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Typisch USA. Ein Haus wie dieses Hotel in McCarthy (Alaska) ist für viele der Inbegriff uramerikanischer Lebensart.

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Organic Lifestyle: Wo Holzhäuser schon lange zum alten Eisen gehören

In den USA verbinden sich Wohnstile mit Elementen aus der Landwirtschaft oder maritimen Accessoires.

Das Übertreiben liegt den Amis im Blut - beim Einrichten ihrer Wohnungen und beim Gestalten ihrer Grundstücke und Häuser. „Die Amerikaner dekorieren mit Vorliebe“, sagt Sabine Ryan, die für den Einrichter American Heritage über die US-amerikanische Lebensart bloggt. Allerdings fällt das Einrichten regional sehr unterschiedlich aus. Als Hauptrichtungen erkennt sie den maritimen Neu-England- Stil, den ländlichen Farmhouse-Stil und den texanischen Ranch-Stil.

Der Neu-England-Stil im Nordosten ist durch die Nähe zum Atlantik geprägt. „Maritime Stilelemente sind in den Küstenregionen sehr beliebt: Muscheln, Leuchttürme oder Seesterne auf Vorhängen und Kissen, Möbel und Deko in Weiß und Blau, gestreifte Stoffe und Tapeten, Mini-Segelboote – eben alles, was an Urlaub, Strand und Meer erinnert“, zählt die Unternehmerin Sabine Ryan auf. An der Veranda hängen weiße Schaukeln, die Vorlage für die deutsche Hollywood-Schaukel. Typisch seien auch „Beadboards“, weiß lackierte Holzverkleidungen, die ursprünglich als Wandschutz gedacht waren und heute für Landhaus-Atmosphäre sorgen.

Im mittleren Westen sieht es etwas anders aus. Der Farmhouse-Stil vereint Elemente aus der Landwirtschaft: Das alte Kutscherrad hinterm Haus oder der ausrangierte, mit Blumen überwachsene Kornschredder zieren das Grundstück. Texas ist natürlich die Heimat der Cowboys. „Beim rustikalen Ranch- oder Blockhausstil dominieren Materialien wie Holz, altes Eisen oder Leder. Sättel, Felle und Hufeisen werden zur Zierde an Türen und Wände gehängt“, sagt Ryan. Zur Küche geht es durch eine Saloontür, und abends versammelt man sich vor dem offenen Kamin wie am Lagerfeuer. Charakteristisch seien Kamine und Wände aus Stein, dazu gehören in den Wohnraum Accessoires aus Holz, Metall und Leder sowie mexikanische und indianische Muster. Der Einfluss aus Mexiko macht sich in kräftigen südländischen Farben bemerkbar: Gelb, Orange, Rot und Ocker.

Außerdem gibt es noch die supermodernen New Yorker Lofts im kreativen „Industrial Chic“: Wo rohe Backsteinwände, alte Holzdielen und angerostete Stahlregale auf stylishe Designer-Stücke eines Raymond Loewy oder des Paars Charles und Ray Eames treffen.

„Das sind absolute Kultfiguren, die mit ihrem innovativen Stil das Design revolutioniert haben und es heute noch beeinflussen“, erläutert Innenarchitektin Leydecker. Raymond Loewy setzte Maßstäbe durch sein Stromliniendesign und entwarf 1934 mit dem Kühlschrank „Coldspot“ einen Verkaufsschlager.

„Die Arts-and-Crafts-Bewegung erlebt eine Renaissance“

Ein weiteres Glanzlicht funktionalen Möbel-Designs ist der „Lounge Chair“ von Charles und Ray Eames, eine leichtere und bequemere Version des englischen Clubsessels. Der Klassiker von 1956 wird noch heute produziert. Ein Revival erleben derzeit solche Design-Ikonen auch durch die TV-Serie „Mad Men“, angesiedelt in einer New Yorker Werbeagentur der 60er Jahre. Zeitlose Eleganz, schlichte Entwürfe, klare Linien: Der Mid-Century-Modern-Stil ist angesagt – bei denen, die sich das leisten können.

Holz sorgt in jeder Hinsicht für ein gutes Klima.
Holz sorgt in jeder Hinsicht für ein gutes Klima.

© dpa

„Die USA stehen für technologischen Fortschritt und Innovationskraft“, sagt Sylvia Leydecker, Vizepräsidentin des Bundes Deutscher Innenarchitekten in Berlin. „Ein Gegengewicht dazu bildet die Rückbesinnung auf die traditionelle Handwerkskunst. Die Arts-and-Crafts-Bewegung erlebt eine Renaissance.“ So stehen für gutes amerikanisches Design auch die Shaker-Möbel aus dem 19. Jahrhundert – laut der Expertin „wahnsinnig schöne Arbeiten, schlicht und funktional, ohne überflüssigen Schnickschnack“. Sie wurden gefertigt von den Shakern, Anhängern einer protestantischen Freikirche.

Zu den populärsten amerikanischen Möbelstücken zählt deren „Salem Rocker“, ein Schaukelstuhl aus Kirschholz und einem Bänderflechtwerk, der heute noch nachgebaut wird. Die Shaker verkörpern auch ein zeitloses und langlebiges Design, das die Ressourcen schont. Überhaupt ist Nachhaltigkeit in den USA ein großes Thema, das Stichwort heißt: Organic Lifestyle. Dazu passt, dass viele Häuser im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Holzbauten sind, die auch in Deutschland immer mehr Freunde finden.

Am Bodensee haben sich Schreiner, Architekten, Wissenschaftler und Förster jetzt zusammengetan, um das heimische Laubholz zur Marke aufzubauen. Die Verwertung von regionalem Holz als Baustoff könnte auch für andere ländliche Regionen interessant sein. Hoher Vorfertigungsgrad, kurze und wetterunabhängige Bauzeit, gute Wärmedämmeigenschaften bei geringer Wandstärke – das sind aus Sicht von Architekt Joachim Binder nur drei der Vorteile der Holzbauweise.

„Das Klima in Holzbauten ist angenehmer, der Baulärm geringer als beim Betonbau“, wirbt er. Die Akustik sei besser, Schall-Absorber sorgen im neuen Anbau zusätzlich dafür, dass der Lärmpegel nicht so hoch ist. Nach einer Studie des Münchner Bauträgers Concept Bau aus dem Jahr 2011 mit 600 Befragten liegt Holz auf Platz drei der beliebtesten Baustoffe Deutschlands. Bundesweit sind jedoch sind zwei Drittel aller Neubauten aus Stein. (dpa/Tsp)

Susanna Hoke

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