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Capital Cairo: Ägypten plant eine neue Hauptstadt mit Flughafen, Freizeitpark, Einkaufstempeln und tausenden Hotels. Fünf Millionen Menschen sollen hier unterkommen. Spätestens 2025 soll die Megacity fertig sein.

© dpa

Kairo: Hauptstadt mit Luftschlössern

Ägyptens Staatspräsident al Sisi träumt von einem neuen Kairo. Woher das Geld kommt, ist ungewiss.

Man kennt das von Ländern wie Nigeria, Kasachstan oder Birma, das heute Myanmar genannt sein möchte: Die Hauptstadt macht nichts mehr her, also baut man sich eine neue. Die letzte Hauptstadtneugründung mit einigermaßen überzeugendem Ergebnis war freilich Brasília. Es war politisches Programm, die Hochburg der angestammten Eliten im Süden zu verlassen und als Impuls für die Entwicklung des ganzen Landes eine neue Hauptstadt im Zentrum des Landes zu etablieren.

Wenn jetzt der ägyptische Staatspräsident Abdel Fattah al Sisi die Teilnehmer einer internationalen Investorenkonferenz im Badeort Scharm El Scheich mit dem glitzernden Modell einer neuen Hauptstadt Ägyptens überraschte, dann aus zwei Gründen. Zum einen neigt er zu großen Visionen. Zum anderen hat ihn offenbar das tägliche Bild der Misere vor seiner Haustür zu der Überzeugung gebracht, dass mit seiner Hauptstadt kein Staat mehr zu machen ist. Die Einwohner leben in Smog, Müll und Lärm. Die Bausubstanz ist marode, am Stadtrand wuchern die Slumgebiete, die Infrastruktur liegt am Boden und das Einzige, was beim Verkehrssystem regelmäßig funktioniert, ist der Kollaps.

Das Gesundheitssystem, das Schulwesen, den Verkehr sowie Ver- und Entsorgung einer 20-Millionen-Metropole in Ordnung zu bringen, ist mühsame Kärrnerarbeit. Da lässt man sich lieber von aus dem Ausland herbeigerufenen Planern und Investoren eine neue Stadtvision entwerfen. Umweltgerecht soll sie sein, fußgängerfreundlich, grün und mit gesunder Luft, so lauten die vollmundigen Ankündigungen. Der Internetauftritt gaukelt eine glänzende, weltläufige Stadt vor, in der glückliche junge Menschen flanieren, shoppen und weltläufigen Lifestyle genießen. Rund 45 Kilometer östlich des Nils soll sich die altehrwürdige Hauptstadt als internationale Metropole und Zentrum der arabischen Region neu erfinden.

Kairo dehnt sich nach Osten

Denn Kairo wird seine Einwohnerzahl in den nächsten vier Jahrzehnten auf 40 Millionen Menschen verdoppeln. So lauten die Prognosen, auf deren Verlässlichkeit allerdings niemand wetten würde. Die Zahl ist so vage wie die Kosten, die für die neue Verwaltungs- und Wirtschaftshauptstadt angegeben werden. Sie schwanken zwischen 45 und 80 Milliarden Dollar.

Kairo dehnt sich ohnehin nach Osten Richtung Suezkanal aus. Ein riesiges neues Wohngebiet schiebt sich halbkreisförmig in die Wüste. Auf 170 Quadratkilometern sind drei- bis fünfgeschossige postmodern-bunte Wohnhäuser im Bau, dazu tausende Einfamilienhäuser und Nobelresorts mit Swimmingpools in jedem Garten. Der Wasserverbrauch wird demnach explodieren. Ebenso das Verkehrsaufkommen, denn der öffentliche Nahverkehr in dem weitläufig angelegten Areal wird nicht weiter entwickelt. Bis auf eine zentrale Linie gibt es kein Bahnsystem. Man setzt auf Busse und Autos.

Die neue Capital Cairo – abgekürzt CC und gesprochen wie der Name des Staatspräsidenten Sisi – soll sich östlich an diese Wohnstadt anschließen. Fünf Millionen Menschen sollen hier unterkommen. 700 000 Quadratkilometer Siedlungsfläche stehen zur Verfügung, mehr als das bisherige Kairo, das mit einer Einwohnerdichte von 6000 Menschen pro Quadratkilometer leben muss.

Im Zentrum sehen die Planer eine Ansammlung von Hochhäusern vor, wie sie in allen wohlhabenden Städten der Welt zu finden sind. Die einmalige Chance in der Retortenstadt, mit den Hochhäusern eine unverwechselbare städtebauliche Konfiguration zu bilden, die sich künftig als ikonisches Bild der Stadt in den Köpfen festsetzen könnte, wird offenbar nicht gesehen. Zu eng ist die Verflechtung der Planer mit den potenziellen Investoren in der Golfregion, für die planerisch möglichst unbelastete Investitionsmöglichkeiten bereitet werden sollen.

Die Finanzierung steht in den Sternen

Die Superlative gehen Wohnungsbauminister Mustafa Madlubiden und den Planern von „Ägyptens Zukunft“ leicht von der Zunge. Ein Disney-Vergnügungspark auf 400 Hektar soll viermal so groß werden wie der in Kalifornien. 90 Quadratkilometer Solaranlagen, 2000 Schulen, 1250 Moscheen, 40 000 Hotelzimmer stehen auf der Agenda. Natürlich gehört auch ein neuer Flughafen dazu, 16 Quadratkilometer groß, aber ohne Erweiterungsmöglichkeiten.

Denn er ist mitten in der Stadt angelegt, mit unmittelbar an die Startbahnen angrenzenden Wohngebieten. Ist schon das alte Kairo vom Fluglärm des nahen Airports beeinträchtigt, so wird es Capital Cairo erst recht sein. Zukunftsweisende Stadtplanung sieht anders aus. In sieben Jahren soll der Regierungssitz aus dem Wüstenboden gewachsen sein. Das Parlament, der Präsidentenpalast, die Ministerien und ausländischen Botschaften sollten schon in fünf Jahren in die neue Hauptstadt verlegt werden. Insgesamt rechnet man mit zwölf Jahren für das Gesamtprojekt.

Über die Finanzierung wurde bisher nichts Konkretes bekannt. Investoren aus den Emiraten am Golf stehen sicherlich bereit, werden aber nur bei Nachfrage an Raum für Büros, Geschäften und Wohnungen sowie entsprechenden Erfolgsaussichten aktiv werden. Die Finanzierung der neuen Regierungsgebäude und der städtischen Infrastruktur steht dagegen in den Sternen. Skeptiker und Kenner der Verhältnisse gibt es viele, die den hochfliegenden Ideen wenig Aussicht auf Realisierung zubilligen.

Große Planungen, die rasch durchgesetzt werden sollen, sind in einem Land wie Ägypten ein Eldorado der Korruption. Und sie sind nicht, wie jede gesunde wirtschaftliche Entwicklung, bedarfsgesteuert. Die hochfliegenden Investitionspläne ohne konkrete ökonomische Hintergründe bergen also enorme Risiken für eine harte Landung. Die alte Hauptstadt hat ausgedient, wir bauen eine neue. Es klingt nach einer Wegwerfmentalität. Aber das alte Kairo wird dennoch bleiben. Und es besteht dringender Bedarf bei der Sanierung der existierenden, inzwischen alle Merkmale einer Megacity nach dem Vorbild der Dritten Welt tragenden Hauptstadt. Doch für diese wenig glamouröse Aufgabe wird das Geld der Investoren aus der Golfregion nicht so locker liegen.

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