand.

In einem Verfahren nach diesem Paragrafen 13 b ist keine Umweltprüfung notwendig. Es muss auch keinen Ausgleich für den Naturschutz geben. Das soll helfen, neuen Wohnraum zu schaffen. Nach Einschätzung der SPD zeige die Evaluierung hingegen, „dass das Ziel, mit diesem Instrument kostengünstigen Wohnraum in angespannten Wohnungsmärkten zu schaffen, bisher nicht erreicht wurde“.

Naturschützer warnen vor unkontrolliertem Flächenverbrauch

Der Vorsitzende der IG Bau, Robert Feiger, reagierte mit Unverständnis auf den Entwurf: „Damit wird die beschleunigte Versiegelung von Landwirtschafts- und Forstflächen in Kauf genommen. Ein nachhaltiger, klimaschonender Umgang mit dem knappen Gut Boden sieht anders aus.“ Der Geschäftsführer der Umweltverbandes Nabu, Leif Miller, rügte ebenfalls, der Paragraf fördere einen unkontrollierten, beschleunigten Flächenverbrauch.

Mit dem Paragrafen 13 b wird aus Sicht von Umweltschützern dem Flächenfraß Tür und Tor geöffnet. Sie ist ein schleichendes kaum wahrnehmbares, aber nicht minder folgenreiches Phänomen: Jeden Tag werden laut Umweltbundesamt in Deutschland 56 Hektar Boden bebaut, zu mehr als der Hälfte durch Wohnungsbau, Gewerbe, Industrie, öffentliche Einrichtungen und zu einem Drittel für den Verkehr. Das entspricht 78 Fußballfeldern. Da ist es noch ein weiter Weg für den Bund, wie geplant bis 2030 den Flächenverbrauch auf weniger als 30 Hektar pro Tag zu senken und bis 2050 die EU-Vorgabe eines Netto-Null Flächenverbrauchs zu erfüllen.

Wenn der Entwurf des Baulandmobilisierungsgesetzes so durch Bundestag und Bundesrat ginge, wäre das aus Sicht von Christiane Kranz, Geschäftsführerin des NABU Bezirksverbandes Rhein-Neckar-Odenwald in Leimen, die „Vollkatastrophe“. Damit würde der Arten- und Umweltschutz nicht mehr ausreichend gewürdigt, die Beteiligung der Öffentlichkeit reduziert. Zudem müssten die Kommunen keine Ausgleichsflächen mehr suchen. Die mit dem Flächenverbrauch einhergehende Versiegelung von Boden sei kaum revidierbar und töte das Leben in ihm ab.

Ebenfalls geplant ist eine Ausweitung der Möglichkeiten, ein Baugebot zu verhängen, und zwar ebenfalls in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Damit kann eine Gemeinde unter anderem Eigentümer verpflichten, Grundstücke innerhalb einer bestimmten Frist zu bebauen. Auch hier plant Seehofer aber Ausnahmen, zum Beispiel wenn das Grundstück der Altersvorsorge der Besitzer dienen soll. „Damit beenden wir das Treiben von Spekulanten, die sich Brachflächen sichern und auf Wertsteigerungen warten“, sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. „Auch geben wir Kommunen die Instrumente an die Hand, um Nachverdichtung in Innenstädten zu erleichtern und einfacher gegen sogenannte Schrottimmobilien vorzugehen.“ In Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten soll „ein neues besonderes Vorkaufsrecht an brachgefallenen, unbebauten oder geringfügig bebauten Grundstücken eingeführt werden“. In dem internen SPD-Papier heißt es dazu weiter: „Wenn die Eigentümer*innen nicht bauen wollen, kann die Stadt das Grundstück übernehmen – auch zugunsten einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft oder Genossenschaft, die dort bauen will (§ 176 BauGB).“

Haus & Grund Deutschland: So wird kein neues Bauland mobilisiert

Der Eigentümerverband Haus & Grund sprach von einem „wohnungspolitischen Täuschungsmanöver der Bundesregierung, mit dem sie der Mangelverwaltung weiter Vorschub leistet“. Präsident Kai Warnecke beklagte: „Statt Bauland zu mobilisieren, werden Eigentumsrechte beschnitten.“

Geplant ist, dass in Gebieten mit hohen Mieten und knappem Wohnraum die örtlichen Behörden einer Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zustimmen müssen. Die Ausweisung solcher Gebiete ist Sache der Landesregierungen. Ausnahmen sind vorgesehen, etwa wenn Eigentümer Wohnungen an Familienmitglieder zur eigenen Nutzung verkaufen. „Insbesondere der Umwandlungsschutz und die erleichterten Baugebote sind unserem Koalitionspartner weiter ein Dorn im Auge“, heißt es im aktuellen SPD-Papier. Es bedürfe großer Kraftanstrengungen, damit eine Verabschiedung des Gesetzes in der 19. Wahlperiode gelinge.

Die Zahl der Bauvorschriften hat sich in dreißig Jahren vervierfacht

Der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA, ein Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, kritisiert das wochenlange politische Tauziehen rund um das Baulandmobilisierungsgesetz. „Das Baugesetzbuch ist das entscheidende Werkzeug, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und unsere Innenstädte nach der Coronakrise fit für die Zukunft zu machen“, sagte ZIA-Präsident Andreas Mattner in einer Stellungnahme. Vor diesem Hintergrund sei ihm schleierhaft, warum es trotz langer, intensiver Debatten in der Baulandkommission zu diesem Hin und Her der Baugebote und Umwandlungsverbote in den letzten Wochen kommen konnte. „Baugebote und Vorkaufrechte schaffen keine einzige zusätzliche Wohnung“, kritisierte Mattner. Schon die vorhandenen Instrumentarien würden selten genutzt, eine Verschärfung sei also sinnlos. „Sie machen Neuprojekte im schlimmsten Fall noch langwieriger, komplexer und somit unattraktiver. Wenn wir schneller und günstiger Wohnraum schaffen wollen, brauchen wir nicht zusätzliche Regulierungsbremsen, sondern müssen endlich den Planungsturbo zünden.“ Die Zahl der Bauvorschriften habe sich in den letzten 30 Jahren auf 20000 vervierfacht.

Indes sieht der Gesetzentwurf auch Befreiungen von Bauvorschriften vor: „Eine weitere Erleichterung sind die Möglichkeiten zur Befreiung von Bebauungsplänen, die dem zügigen Wohnungsneubau entgegenstehen“, bilanziert die SPD-Bundestagsfraktion in ihrem Fact Sheet: „Demnach können künftig die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung eine Befreiung rechtfertigen (§ 31 BauGB).“

Die Novelle bleibt zwischen den Koalitionspartnern heftig umstritten. Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) plante zunächst höhere Hürden für die Umwandlung, machte dann aber einen Rückzieher, was sein Ministerium mit Widerstand in den Ländern begründete. Die SPD drohte daraufhin mit Blockade. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false