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Der Traum vom Haus. Die extrem niedrigen Zinsen befeuern den Immobilienmarkt in Deutschland. Vor allem in Großstädten wird Wohneigentum immer teurer.

© Martin Schutt/dpa

Hypothekenzinsen: Billige Liquidität wird als Droge abgesetzt

Die Hypothekenzinsen werden nicht ewig auf dem aktuellen Schnäppchenniveau verharren. Zinsexperten, Notenbanker und Geldinstitute rechnen mit weiterhin steigenden Baugeldpreisen.

Die extrem niedrigen Zinsen befeuern den Immobilienmarkt in Deutschland. Vor allem in Großstädten wird Wohneigentum immer teurer, ein Ende des Aufwärtstrends ist nicht in Sicht. Dank historisch niedriger Zinsen für Hypotheken können Käufer ihr Eigenheim aber wenigstens sehr günstig finanzieren. Noch.

Viele Marktteilnehmer fürchten, dass die Mitte 2013 gesehenen Tiefstände bei den Renditen nicht wieder kommen werden, sondern vielmehr das Ende eines seit 30 Jahren bestehenden Trends fallender Zinsen bedeutet haben. Ausgehend von den USA sind die langfristigen Kapitalmarktzinsen in den wichtigsten Märkten weltweit seit Mai deutlich angestiegen. Amerikas Notenbankchef Ben Bernanke lasse die Notenpresse allmählich etwas langsamer rotieren, betont Immobilienexperte Stefan Mitropoulos von der Helaba. „Die Notenbanker wissen, dass sie anfangen müssen, die Droge Liquiditätsversorgung schrittweise abzusetzen“, sagt Robert Haselsteiner, Gründer und Zinsexperte der Interhyp AG, einer Baufinanzierungsberatung mit Sitz in Berlin. „Die Systeme müssen wieder lernen, auch unter normaleren Bedingungen zu funktionieren – nicht nur unter dem Morphiumrausch, den die Notenbanken erzeugt haben, um die Schmerzen während der Operation zu lindern.“ Mitropoulos und Haselsteiner sind sich einig, dass das aktuelle Zinsniveau das Ergebnis massiver Marktinterventionen der Notenbanken in Abstimmung mit der Politik ist.

Die Folgen bekommen Käufer in Deutschland zu spüren, die die eigenen vier Wände per Kredit finanzieren. Noch im Frühjahr kostete Baugeld mit zehn Jahren Laufzeit im Schnitt 2,31 Prozent, sagt Max Herbst von der FMH Finanzberatung in Frankfurt. Seither ist der Zins auf 2,76 Prozent geklettert. Und Herbst ist überzeugt: „Bei den Hypothekenzinsen ist noch Luft nach oben.“ So sieht es auch Mitropoulos. Er schätzt, dass der Preis fürs Baugeld bis Ende 2014 auf drei bis 3,5 Prozent steigen wird: „Das ist immer noch ein sehr niedriger Zinssatz, die Hausfinanzierung bleibt für viele Menschen erschwinglich.“ Schließlich liege der langjährige Durchschnitt bei 6,5 Prozent. Vor einigen Jahren habe er sogar bei acht Prozent gelegen.

So viel ist klar: Ewig werden die Hypothekenzinsen nicht auf dem aktuellen Schnäppchenniveau verharren. Doch auch ein rapider Anstieg ist zunächst unwahrscheinlich. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins auf das Rekordtief von 0,5 Prozent gesenkt und angekündigt, ihn „für längere Zeit auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau“ zu halten.

Eigentum statt Sparbuch

„Die wirtschaftliche Situation in Europa und die Aussagen der EZB deuten darauf hin, dass Baufinanzierungen in Deutschland weiterhin höchst attraktiv bleiben“, sagt Stephan Gawarecki, Vorstandssprecher des Finanzdienstleisters Dr. Klein & Co.

Während die EZB-Krisenpolitik jenen in die Karten spielt, die ein Eigenheim finanzieren wollen, vernichtet sie das Geld der Sparer: Die Inflation frisst die Zinsen auf. Die Folge: Statt aufs Sparbuch stecken immer mehr Menschen ihr Geld in Häuser und Wohnungen. „Immobilienanlagen sind im Vergleich zu fest verzinslichen Anlagen attraktiver geworden“, sagt Experte Jochen Möbert von der Deutschen Bank.

Weil gleichzeitig die Bevölkerung in Ballungszentren wächst, und die Bautätigkeit der Nachfrage nicht folgen kann, klettern die Immobilienpreise. Nach Berechnungen des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp) war selbst genutztes Wohneigentum in Deutschland im zweiten Quartal um 3,3 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Für Eigentumswohnungen mussten Käufer demnach 6 Prozent mehr bezahlen, für Ein- und Zweifamilienhäuser 2,3 Prozent mehr.

„Bestimmend für die Preisentwicklung bei deutschen Wohnimmobilien sind nach wie vor die attraktiven Groß- und Universitätsstädte“, sagt vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt: „Hier sorgen eine steigende Anzahl an Einwohnern und Privathaushalten für eine anhaltende Nachfrage.“ Allerdings waren die realen Wohnimmobilienpreise in Deutschland zuvor zwischen 1994 und 2008 gefallen, wie die Experten der Deutschen Bank erklären. Und obwohl Wohnraum gerade in den Ballungszentren seither deutlich teurer geworden ist, hält Möbert Sorgen vor einer Immobilienblase für unbegründet: „Vergleicht man die realen Preisanstiege in Deutschland mit den Phasen der Immobilienpreisanstiege anderer OECD-Länder, liegt die aktuelle Entwicklung am unteren Ende.“ Jean-Michel Six, Europa-Chefvolkswirt der Ratingagentur Standard & Poor’s, ist überzeugt: „Die Preise für Wohneigentum in Deutschland werden weiter steigen.“ Dafür sprächen der Arbeitsmarkt, die Einkommenserwartung, die niedrigen Zinsen und die Nachfrage nach sicheren Geldanlagen.

„Wir erwarten, dass die US-Notenbank weiterhin den Markt auf eine Reduzierung der Anleihekäufe vorbereitet“, sagt Robert Haselsteiner, einer der Gründer der Interhyp AG. „Der Aufwärtsdruck bei den US-Zinsen wird daher in den nächsten Monaten bestehen bleiben. Die Zinsen in Euroland können sich von den Vorgaben aus den USA nicht wirklich abkoppeln. Die Tendenz für die deutschen Langfristzinsen wird daher auch nach oben deuten.“ (mit dpa)

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