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Immobilien: Ganz in Lack

Die Kerzen der Saison glänzen, sind bräunlich bis sanft orange und duften dezent

Der Wind weht das Laub durch die Parks und die Menschen von den Straßen. Es wird früh dunkel und das Leben findet wieder mehr drinnen und weniger draußen statt. „Cocooning“ nennen das Wohndesigner. Man richtet sich gemütlich ein für die kalten Tage, die da kommen. Kerzenlicht gehört dazu.

Dabei sind Kerzen längst nicht mehr nur stimmungsvolle Lichtmacher, die weiche Schatten an die Wand zaubern, sondern auch den Sinnen schmeicheln, kleine Kunstwerke oder schickes Dekor. „Kerzen sind Teil des Lifestyles“, sagt Ingrid Grimm vom Verband der Deutschen Kerzenhersteller in Frankfurt. Sie werden passend zum Interieur gewählt, zu Sofa, Kissen, Geschirr oder Gardinen – und zum Lebensgefühl. Wie bei den Wohndesign-Trends 2007 seien auch bei den Kerzen leichte, warme Farben und einfache Formen angesagt. Flower Power und Zurück-zur-Natur geben die Richtung vor.

Im Herbst sind entsprechend Brauntöne, vom dunklen Nougat und Schoko bis zum sanften Orange, angesagt, die in Form von klassischen Stumpenkerzen daherkommen. Es gibt aber auch die kunstvolle Blumenvariante, Kerzen in Rosenform, Kerzen mit Blumenmuster oder in Wachs eingelassenen Orangenschalen. Um die Weihnachtszeit wird aber wieder traditionell geschmückt, mit Stumpenkerzen in Rot und Weiß. Avantgardisten trauen sich an ein Dekor in Schwarzweiß mit Lackkerzen, sagt die Fachfrau.

Auch der Wohntrend zum Einfachen, fast Robusten, findet sich in der Kerzenwelt wieder: in grobe Holzscheiben eingelassene Outdoorkerzen, große, weiße Kirchenkerzen oder bis zu einen Meter hohe, mehrdochtige Stumpenkerzen, die in unterschiedlichen Höhen nebeneinander arrangiert werden, sind angesagt. Teelichter werden in dicken Gläsern als Windlicht aufgestellt.

Zum stimmungsvollen Wohnen gehört aber nicht mehr allein der optische Schein einer Kerze, sondern auch das, was sie olfaktorisch zu bieten hat: Düfte von A wie Ambra über W wie warme Milch bis zu Z wie Zitronella sind zu haben – alles was die Nase begehrt. Sie werden im Wohnzimmer, im Bad oder Arbeitszimmer aufgestellt und verbreiten dort beruhigenden Lavendel-, aphrodisierenden Rosen-, konzentrationsfördernden Orangen- oder weihnachtlichen Zimtgeruch. „Dabei sollte ein Duft wie ein leichter Hauch durch den Raum schweben, dezent und exklusiv“, rät die Expertin. Mehrere Noten vermischt oder ein zu intensiver Geruch könne zu Kopfschmerzen führen.

Wer in Berlin auf Kerzensuche geht, findet in Supermärkten und Drogerien einfache Tafel-, Stumpen- und Kugelkerzen oder auch verschiedenfarbige Teelichter und Duftkerzen. Modisches und Exklusives aber bekommt man in den rund 15 Fachgeschäften und Geschenkartikelabteilungen von Warenhäusern. Dort werden bunt gestreifte oder goldene Kerzen angeboten, kleine oder große, eckige oder runde. Es gibt Kerzen in Croissantform oder als Pralinenschachtel, in Bioversion aus Stearin und Bienenwachs oder die gängigen Paraffinkerzen aus Erdöl. Die Vielfalt ist riesengroß.

Der Kerzenladen Parafino am Alexanderplatz zum Beispiel hat eine Reihe ungewöhnlicher Herbstkerzen im Sortiment, kleine Pilze, Ahornblätter und Laubsträuße oder große, bis zu einen Meter hohe Landhaus-Stumpenkerzen in mildem Orange. Daneben gibt es poppig bunte Modelle, wie die Lounge-LightKerzen mit einsetzbarem Lichtmotor, der wie eine Diskokugel wechselnde Farben durch die Wachswände nach außen strahlt. Man findet Lotuskerzen, die sich beim Abbrennen zur Blume entfalten oder Stearinkerzen mit der charakteristischen kristallinen Maserung.

Wer edlen Kerzenschmuck sucht, ist im KaDeWe richtig. Dort sind in Wachs gegossene Blumenbouquets in Rosa, Lila und Rot ausgestellt. Oder barocke Vasen mit antikem Flair. „Sie wurden mit Luft verarbeitet“, erklärt eine Verkäuferin. Das verleihe ihnen eine Art Patina. Es gibt weißliche, runde wie eckige Kerzen mit Stiefmütterchen oder Engeln verziert, Stabkerzen, die aussehen wie aus Holz geschnitzt, und kitschig-schöne silberne Kerzen mit aufgesetzten Ornamenten. In einem Regal stapeln sich in Glas gegossene Duftlichter in 60 Noten. Als Neuheit gelten so genannte TealightTops: Wachsscheiben, die nach Orange, Schwarzkirsche oder Wellness riechen und Teelichte in Duftkerzen verwandeln.

Ein großer Teil der Wachswaren, die auf dem Markt zu haben sind, wird industriell gefertigt, gezogen, gegossen, gepresst oder gewickelt – und eventuell von Hand verziert, sagt Kerzenexpertin Ingrid Grimm. Kerzenmanufakturen gibt es fast nur noch im Süden von Deutschland. In Berlin sind sie so gut wie ausgestorben. Die letzte bei der Handwerkskammer eingetragene Kerzenmacherin hat ihr Gewerbe im letzten Jahr aufgegeben.

Wer auf die Suche geht, stößt aber doch noch auf eine Hand voll Manufakturen, die für Privatkunden, Gärtnereien oder auch kleine Läden produzieren.

Michael Friedl ist einer dieser Kerzenmacher. Hinter seinem Laden „Feuer und Flamme“ in Prenzlauer Berg, in dem er selbst hergestellte und handgearbeitete Stücke aus Dänemark verkauft, hat er seine Werkstatt. Acht Tonnen stehen da, die mit Paraffin-Wachs in Blau, Rot oder Gelb gefüllt sind. Ein Heizungsrohr hält die zähflüssige Masse warm. Fast vierzig Mal muss Friedl einen imprägnierten Docht eintauchen, bis eine daumendicke Kerze heranwächst, bunt oder unifarben, gedreht oder gerade geformt: Jede ist ein Unikat.

Damit sie nicht an Schönheit verlieren, rät er, Kerzen grundsätzlich brennen zu lassen, bis die gesamte Oberfläche flüssig ist. „Sonst lagern sich hässliche Ränder ab und der Docht frisst sich in die Kerze hinein.“ In einem solchen Fall helfe nur noch, den Rand nach innen zu drücken oder abzuschneiden.

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